20. Januar 2019
Werden Anleihen 2019 der große Hoffnungsträger für Anleger.

Anleihen: Vom Außenseiter zum Hoffnungsträger

Die Risiken am Aktienmarkt steigen. Profi-Investoren schichten zu Anleihen um. Wie die Schuldscheine funktionieren, was sie 2019 bieten und wie Anleger investieren können.

Über Jahre galten sie als out. Aus der Zeit gefallen. Doch nun könnte Anleihen ein Comeback bevor stehen. Wie eine monatliche Umfrage der US-Großbank Bank of America Merrill Lynch im Dezember ergeben hat, schichteten Fondsmanager zuletzt verstärkt von Aktien zu Anleihen um. Um satte 23 Prozentpunkte kletterte der Anleihe-Anteil in den Depots. Einen solch starken Anstieg haben die Analysten, welche die Studie durchführen, noch nie festgestellt. Zugleich steigt die Nervosität unter Investoren: Um 53 Prozent übersteigt laut Studie die Zahl der Pessimisten die der Optimisten.

Tatsächlich gelten Anleihen seit jeher als sicheres Fundament im Portfolio. Anders als Aktien garantieren Anleihen regelmäßige Zinsen in Form von meist jährlichen, seltener quartalsweisen Kupons. Zugleich wird ihr Nominalwert zum Ende der Laufzeit vom Kreditnehmer, dem Emittenten der Anleihe, zurückgezahlt. Einziges Risiko: Der Emittent wird zahlungsunfähig. In diesem Fall müssen Gläubiger meist große Abstriche machen und fahren Verluste ein. Über die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit gibt die Bonität eines Anleihe-Emittenten Auskunft. Ratingagenturen wie Fitch, S&P oder Moody’s nehmen Unternehmen und Staaten unter die Lupe und verteilen sogenannte Bonitätsnoten zwischen AAA und D. Je schlechter die Bonitätsnote, desto höher müssen auch die Kupons ausfallen, damit Investoren einem Emittenten Kredit geben, so die Marktlogik.

Anleihen: Das bewegt die Kurse

Doch die Kurse von Anleihen können auch während der Laufzeit schwanken. Beispielsweise dann, wenn große Notenbanken und vor allem diejenige Notenbank, in deren Währung eine Anleihe begeben ist, die Zinsen anhebt oder senkt. Zuletzt unternahm die US-Notenbank einen erwarteten Zinsschritt und hob das Zinsniveau im Dollar-Raum auf 2,5 Prozent an. Als direkte Reaktion büßten die Kurse bestehender Anleihen ein. Dies liegt daran, dass neue Bonds, die nach dem Zinsschritt emittiert werden, relativ gesehen attraktiver sind als die bereits bestehenden Bonds, die in einer Phase niedrigerer Zinsen auf den Markt kamen. Obwohl steigende Zinsen für Anleihekäufer ein Risiko darstellen, ändert sich für Investoren, die bis zur Fälligkeit der Papiere warten, nichts. Am Ende wird immer der Nominalwert zurückgezahlt, während der Laufzeit winken Kupons.

Neben den Leitzinsen haben auch Konjunkturerwartungen einen Einfluss auf die Kurse. Rechnet der Markt mit einer Aufhellung der Konjunktur, steigt auch das Inflationsrisiko. Da Anleihen in der Regel feste Zinssätze bieten, entwertet eine höhere Inflation künftige Kuponzahlungen und auch die Rückzahlung am Laufzeitende. Aus diesem Grund können positive Konjunkturprognosen bei Bonds zu Zeitwertverlusten führen. Besonders stark ist dieser Effekt, wenn Inflationsraten ohnehin hoch sind und die Notenbanken sich gezwungen sehen, gegenzusteuern. Dann führen Zins *- und Konjunkturrisiko in Kombination zu Kursrückgängen bei Anleihen.

Einen kurzfristigen Effekt auf den Bondmarkt haben auch andere Anlageklassen, beispielsweise Aktien. Aktien und Anleihen werden häufig als zwei Seiten einer Medaille gesehen – entweder Aktien laufen gut und Anleihen schlecht oder andersherum. Jagt bei den wichtigsten Aktienindizes ein Hoch das nächste, steigt der Risikoappetit der Investoren und Anleihen sind weniger gefragt. Ist die Lage umgekehrt, wie aktuell am Markt, werden Anleihen wieder attraktiver und es sind sogar Kursgewinne möglich.

