Börsenprofi über Chancen für Anleger in Corona-Zeiten
Der erste Corona-Schock ist vorbei. Eine zweite Welle ist nicht auszuschließen. Börsenprofi Christopher Smart erklärt, welche Anlegerchancen sich ergeben.
Privathaushalte und Anleger fragen sich: Wie geht es nun weiter in diesen verrückten Corona-Zeiten. Christopher Smart, Chefstratege und Leiter des Barings Investment Institute, befasst sich in seinen aktuellen Leitgedanken mit dem kommenden Wirtschaftszyklus unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und den sich ergebenden Chancen für Anleger:
Anleger haben laut Smart die vergangenen Wochen mit Schüttelfrost wahrgenommen, auch wenn sie die zumeist als überfällige „Korrektur“ abtaten. Aber wenn Sie investieren wollen, während dieses ereignisreiche Jahr zu Ende geht, müssen Sie ein paar Schlüsselfragen beantworten. Auf diese geht der Barings-Chefstratege nachfolgend ein:
Erstens: Auch wenn es allzu optimistisch erscheint, die Pandemie für beendet zu erklären, verbessern sich die Daten, die die Investitionsentscheidungen vorantreiben, doch weiter. Die chinesische Industrieproduktion liegt jetzt vier Prozent über der des letzten Jahres, die europäischen Einkaufsmanagerindizes signalisieren eine Expansion, die Arbeitslosigkeit in den USA ist weiter rückläufig. Zwar nehmen die Covid-19-Fälle in Teilen der USA und Europas immer noch zu, und in Ländern wie Indien und Brasilien sind die Trends weiterhin besorgniserregend, aber die Welt hat gelernt, mit den Risiken zu leben. Die Sterblichkeitsraten sind zumeist rückläufig, die Behandlungsmethoden verbessern sich, und bis zum nächsten Jahr werden wir wahrscheinlich eine kleine Auswahl an alternativen Impfstoffen haben.
Tipp: Die chinesische Industrieproduktion läuft längst wieder an. Erfahren Sie alles über das Investieren in China.
Normalität nach Corona?
All dies bedeutet, dass die Weltwirtschaft im nächsten Jahr zu einer „Normalität“ zurückkehren wird, die von Standardmaßen für BIP-Wachstum, Arbeitslosigkeit und Investitionen abhängt. Auf dem Papier wird das gut aussehen, sich in der Praxis aber viel schlechter anfühlen. Und das ist es, was den kommenden Zyklus für Investoren so schwierig macht. Er sieht genauso aus wie der alte Zyklus, aber mit langsamerem Wachstum, niedrigerer Inflation und mehr Schulden. Im Durchschnitt werden die meisten Industrieländer zusätzliche Schulden in Höhe von mindestens 20 Prozent des BIP haben.
Da aber die Zentralbanken dem leichten Geld verpflichtet sind und die Regierungen die Haushaltsdefizite vorerst ignorieren, sieht die Erholung gut unterstützt aus. Die Aufgabe eines Investors muss es daher sein, in einer Welt schwacher Nachfrage und stabiler Preise Chancen zu finden. Da der Zyklus nicht wirklich viel helfen wird, werden die besten Renditen denjenigen zugutekommen, die sich in den säkularen Trends, die die Pandemie möglicherweise beschleunigt hat, auskennen.
Einsatz von Technologie gefordert
Dies bedeutet vor allem die rasche Einführung von Technologie und insbesondere von künstlicher Intelligenz, die eine Generation von Geschäftspraktiken erschüttert und bereits begonnen hat, alles umzugestalten. Es bedeutet eine wachsende Besorgnis über den Klimawandel, der die Nachfrage nach saubereren Alternativen ankurbeln und weniger wichtige Reisen einschränken wird. Und es bedeutet neue Lebens-, Arbeits- und Einkaufsmuster, die die Renditen von Immobilien verändern.
Insofern sollten Anleger die jüngsten Marktturbulenzen nicht als den Beginn des Endes einer atemberaubenden Rallye betrachten, sondern eher als das Ende des Beginns eines neuen gedämpften Zyklus, der eine scharfe Konzentration auf den säkularen Wandel erfordert.
Autor Thomas Brummer
Thomas Brummer war bereits für das Anlegermagazin "Der Aktionär" und das Verbraucherportal biallo.de tätig. Zudem hospitierte er in der Wirtschaftsredaktion der Rheinischen Post in Düsseldorf. Seit 2018 ist er Mitglied der Redaktion und seit 2020 als stellvertretender Chefredakteur für das Anlegerportal extraETF.com und das Extra-Magazin verantwortlich.
Die Sorge institutioneller Investoren, dass nachhaltiges Investieren die Wertentwicklung beeinträchtigen könnte, ist im vierten Jahr in Folge zurückgegangen. Gleichzeitig hat die Corona-Krise Nachhaltigkeit stärker in den Fokus gerückt.