6. Juni 2016
Die smarte Art, Risiken zu reduzieren

Die smarte Art, Risiken zu reduzieren

In Zeiten steigender Unsicherheit an den Börsen überdenken Anleger ihre Investmentstrategien. Wenn die Aktienkurse fallen und die Schwankungen steigen, reduzieren viele den Aktienanteil ihrer Portfolios, um weitere Verluste zu vermeiden. Allerdings kann gerade im Niedrigzinsumfeld ein Umschwenken von Aktien in mutmaßlich sicherere Anleihen zu einer signifikanten Verringerung der Ertragserwartungen führen.

Es gibt indessen eine smarte Art, das Aktienengagement und die Ertragserwartungen zu erhalten und gleichzeitig einige Investmentrisiken zu begrenzen, die mit der Orientierung an klassischen Benchmarks verbunden sind. Anleger können dabei von einer Kombination aus den üblichen, mit einem ETF verbundenen Vorteilen – einem systematischen Ansatz mit breiter Streuung, Kosteneffizienz und vollständiger Transparenz – und dem Mehrwert eines alternativen Index profitieren.

Smarte Art die Risiken zu klassifizieren

Solche Alternative- oder Smart-Beta-Indizes sollen die Ineffizienzen traditioneller, nach Marktkapitalisierung gewichteter Indizes systematisch umgehen. Dazu zählt beispielsweise eine starke Übergewichtung weniger, hoch kapitalisierter Titel. Statt einfach die Marktkapitalisierung einzelner Aktien als Kriterium für die Index-Gewichtung zu einzusetzen, berücksichtigen Smart-Beta-Strategien daher auch andere Faktoren wie Bewertung, Größe, Momentum und Volatilität. Ziel dieser streng regelbasierten Ansätze ist, das Risiko-Ertrags-Profil gegenüber herkömmlichen Indizes zu verbessern, sei es durch eine Verringerung der Schwankungen, eine Erhöhung des Ertrags oder eine Kombination aus beidem. Anders als thematisch eng gefasste Ansätze oder sektorspezifische Investments sollen die meisten Alternative-Beta-Strategien dabei breit diversifizierte Portfolios liefern und damit das bieten, was ihr Name suggeriert: eine Alternative zu klassischen Indizes.

Dafür gibt es unterschiedliche Herangehensweisen: Alternative-Beta-Lösungen können auf Diversifikations-Grundsätzen fußen, indem sie etwa alle Aktien eines Index gleichgewichten (Equal Weight Indizes). Oder sie nutzen fundamentale Kriterien wie Dividenden, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) oder andere Bewertungskennzahlen. Und schließlich können sie auch an Risiko-Zielvorgaben orientiert sein, etwa an einer Verringerung der Volatilität, wie dies bei Risk-Weighted- und Minimum-Varianz-Indizes der Fall ist.

Alternative-Beta-Strategie: Minimum-Varianz

Minimum-Varianz-Indizes zählen dabei zu den bekanntesten Alternative-Beta-Strategien und erfreuen sich einer stetig wachsenden Beliebtheit unter Anlegern. Der Grund dafür ist simpel: Oberstes Ziel der Strategie ist, die Ertragsschwankungen gegenüber der kapitalisierungsgewichteten Benchmark signifikant zu reduzieren, ohne die Rendite des Portfolios deutlich zu beschneiden, oder sie möglicherweise sogar zu erhöhen. Durch die Auswahl der am wenigsten schwankenden und mit dem Markt am wenigsten korrelierten Titel eines Investment-Universums führt die Strategie in der Regel zu deutlich geringeren Verlusten im Vergleich zu ihrem nach Marktkapitalisierung gewichteten Gegenstück. Das gilt vor allem in Zeiten gravierender Korrekturen.

Denn in der Tat zeigen statistische Analysen, dass Volatilitätsrankings von Aktien eines gegebenen Universums vielfach über lange Zeiträume konstant bleiben – in der Vergangenheit wenig schwankende Papiere also wahrscheinlich auch in Zukunft relativ wenig volatil bleiben. So konnten akademische und empirische Untersuchungen zeigen, dass sich mit einem Minimum-Varianz-Ansatz die Volatilität um durchschnittlich 30 Prozent gegenüber einem klassischen Index reduzieren lässt. Dieses Ergebnis gilt dabei für unterschiedliche Zeiträume und geografische Regionen.

Mittlerweile hat die Beliebtheit von Multi-Varianz-Strategien zu einer Vielzahl entsprechender ETFs von unterschiedlichen Anbietern geführt. Allerdings unterscheiden diese sich hinsichtlich der konkreten Umsetzung des Ansatzes, was unterschiedliche Ergebnisse bei Performance und Risiko zur Folge hat. Die wesentlichen Unterschiede liegen dabei in den einzelnen Schritten der Portfolio-Konstruktion und in der Formulierung geeigneter Bedingungen, die eine ausreichende Diversifikation sowie eine möglichst effiziente Erreichung des Investmentziels sicherstellen.

Nachteile des Minimum-Varianz-Ansatzes

So ist der größte Nachteil eines bedingungslosen Minimum-Varianz-Ansatzes, dass er zu hoch konzentrierten Portfolios führt und die Anleger dadurch Risiken aussetzt, die außerhalb der Kontrolle des Ansatzes selbst liegen. Dazu zählen beispielsweise ein Liquiditätsrisiko, spezifische Risiken einzelner Aktien, die besonders hoch gewichtet werden, sowie eine übermäßige Ausrichtung auf bestimmte Sektoren oder Länder. Es ist wünschenswert, eine derartige Konzentration zu begrenzen. Dafür eignet sich etwa die Festlegung einer Mindestanzahl von Aktien im Portfolio oder eines bestimmten Diversifikationslevels über Sektoren und Regionen. Nur wenn diese Kriterien berücksichtigt werden, ist sichergestellt, dass der Ansatz sich in jedem denkbaren Marktumfeld streng systematisch aufrechterhalten lässt und keiner Feinjustierung bedarf. Gleichzeitig sollten die Kriterien für die Portfolio-Konstruktion nicht zu restriktiv sein, um das Ziel der Strategie nicht zu gefährden: die signifikante Reduktion der Volatilität gegenüber einem nach Marktkapitalisierung zusammengestellten Portfolio.

Grundsätzlich identifizieren Minimum-Varianz-Strategien erfolgreich wenig schwankende Aktien. Das führt naturgemäß bereits zu einer deutlichen Reduktion der Volatilität des Portfolios im Vergleich zu einem Standard-Index. Es bietet sich indes an, zusätzlich auch die Korrelationen einzelner Aktien zueinander zu berücksichtigen. Denn selbst relativ stark schwankende Titel können das Gesamtrisiko des Portfolios effektiv senken, wenn sie mit dessen übrigen Aktien nur gering korreliert sind. Je geringer dabei die Korrelation, desto höher fällt der Diversifikationseffekt aus. Schlussendlich lässt sich über einen mathematischen Optimierungsprozess unter Berücksichtigung von sowohl Volatilitäten als auch Korrelationen bestimmen, welche Aktien mit welcher Gewichtung im Portfolio berücksichtigt werden sollten, um dessen erwartete Schwankungen zu minimieren.

Konsequent angewandt, liefert die Minimum-Varianz-Strategie erwiesenermaßen einen Mehrwert gegenüber einem Direktinvestment in eine große Zahl von klassischen Aktienindizes wie etwa dem US-Index S&P500, verschiedenen Europa-Aktienindizes, aber auch globalen und Schwellenländerbarometern.

Gastbeitrag von Bruno Poulin, CEO und Mitgründer, Ossiam