28. September 2020

Beate Sander ist tot: Mein Dankeschön an unsere "Börsen-Oma"

Beate Sander ist gestorben. Obwohl ich sie nur eineinhalb Jahre kannte, hat sie mich als Anleger sehr geprägt. Ein persönliches Dankeschön an eine großartige Börsianerin – und eine inspirierende Persönlichkeit!

Eigentlich sollte unser erstes Gespräch nur zehn Minuten dauern, so hatten wir es per Email ausgemacht. Es tue ihr schrecklich leid, schrieb Beate Sander im März 2019. Schrecklich leid, dass sie nicht mehr Zeit hätte. Mit dem YouTube-Kanal, für den ich damals als Moderator tätig war, standen wir kurz vor der dritten Ausgabe unseres Live-Events „Das Börsianische Quartett“ und Beate Sander sollte ein wesentlicher Teil des Events werden. Im Vorfeld des Hauptprogramms, der Aufzeichnung des Quartetts, sollte ich ein sogenanntes 1:1-Interview mit ihr übernehmen.

Der Finanzbuchverlag – der Verlag, in dem Beate Sander seit knapp 20 Jahren erfolgreich mehr als zwei Dutzend Börsenratgeber veröffentlicht hat – war einer der Hauptsponsoren des Events und hatte sie damals als Interviewpartnerin ins Spiel gebracht. Die Idee hatte mich sofort begeistert. Eine 80-jährige Frau, die binnen zwei Jahrzehnten aus 30.000 Euro mit Aktien ein siebenstelliges Vermögen angehäuft hat – diese Geschichte hatte mich sofort in ihren Bann gezogen. Und so verabredete ich mich voller Neugier per Email mit ihr zum telefonischen Vorgespräch, um die Themenfelder für unser Interview abzustecken. 

Zehn Minuten hätte sie leider nur dafür, schrieb Beate Sander, es tue ihr leid, mehr Zeit könne sie wahrscheinlich nicht aufbringen. Am Ende wurden aus den vereinbarten zehn Minuten anregende eineinhalb Stunden, und jeder, der einmal das Glück hatte, Beate Sander persönlich zu begegnen, kann sich sicher lebhaft vorstellen, dass das Gespräch noch weitere 90 Minuten hätte dauern können, ohne langweilig zu werden.

Zu groß war ihre Energie, zu groß ihre Leidenschaft für die Börse, zu groß ihr Wissensschatz und der unbedingte Wille, diesen an junge Nachwuchsbörsianer weiterzugeben.

Als ich sie dann am 16. März, dem Tag unseres gemeinsamen Auftritts, zum ersten Mal persönlich traf, begegnete ich einer Frau, deren Augen strahlten, wenn sie über die Börse sprach. Unter allen Börsenprofis, die ich in meiner Laufbahn getroffen habe – und glauben Sie mir, ich habe im deutschsprachigen Raum so ziemlich alle schon getroffen – war Beate (wir waren per Du) diejenige, deren Passion für das Thema am authentischsten war.

Ich kannte sie nicht lang, nur etwas mehr als eineinhalb Jahre, und dennoch haben mich die vielen Telefonate mit ihr und unser reger Email-Austausch nachhaltig beeindruckt. Auf einem Event in Köln, bei dem ich sie im vergangenen Jahr nochmals interviewte, saßen wir noch lang zusammen und unterhielten uns über – na, was wohl – die Börse!

Es hört sich zwar paradox an für eine Person, die als „Börsen-Oma“ berühmt geworden ist und die auch nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass sie es mit ihrer eigens kreierten „Hoch-Tief-Mut-Strategie“ zur Millionärin gebracht hatte, doch: Beate Sander ging es nie ums Geld. Es ging ihr im Gegensatz zu manch anderem „Börsen-Influencer“ nie darum, den eigenen Reichtum zur Schau zu stellen oder diesen als reinen Selbstzweck des Investierens zu zelebrieren. Nein, es ging Beate stets um eins: den Spaß zu vermitteln, den die Börse machen kann. Den Spaß daran, etwas neues hinzuzulernen und auf zack zu bleiben. 

Sie selbst lebte das vor – par excellence! Wenn sie einmal auf Betriebstemperatur war, war es kaum noch möglich dazwischenzukommen. Aber ehrlicherweise wollte man das auch gar nicht. Es war viel zu lehrreich und unterhaltsam, ihr zuzuhören. Und da war es egal, ob es sich um Small Caps, Familienunternehmen, digitale Wachstumsperlen, ETF-Strategien für Einsteiger, russische Dividendentitel, ihre heiß geliebten Einhörner (Aktien, die sich im Wert verzehnfacht haben) oder die Philosophie hinter ihrem Spruch „breit gestreut, nie bereut“ (mittlerweile ein geflügeltes Wort in der deutschen Börsenlandschaft) handelte. 

An jenem 16. März 2019 – dem Tag, an dem „Das Börsianische Quartett“ mit Beate im Sheraton in München  aufgezeichnet wurde – stand ich abends um 22 Uhr in der Lobby des Hotels und beobachtete, wie Beate von einem Pulk von 20-Jährigen umringt wurde. Es war ein Bild für die Götter. Dieses kleine, zierliche Persönchen beantwortete ohne Unterlass jede einzelne Frage und brachte ihre Zuhörer, die gebannt an ihren Lippen hingen, gefühlt mit jedem zweiten Satz zum Lachen. Einer der Jungen gesellte sich zu mir, und sagte: „Diese Frau ist der Wahnsinn. Wie gern hätte ich sie zur Oma.“ Ich konnte nichts anderes tun, als zu schmunzeln und ihm beizupflichten. 

Am 28. September 2020 ist unsere „Börsen-Oma“ nach schwerer Krankheit von uns gegangen. Deswegen schreibe ich diese Zeilen. Voller Dankbarkeit für die vielen Gespräche mit ihr, ihre inspirierenden Gedanken und die vielen lehrreichen Tipps, die mich tatsächlich zu einem besseren Börsianer gemacht haben. Ich bin sicher, dass sie dies freut. In Gedanken bin ich bei ihren Kindern, ihren Enkeln und Freunden. 

Liebe Beate, ich werde dich vermissen!