27. Oktober 2022
Cosco-Kompromiss: China steigt beim Hamburger Hafen ein

Cosco-Kompromiss: China steigt beim Hamburger Hafen ein

Die chinesische Reederei Cosco darf in einen Containerterminal im Hamburger Hafen einsteigen. Das Bundeskabinett hat einen Anteil von 24,9 statt der geplanten 35 Prozent an der Betreibergesellschaft befürwortet.

Die Wellen schlagen seit Wochen hoch: Soll China in ein Terminal des Hamburger Hafens einsteigen oder nicht? Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen. So taten in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den „Spiegel“. 81 Prozent der Befragten ihre Ablehnung kund, 13 Prozent stimmten zu. Doch nicht nur die Bevölkerung ist mehrheitlich gegen den Deal.

Kritik von allen Seiten

Aus allen Parteien kommt Kritik an den Plänen. Auch in der Regierung regt sich Teil-Widerstand. Wirtschaftsminister Robert Habeck ist – wie fünf weitere Ministerien –  gegen den Einstieg der chinesischen Reederei, Kanzler Olaf Scholz dafür, die Stadt Hamburg ebenfalls. Hätte das Kabinett diese Woche nicht entschieden, wäre die Frist 31. Oktober für eine Untersagung verstrichen gewesen und die Beteiligung der geplanten 35 Prozent von Cosco über die Bühne gegangen.

Nach Bekanntwerden der Entscheidung steigt die Aktie des Hamburger Hafenbetreibers Hamburger Hafen und Logistik AG (WKN: A0S848) um zuletzt 2,1 Prozent auf 12,04 Euro.

Hauptargumente gegen den Einstieg eines chinesischen Staatskonzerns sind die Sorge um die Sicherheit und vor einer Einflussnahme der chinesischen Regierung auf (kritische) Infrastruktur und Handel. Auch die Angst vor neuen Abhängigkeiten, wie Deutschland sie bei den Gaslieferungen aus Russland gerade erlebt, ist ein Argument gegen die Beteiligung. Vor allem das Wirtschaftsministerium warnte vor neuen Abhängigkeiten und wollte den Einstieg komplett untersagen. Befürworter argumentieren, dass sich Cosco an einem Terminalbetreiber beteiligen wolle – und das sei keine kritische Infrastruktur. Hamburg ist auch die finanzielle Beteiligung willkommen.

Mit Wenn und Aber genehmigt

Mit einer Genehmigung unterhalb der Schwelle von 25 Prozent soll sichergestellt sein, dass Cosco weitere Anteile nur in einem neuen Investitionsprüfungsverfahren – wie jetzt auch – erwirbt. Cosco soll außerdem keine Vetorechte erhalten – etwa für strategische Entscheidungen und keinen Geschäftsführerposten bekommen. Damit wäre der Cosco-Einstieg eine reine Finanzbeteiligung, ein Kompromiss.

Schon im September hatten Wirtschaftsexperten wie Prof. Dr. Rolf J. Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel Auflagen gefordert: Etwa eine Garantie, dass der Hamburger Senat Einblick in die von Cosco genutzte digitale Infrastruktur der Abwicklung des Handels habe und sie beeinflussen könne. Diese Infrastruktur müsse Wettbewerbern offengehalten werden, wie auch das Preisgebaren von Cosco. Es dürfe nicht dazu führen, dass Wettbewerber als Folge von Unterstützungen durch den chinesischen Staat aus dem Markt gedrückt würden. Außerdem hält das IfW Absprachen mit anderen europäischen Häfen für nützlich.

Was wäre wenn nicht?

Cosco, die weltweit viertgrößte Container-Reederei, will im Gegenzug für die Beteiligung den Terminal Tollerorten bevorzugt in Europa nutzen. Hätte ein Nein bedeutet, dass China andere Häfen bevorzugt hätte? Schon jetzt ist Hamburger auf Platz 3 in Europa abgerutscht. Unter den zehn größten Containerhäfen der Welt sind neun chinesische: allen voran Shanghai. Einer der Top 10, Singapur, gehört nicht zu China. Und China  ist an vielen Konkurrenten Hamburgs beteiligt: Piräus, Antwerpen, Rotterdam, Zeebrügge, Marseille, Valencia, Singapur, Korea, sogar Seattle in den USA, an Dutzenden Häfen weltweit.

Straßen, Schienen, Seewege – überall kauft China zu. Und wird damit zum ohnehin immer wichtigeren Partner. Mit 30 Prozent des gesamten Containerumschlages in Hamburg ist China der wichtigste Partner.

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Was nun?

Doch was ist die Lösung zwischen Globalisierung, Schutz eigener Interessen, wirtschaftlichen Notwendigkeiten, Sicherheit, Unabhängigkeit und Klimawandel? In der Hafen-Logistik sind Reederei-Beteiligungen an Terminals üblich. So ist Maersk an einem Terminal in Bremerhaven beteiligt, Hapag-Lloyd an einem anderen Hamburger Terminal.  Und so beteiligt sich auch China mit seinen Konzernen weltweit.

Trotz aller aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten investiert China, will seinen Status als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt festigen. Trotz Lockdowns der Null-Covid, steigender  Arbeitslosenzahlen und Immobilien-Krise will das Land zurück zu wirtschaftlicher Stärke. Das Projekt Neue Seidenstraße vergrößert den Einfluss des Landes auf der wirtschaftlichen Bühne.

Das IfW weist deshalb auf ein weiteres Contra hin: Cosco stehe sowohl für die maritime wie die digitale Seidenstraße und damit für den Einfluss Chinas auf die Kontrolle von geografischen Routen für den Seehandel und seine digitale Abwicklung. Letztere befindet sich unter anderem durch die Blockchain-Technologie im technologischen Umbruch, in der China mit führend sei. „Im Zusammenwirken mit chinesischen Tech-Unternehmen kann so eine marktbeherrschende Stellung zu Lasten anderer Wettbewerber entstehen, nicht zuletzt, weil China als Export- wie Beschaffungsmarkt so wichtig ist“, wendet Rolf J. Langhammer ein.