27. Februar 2012
Gordon Rose

Die drei wichtigsten Aspekte einer ETF-Anlage

Das Analysehaus Morningstar bearbeitet das Wachstumssegment ETF mit 16 Spezialisten, die Indizes und Produkte qualitativ unter die Lupe nehmen. Im ersten Artikel für das Extra-Magazin erklärt ETF-Analyst Gordon Rose die drei wichtigsten Aspekte bei der Wahl eines ETF.

Die ETP-Branche wächst rasant. Und mit dem Wachstum kommt die Komplexität. Als die ersten börsennotierten Indexfonds Anfang des Jahrtausends auf den Markt kamen, konnten sie tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, „ETF“ zu sein. Indizes wie DAX, Euro Stoxx 50 oder Dow Jones 30 standen im Vordergrund. Aus dem Kürzel machte ein Produktanbieter den Werbeslogan (E)infach, (T)ransparent und (F)lexibel. Von dieser Charakterisierung ist eigentlich nur noch das „F“ für „flexibel“ zutreffend. Denn einfach sind die Produkte beileibe nicht, und transparent sind sie nur für den, der weiß, wie sie funktionieren. Inzwischen ist die Rede von „ETPs“ (Exchange Traded Products), da die Indexprodukte nicht nur Fonds, sondern auch Inhaberschuldverschreibungen umfassen.

Die Philosophie von Morningstar lautet „investors first!“. Unser Anspruch ist es, das zu liefern, was Investoren brauchen. Deshalb fassen wir die Top-3-Kriterien einer ETF-Anlage zusammen. Unsere Liste ist keineswegs vollständig. Es gibt viele Kriterien, um zum für Sie richtigen ETF zu kommen. Dieser Artikel ist eine guter Ausgangspunkt.

Erstes Kriterium: die Indexkonstruktion

Zuerst müssen Anleger beurteilen, welcher Index ihren Anlagezielen am besten entspricht. Da sich jeder Index unterscheidet, müssen Anleger den Mechanismus des Referenzwertes genau verstehen, um unerwünschte Überraschungen zu vermeiden.

Das Konzentrationsrisiko einzelner Aktien oder Sektoren ist am einfachsten zu erkennen. Der Ölkonzern Petrobras macht beispielsweise fast 20 Prozent des MSCI Brazil aus. Das bringt ein erhebliches Konzentrationsrisiko mit sich. Oft führen Indexanbieter eine Maximalgewichtung der einzelnen Wertpapiere und/oder Branchen ein, um genau diese Konzentrationsproblematik zu minimieren.

Zudem sollten Anleger die Gewichtungsmethode des Index verstehen. Die meisten Indizes werden anhand der Marktkapitalisierung gewichtet. Die Technologie-Blase der späten 90er Jahre ist ein sehr gutes Beispiel, welche Risiken diese Gewichtungsmethodik mit sich bringt: Teure Aktien werden in marktkapitalisierungsindizes stark gewichtet, und mit jedem Kursanstieg wird das Risiko größer, was dann beim Platzen der Spekulationsblase natürlich schwere Folgen nach sich zieht, wie am Beispiel des Neuen Markts und der Nasdaq im Jahr 2000 deutlich wurde.

Die Gewichtung anhand der Marktkapitalisierung kann bei Anleihenindizes zu ähnlichen Problemen führen, da es zu einer Konzentration auf die Verbindlichkeiten der Emittenten mit der höchsten Verschuldung kommt. Eine Konzentration auf die größten Schuldner (egal, ob Unternehmen oder Staaten) birgt das offensichtliche Risiko, dass diese Emittenten sich letztendlich bis zu einem Punkt verschulden, ab dem sie unfähig werden, ihre Schulden zu begleichen. Das Beispiel Griechenland mag hierfür stehen.

Zweites Kriterium: die Replikationsmethode

Neben der Indexkonstruktion ist es auch sehr wichtig zu verstehen, wie die unterschiedlichen ETF-Strukturen die Performance des Referenzindex liefern.