Risiken für Anleihen halten sich in Grenzen

Zwar könnten der jahrelange Aufschwung der Weltwirtschaft, das damit gestiegene Inflationsrisiko und die vorsichtige Abkehr der wichtigsten Notenbanken von der ultralockeren Geldpolitik gegen Anleihen sprechen, doch überwiegen aktuell die positiven Faktoren.  „Die  Unsicherheit bleibt groß – einige Themen könnten sich noch kritischer  entwickeln als heute befürchtet oder sich auflösen. Zu erwähnen ist  beispielsweise erstens die 90-Tagesfrist bis zum 2. März, wenn nach derzeitigem  Stand die US-Importzölle auf chinesische Waren auf 25% angehoben werden sollen,  und zweitens der Termin 29. März, wenn Großbritannien den Brexit  triggert“, schreiben beispielsweise die Experten der NordLB rechnen damit, dass die US-Notenbank zunächst abwarten wird und 2019 nur noch zwei Zinsschritte statt bisher drei plant.

Auch Inflation ist aktuell kein großes Thema. Zwar scheint das Potenzial der globalen Aktienmärkte vorerst ausgereizt, doch zeigt sich auch dank der fallenden Ölpreise kein allzu großer Inflationsdruck. „Sinkende Inflation durch fallende Öl- und Lebensmittelpreise mindert derzeit den Druck der Notenbanken“, findet auch Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank. Die Gefahr für Anleihen scheint von Seiten der Konjunktur und der Notenbanken also gering zu sein. Bleibt die Unsicherheit am Aktienmarkt als positive Einflussgröße auf die künftige Entwicklung bei Bonds. Doch ist die Ausgangssituation für Anleger wirklich so einfach?

Gestreut investieren, Risiken minimieren

In Zeiten, in denen vieles für den sicheren Hafen der Anleihen spricht, birgt die Anlageklasse auch Risiken. Der jüngste Schuldenstreit zwischen der EU und Italien hat gezeigt, dass auch westliche Industrienationen nicht davor gefeit sind, in eine Schuldenkrise zu schlittern. Der zunehmende Erfolg populistischer Parteien wird diese Gefahr eher verstärken. Noch größer sind die Risiken bei Unternehmensanleihen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt seit einigen Jahren vor sogenannten Zombie-Unternehmen. Dies sind Firmen, die sich nur dank der niedrigen Zinsen am Markt halten können und deren Zinsaufwand größer ist als der Gewinn. Im Herbst 2018 erneuerte die BIZ ihre Warnung. In einer Phase, in der die Zinsen tendenziell eher ansteigen, klettert auch das Risiko für eben jene Zombie-Unternehmen. Für Gläubiger könnte das eine höhere Wahrscheinlichkeit für Zahlungsausfälle bedeuten. Häufen sich diese, könnte der Anleihemarkt sogar austrocknen. Dadurch könnten im schlimmsten Fall auch gesunde Unternehmen, die sich refinanzieren müssen, in Schieflage geraten.

Was bedeutet diese Gemengelage nun für Anleger? Trotz bestehender Risikofaktoren überwiegen die Chancen am Anleihemarkt aktuell die Risiken. Angesichts der unsicheren Marktlage kann ein höherer Anleiheanteil im Depot die Volatilität senken und den Diversifikationsgrad erhöhen. Vor allem Anleger, die zu viele Aktien im Portfolio haben, sollten über Anleihen nachdenken. Doch Anleihen sind auch komplex: Zinsrisiken, die sich abhängig von Restlaufzeiten unterschiedlich auswirken und nicht zuletzt die komplexe Bonitätssituation vieler Gesellschaften überfordern viele Privatanleger. Aus diesem Grund bieten sich bei Anleihen diversifizierte Investments mittels Fonds besonders an. Aktive Manager können dabei für Investoren Mehrwerte generieren, doch auch ETFs spielen ihre Stärken bei Anleihen aus. Wer statt in einen Emittenten gleich in mehrere hundert investiert, muss sich über Ausfallrisiken weniger Sorgen machen. Auch eine Streuung über verschiedene Restlaufzeiten macht Sinn und ist mit ETFs leicht umzusetzen.

Fazit: Anleihen gehören spätestens jetzt in jedes Depot. Die Unsicherheit am Aktienmarkt sollte die Kurse weiter treiben. Gegenwind von Notenbanken und Inflation droht vorerst nicht. Anleger sollten aber diversifiziert investieren und auf Qualität setzen.

Experten warnen vor Zombie-Unternehmen. Anleger sollten daher um Ramsch-Anleihen einen Bogen machen.
Experten warnen vor Zombie-Unternehmen. Anleger sollten daher um Ramsch-Anleihen einen Bogen machen.