19. Dezember 2019

DB Research-Studie: ETFs bei Privatanlegern noch ein Nischenprodukt

„ETFs haben bei Privatanlegern an Beliebtheit gewonnen. Privatkunden haben ihre Anlagen in ETFs in den vergangenen Jahren auf etwa 35 Mrd. Euro vervielfacht. Sie investieren auch über Sparpläne in ETFs. Trotzdem sind ETFs für Privatanleger weiterhin ein Nischenprodukt, angesichts eines Vermögens in Investmentfonds von insgesamt 622 Mrd. Euro sprechen ETFs vor allem online-affine Anleger ohne Beratungswunsch an“, so fasst Heike Mai von Deutsche Bank Research das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung im Deutschland-Monitor zusammen.

In Deutschland werden laut dieser DB Research-Studie mindestens 144 Mrd. Euro in ETFs gehalten. ETFs machen somit 13 Prozent des Vermögens in offenen Publikumsfonds aus, obwohl erst im Jahr 2000 die ersten ETFs an der Deutschen Börse gelistet wurden. Institutionelle Investoren halten den Großteil des ETF-Vermögens, aber 15 bis 20 Prozent liegen nach Branchenschätzungen in Depots von Privatanlegern.

ETFs und Privatanleger: Starke Entwicklung, geringes Niveau

ETFs haben laut der DB Research-Studie als Anlageform bei privaten Anlegern enorm an Beliebtheit gewonnen. Privatkunden haben ihre Anlagen in ETFs in den vergangenen Jahren auf etwa 35 Mrd. Euro vervielfacht. Das ETF-Geschäft mit privaten Haushalten läuft überwiegend online über Direktbanken, wo etwa 27 Mrd. Euro des privat gehaltenen ETF-Anlagevolumens liegen. Die Direktbanken verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren fast durchgängig Nettozuflüsse. Außerdem sind schätzungsweise 4-6 Mrd. Euro über andere Banken und bis zu 3 Mrd.  Euro über Robo-Advisors in ETFs investiert. „Trotz dieser beeindruckenden Entwicklung sind ETFs weiterhin ein Nischenprodukt – angesichts von 622 Mrd. Euro., die deutsche Privathaushalte insgesamt in Investmentfonds angelegt haben.

Private Anleger investieren zunehmend über Sparpläne in ETFs

Die Zahl der Sparpläne ist laut der DB Research-Studie unter Berufung auf Zahlen des Anlegerportals extraETF auf 1,1 Millionen angewachsen, und die durchschnittliche monatliche Sparrate stieg danach im September 2019 auf 162 Euro. Privatkunden hätten auf diesem Wege bisher etwa 4,5 Mrd. Euro in ETFs angelegt. Das Angebot an Sparplänen sei groß und divers, sowohl was die Leistungen wie ETF-Auswahl oder Flexibilität der Sparrate angehe, als auch die Gebührenmodelle.

ETFs go active

„ETFs bedeuten nicht mehr in jedem Fall passives Vermögensmanagement. Es ist im Gegenteil eine Bewegung hin zu aktivem Anlageverhalten zu beobachten“, berichtet May in der DB Research-Studie. Dies zeige sich zum einen in einer Verbreiterung der ETF-Palette und gleichzeitigen Spezialisierung einzelner ETFs, welche Privatanlegern angeboten würden. ETFs würden mittlerweile nicht nur auf die bekannten Indizes großer Aktienmärkte angeboten, sondern auf eine Vielzahl von (Teil-)Märkten, Themen und Strategien, wie z.B. Renten, Rohstoffe, einzelne Branchen, Volatilitätsindizes, Nachhaltigkeit. „Active ETFs gewichten ihr Portfolio nach bestimmten Strategien“, so die Studienautorin May. Es gebe aber auch neue Produkte, die zwar „Exchange-Traded“, aber keine „Funds“ seien. Hierzu zählten Schuldverschreibungen wie Exchange-Traded Commodities (ETCs) und Exchange-Traded Notes (ETNs). Die Auswahl eines ETFs, der einen engen oder Strategie-Index abbilde, sei Ausdruck der Erwartung, dass dieses Segment eine bessere Wertentwicklung nehmen werde als der Gesamtmarkt, wie ihn ein breiter Index abbilden würde.

Zum anderen würden Privatanleger ihre ETF-Anlagen zunehmend aktiv verwalten, worauf ihre steigende Handelsaktivität hinweise. Die Anzahl der ETF-Order (ohne Sparplan-Ausführungen) habe besonders seit 2017 stark zugenommen, ebenso die Volatilität der Handelsaktivität. „Die durchschnittliche Ordergröße sank hingegen auf EUR 2.659 (Kauf) bzw. EUR 4.484 (Verkauf) im September 2019, wobei die Anzahl der Kauforder in den meisten Monaten die Verkaufstransaktionen um das Doppelte oder das Dreifache überstieg“, so die ETF-Untersuchung von Deutsche Bank Research.

„Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Privatanleger durch aktives ETF-Management langfristig eine geringere Rendite erwirtschaften, als sie durch das Halten eines kostengünstigen ETFs auf einen breiten Index erzielt hätten, da sie aufgrund ungünstiger Terminierung der Transaktionen und der Auswahl spezialisierter ETFs den Markt nicht schlagen konnten“, heißt es weiter.

Raus aus der Nische?

Bisher nutzen laut der DB Research-Studie nur wenige Privatanleger ETFs. „Lediglich 8 Prozent sind oder waren in ETFs investiert im Vergleich zu 25 Prozent bzw. 19 Prozent mit Anlagen in Aktien oder traditionellen Investmentfonds. Dies liegt daran, dass ETFs ein kostengünstiges „Selbstentscheiderprodukt“ sind. Da beim Kauf eines ETFs kein Ausgabeaufschlag anfällt, aus dem wie bei traditionellen Fonds eine Beratung finanziert werden könnte, werden ETFs überwiegend über Online-Kanäle und ohne persönliche Beratung vertrieben. Bisher sind also vor allem Privatleute, die sich in Finanzgeschäften bewandert fühlen und mit Online-Brokerage vertraut sind, (potenzielle) ETF-Anleger. Auch Robo-Advisors mit ihrer digitalisierten Beratung haben keine neuen Kundensegmente für ETFs gewonnen“, so May.

Das anhaltende Niedrigzinsumfeld lasse aber erwarten, dass sich zunehmend auch traditionelle Sparer mit ETFs vertraut machen würden. „Mittlerweile geben immer mehr Kreditinstitute den Negativzins der EZB an Privatkunden weiter, weshalb in vielen Haushalten mit einem Überdenken der bisherigen Spar- und Anlageentscheidungen zu rechnen ist. ETFs sind anders als Bankeinlagen eine Kapitalanlage, die Wertschwankungen und Liquiditätsrisiken unterliegt. Aber ETFs können im Vergleich zu anderen Anlagen eine attraktive Alternative sein. Gerade Sparer, die sich nicht häufig mit ihren Geldanlagen beschäftigen wollen, können von ETFs als passiver Anlage profitieren: Regelmäßiges Ansparen in und/oder Halten von ETFs auf große Marktindizes versprechen langfristig Wertsteigerungen bei vergleichsweise geringen Kosten und Risiken“, so May in der DB Research-Studie.