Physisch replizierende Exchange Traded Funds (ETFs) können entweder durch vollständige Replikation oder durch das sogenannte Sampling-Verfahren den Index abbilden. Das Sampling-Verfahren wird häufiger für Indizes mit einer Vielzahl an Unternehmen oder für Indizes mit weniger liquiden Wertpapieren verwendet. Dabei kauft der ETF-Anbieter nur einen ausgewählten Aktienkorb, der im Idealfall das identische Risiko-Rendite-Profil wie der zugrunde liegende Index aufweist. Diese Methode funktioniert gut unter normalen Marktbedingungen. In einem schwierigen, volatilen Marktumfeld halten die statistischen Attribute jedoch nicht der Realität stand. Dann bringt der Sampling-Ansatz einen höher als erwarteten Tracking Error mit sich.

Darüber hinaus machen einige physisch replizierte ETFs von der Wertpapierleihe Gebrauch, um ein zusätzliches Einkommen zu generieren. Dabei werden Anleger dem Kontrahentenrisiko ausgesetzt. Allerdings hängt die Höhe des Risikos der Wertpapierleihe vom Volumen der ausgeliehenen Wertpapiere und von der Bonität der Sicherheiten und der Gegenpartei ab.

Anbieter synthetisch replizierender ETFs bilden den Referenzwert mit Hilfe eines Swap-Geschäfts mit einem oder mehreren Gegenparteien ab. Der Anbieter verpflichtet sich, der Gegenpartei die Rendite eines vordefinierten Wertpapierkorbes mit dem der Rendite des Referenzwertes zu tauschen. In den meisten Fällen reduziert die synthetische Replikation die Kosten und den Tracking Error, erhöht aber das Kontrahentenrisiko. Für schwer zugängliche Märkte haben Swap-Strukturen ein besseres Tracking relativ zu physisch replizierenden Fonds.

Drittes Kriterium: die Kosten

Zum Schluss sollte man sich die Gesamtkosten für eine ETF-Anlage anschauen, da es neben den Managementgebühren eine Reihe versteckter Kosten gibt.

Die Gesamtkostenquote ist der auffälligste zuzuordnende Kostenblock bei einem ETF-Investment. Die TER repräsentiert den Teil der Kosten, der jährlich vom Anbieter für die Indexnachbildung entnommen wird. Dies kann alle möglichen Kosten beinhalten, von den Handelskosten des ETF-Managers bis zum Marketingbudget und von Depotbankgebühren bis hin zu Lizenzkosten für den Index. Nicht in der TER enthalten und dennoch extrem wichtig sind die Handelskosten, die für den Investor entstehen, der sogenannte Spread. Die Handelsspanne ist ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

Außerdem sollte der Investor zwischen dem Tracking-Unterschied und dem Tracking Error differenzieren. Der Tracking- Unterschied ist lediglich die Differenz zwischen der Performance des ETFs und dessen Benchmark über einen bestimmten Zeitraum. Der Tracking Error misst die Performancevolatilität des ETFs relativ zu seiner Benchmark.

Die Methode der Indexabbildung eines ETFs kann auch ein entscheidender Grund für eine Abweichung vom Zielindex sein.

Die Neugewichtung des Index aufgrund von Fusionen, Pleiten oder Übernahmen kann bei physisch replizierenden ETFs zu Kosten führen. Diese Kosten, um einen ETF mit dem neuen Index wieder in Einklang zu bringen, spiegeln sich letztendlich in einer größeren Abweichung zur Rendite des Zielindex wider. Der Zeitpunkt der Dividendenzahlungen ist eine weitere potenzielle Ursache für Probleme bei der Indexabbildung für ETFs. Die Zeit zwischen dem Ex-Dividenden-Tag eines ausschüttenden ETFs mit physischer Replikation und der Zahlung der eigentlichen Dividende (meist mehrere Wochen) kann die ETF-Performance belasten. Während dieser Zeit liegt der auszuschüttende Betrag in einem vom Fonds getrennten Konto, das Guthabenzinsen zahlt. Als Folge ist der Anleger während dieser Zeit in Höhe der ausstehenden Dividenden nicht in den Index investiert. Dadurch erhöht sich die Gefahr, von der Index-Rendite abzuweichen.

Fazit:

Die Suche nach einem geeigneten ETF endet also nicht bei der Auswahl des gewünschten Engagements. Es ist genauso wichtig zu verstehen, ob der gewählte Index den Zielmarkt bzw. das Investmentziel auch tatsächlich abbildet und welche Produktstruktur hierfür am besten geeignet ist.