27. April 2022
3 Szenarien im Ukraine-Konflikt und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen.

3 Szenarien im Ukraine-Konflikt und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen

Welche Szenarien sind in der Ukraine-Krise realistisch? Welche wirtschaftlichen Konsequenzen würden diese wiederum nach sich ziehen?

Der Frieden scheint in der Ukraine noch in weiter Ferne zu sein. Für Michaël Nizard, Leiter von Multi-Asset & Overlay und Delphine Arnaud, Fondsmanagerin Multi-Asset & Overlay bei Edmond de Rothschild Asset Management, führen alle Lösungen zu einem höheren Inflationsdruck. Das Risiko der Wachstumsverlangsamung ist jedoch je nach Dauer des Konflikts unterschiedlich hoch. Sie sehen drei mögliche Szenarien:

Erstes Szenario: Waffenstillstand und Rückzug russischer Truppen aus der Ukraine

In diesem ersten Szenario zieht Russland seine Truppen aus dem größten Teil der Ukraine zurück, um seine Kräfte auf die Krim und den Donbas zu konzentrieren, jedoch ohne den Zugang zum Asowschen Meer. Die rasche Unterzeichnung eines Waffenstillstands würde es Putin ermöglichen, sich während der Feierlichkeiten am 9. Mai als Sieger zu präsentieren, auch wenn die Situation in der Süd- und Ostukraine konfliktgeladen bleibt. Die Demobilisierung der ukrainischen Streitkräfte würde zu einer Wiederaufnahme der Arbeit in der Landwirtschaft führen und das Risiko einer Weizenknappheit in den Schwellenländern verringern.

Die Energiepreise würden auf das Niveau vor der Invasion zurückfallen und damit den Inflationsdruck verringern. Eine Lockerung der Sanktionen würde es ermöglichen, die Produktionskreisläufe wieder anzukurbeln. Eine zurückgehende Risikoabneigung auf den Märkten sowie ein Rückgang bei dem erschütterten Verbrauchervertrauen würden ein Wirtschaftswachstum im Jahr 2022, des in der Nähe des zu Beginn des Jahres erwarteten Niveaus, ermöglichen.

Zweites Szenario: Pattsituation im Konflikt

Beide Seiten zögern die Unterzeichnung des Waffenstillstands hinaus, um sich einen militärischen Vorteil bei den weiteren Kämpfen zu verschaffen. Bei diesem Szenario ist zu befürchten, dass es im Konflikt über den Sommer hinaus zum Patt kommt. Obwohl die Anleger, wie auch die Medien, ihre Aufmerksamkeit allmählich vom Krieg in der Ukraine abwenden, da das Schlimmste bereits eingepreist ist, würden die Schlagzeilen regelmäßig wieder Ereignisse in den Vordergrund rücken, die eine Verlagerung des Konflikts in ein dunkleres Szenario befürchten lassen könnten.

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Aufgrund von Engpässen würden die Rohstoffpreise auf einem hohen Niveau gehalten werden. Obwohl in diesem Szenario keine Eskalation der Sanktionen vorkommt, sind dennoch Verknappungen zu befürchten, die das Risiko einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in Europa bergen. Da die Arbeit in der Landwirtschaft nicht durchgeführt werden kann, besteht die Gefahr von Nahrungsmittelknappheit und einem möglichen Aufstand in den Schwellenländern.

Drittes Szenario: Eskalation des Konflikts

Wenn die Ukraine in einem Referendum die Bedingungen für einen Waffenstillstand ablehnt, wenn die Sanktionen nicht ausreichen, um Russland zum Einlenken zu bewegen, wenn China Russland diplomatisch oder logistisch unterstützt, könnten wir ein Übergreifen des bisher lokal begrenzten Konflikts befürchten und eine internationale Polarisierung des Konflikts wie zu Zeiten des Kalten Krieges erleben. In diesem Szenario befürchten wir eine Unterbrechung der europäischen Gasversorgung über die ukrainischen Gaspipelines, ein militärisches Eingreifen der Nato und eine Eskalation der Sanktionen zwischen den USA und China. Das globale Wachstum würde einbrechen und Risikoanlagen um 15 bis 30 Prozent fallen. Hier stellt sich die Frage, ob die Finanzmärkte den neuen Status der europäischen Wirtschaft, nämlich den einer Kriegswirtschaft, tatsächlich eingepreist haben.

Über die Autoren: Michaël Nizard und Delphine Arnaud

Michaël Nizard, Leiter von Multi-Asset & Overlay und Delphine Arnaud, Fondsmanagerin Multi-Asset & Overlay bei Edmond de Rothschild Asset Management.