7. Oktober 2016
Juergen von der Lehr, Deutsche Bank

Deutsche Bank: Wir planen vollintegrierte Robo-Advisor-Lösungen

Ende September sprachen wir auf der Multi Asset Konferenz des ETF-Anbieters Source mit Jürgen von der Lehr, Head of Digital Innovation & Think Tank bei der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG über die Robo-Advisor-Strategie der Bank.

Die Deutsche Bank arbeitet an verschiedenen Robo-Advisor-Modellen. Neu hinzu kommt demnächst eine Online-Vermögensverwaltung. Was haben Sie da geplant und an welchen Kunden der Deutschen Bank richtet sich das Angebot?

Ende 2015 haben wir unseren Robo-Advisor „AnlageFinder“ gestartet. Dieser richtet sich sowohl an erfahrene Anleger, die ihre Anlageentscheidung ohne Beratung treffen möchten, als auch an Börsenanfänger, um ihnen den Einstieg in die Börsenwelt zu erleichtern. Die Online-Vermögensverwaltung sehen wir als nächsten Schritt um Kunden, die sich nicht selbst um ihre Geldanlage kümmern wollen oder können, die Möglichkeit zu geben, ihre Anlageentscheidungen zu delegieren. Nachdem wir ein detailliertes Anlegerprofil des Kunden erstellt haben, verwalten wir das uns anvertraute Vermögen und treffen Anlageentscheidungen eigenständig im Interesse des Kunden und im Rahmen der vereinbarten Vorgaben. Damit öffnen wir eine Premiumdienstleistung auch für Privatkunden mit kleineren Anlagebeträgen, die bisher vor allem für Kunden mit größerem Vermögen zugänglich war.

Gerade bei Banken hört man immer wieder Kritikpunkte, dass die Robo-Advisor mit ihren transparenten und günstigen Gebühren das Kerngeschäft einer Bank kannibalisieren. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Der Kunde, der sich in der Filiale beraten lässt, schätzt den persönlichen Kontakt zu seinem Bankberater und vertraut auf dessen Kompetenz. Diese Kundenbeziehung ist unseres Erachtens nicht über digitale Angebote zu ersetzen. Robo-Advisor stellen daher in dieser Kundengruppe auch keine Konkurrenz dar. Für Kunden, die ihre Anlageentscheidung dagegen ohne Beratung tätigen wollen, sind sie ein nützliches Instrument.

Mit unseren digitalen Anlagelösungen möchten wir insbesondere auch Kunden einen Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen, die diesen Schritt noch nicht gegangen sind. Um diese zu erreichen, setzen wir auf ausführliche Bildungsangebote. Mit der Gamification App „simVestor“ haben wir im Bereich finanzieller Allgemeinbildung neue Wege beschritten, um Kunden spielerisch die Grundkenntnisse des Kapitalmarktes zu vermitteln. Die kostenfreie App simuliert das Börsengeschehen und dient als Einstieg in die reale Welt der Finanz- und Kapitalmärkte.

Mensch oder Maschine. Was kann Technik heute leisten, wo gibt es aus Ihrer Sicht Grenzen?

Für mich ist ein Zusammenspiel aus den analytischen Fähigkeiten von computergestützten Systemen und der Erfahrung und Menschenkenntnis von Beratern der vielversprechendste Ansatz. Unser Robo-Advisor wird nicht nur von Menschen entwickelt, sondern auch überwacht und kontinuierlich verbessert. Menschen – in diesem Fall unsere Kundenbetreuer – nutzen wiederum zur Portfolioanalyse und -zusammenstellung Technologien, um Kunden optimal zu beraten. Durch moderne Computersysteme lassen sich komplexe Verfahren zur Bewertung und Optimierung von Portfolien in kürzester Zeit für eine große Anzahl an Kunden durchführen. Damit können wir derartige Angebote einer immer breiteren Kundengruppe zugänglich machen.

Eine Maschine kann aber die Erfahrung und das Einfühlvermögen eines Beraters nicht ersetzen. Die Entscheidung darüber, wie man sein Geld investieren möchte, ist für viele Kunden eine Frage des Vertrauens. Sie möchten die Möglichkeit haben, sich mit einem Gesprächspartner auszutauschen. Nicht nur deswegen werden hybride Modelle in Zukunft wichtiger, die analytische Fähigkeiten der Maschine mit der Erfahrung und Menschenkenntnis von Beratern kombinieren.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft der Robo-Advisor aus – wohin geht die Reise?

Mittelfristig planen wir vollintegrierte Robo-Advisor-Lösungen. Eine Stärke der Filialbank ist, dass wir dort digitale Angebote mit der persönlichen Beratung vor Ort kombinieren können. Kunden können sich online informieren und falls sie noch Beratungsbedarf haben, den Produktabschluss im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs vornehmen.

In Zukunft wird es noch wichtiger sein, den Kunden und seine Anlageentscheidung ganzheitlich zu betrachten. Das heißt, wir müssen seine bereits bestehenden Anlagen und Finanzprodukte in den Entscheidungsprozess mit einbeziehen. In der Filiale findet dies bereits heute statt. Mit dem Robo-Advisor möchten wir unseren Kunden auch online ermöglichen, Anlagealternativen vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Bedürfnisse und bezüglich des geeigneten Risikograds einzuordnen.

Zusätzlich zu unseren automatisierten Finanzservices prüfen wir unter dem Begriff „Beyond Banking Services“, welche Angebote wir außerdem in unsere Portale integrieren können. Die Überlegungen gehen dabei in Richtung Versicherungen oder auch Services aus dem E-Commerce-Bereich.

Wann kommt die Intelligenz in die Robo-Advisor-Angebote. Also z.B. Altersvorsorge, Depotoptimierung, Finanzplanung etc.

Wir haben ambitionierte Ziele und alle von Ihnen genannten Aspekte finden sich auch in unserer strategischen Planung wieder. Die bisher entwickelten Komponenten unserer digitalen Anlagelösungen sind dabei bewusst modular gestaltet. Dadurch können wir unser Angebot schrittweise und flexibel weiterentwickeln – ohne großen Zeitaufwand.

Den Auf- und Ausbau unserer digitalen Anlageprodukte sehen wir als dynamischen Prozess, in den laufend Kundenrückmeldungen und unsere eigenen Erfahrungen einfließen. So können wir unsere Produkte kontinuierlich verbessern und sie gleichzeitig an die möglicherweise veränderten Bedürfnisse unserer Kunden anpassen.

Einen Überblick über alle Robo-Advisor-Anbieter in Deutschland finden Sie auf unserer Robo-Advisor-Themenseite.