31. Januar 2022
Die Zinsen steigen: Der Markt unterschätzt die Inflations- und Wachstumsaussichten

Die Zinsen steigen: Der Markt unterschätzt die Inflations- und Wachstumsaussichten

Die amerikanische Notenbank (Fed) will die Zinsen nach oben schrauben. Eine Experteneinschätzung zur gegenwärtigen Zinspolitik.

Nach der jüngsten Fed-Zinssitzung scheint der Weg vorgezeichnet: Risikoanleger sind allein im Jahr 2022 mit bis zu fünf Zinserhöhungen konfrontiert, sagt Mark Dowding, Investitionsleiter bei BlueBay Asset Management. Neue Lieferengpässe, die mit Chinas Null-Covid-Politik zusammenhängen, könnten Anleger noch mehr belasten.

Zinsen sollen in den USA steigen

Auf der jüngsten Sitzung der US-Notenbank unterstrich Jerome Powell den Willen zur Straffung der Geldpolitik. Die Marktteilnehmer erwarten eine erste Zinserhöhung im März; zu diesem Zeitpunkt wird die Rückführung der Wertpapierkäufe abgeschlossen sein. Die Kommentare auf der jüngsten Pressekonferenz deuteten außerdem darauf hin, dass die Quantitative-Easing-Phase bis zum Sommer in eine Quantitative-Tightening-Phase übergehen soll. Die Fed will dazu ihre Bilanz aktiv schrumpfen, indem sie in einem ersten Schritt die Reinvestition fällig werdender Wertpapiere einstellt. Im Zusammenhang mit der jüngsten Fed-Sitzung rechnen die Märkte nun mit fünf Zinserhöhungen im Jahr 2022, wodurch der Leitzins bis zum Ende dieses Jahres auf 1,25 Prozent steigen würde.

Inflations- und Wachstumsaussichten werden unterschätzt

Diese Entwicklung liegt nicht weit von unserer eigenen Einschätzung für 2022 entfernt: Wir sind der Ansicht, dass der Markt weiterhin die Inflations- und Wachstumsaussichten unterschätzt. Wir hüten uns daher davor, Zinsprognosen für 2023 abzugeben. Marktprognosen für einen Höchststand der Zinsen im laufenden Anpassungszyklus von rund zwei Prozent halten wir jedoch für zu niedrig. Wir möchten in diesem Zusammenhang anmerken, dass die Fed selbst davon ausgeht, dass sich ihre Geldpolitik im Laufe des Zyklus über ihre Einschätzung eines neutralen Leitzinses von 2,5 Prozent hinausbewegen wird – jenem Zinssatz also, bei dem eine Volkswirtschaft Vollbeschäftigung meldet, ohne entweder mit stark fallenden oder steigenden Preisen konfrontiert zu sein.

Unter diesem Gesichtspunkt sind wir für die mittelfristige Entwicklung der Anleiherenditen weiterhin skeptisch. Es würde uns jedoch nicht überraschen, wenn kurzfristig der jüngste Aufwärtstrend in eine gewisse Konsolidierung übergeht.

Tipp: Zwar haben es Anleihen weiterhin schwer, doch sie dienen der Stabilität des Portfolios. Mit unserem Risikorechner kannst du ermitteln, wie hoch dein Anleihen-Anteil sein sollte.

In den kommenden Monaten könnte Omikron nochmals zu schwächeren Wirtschaftsmeldungen führen. Weil Risikoanlagen wie Aktien empfindlich auf höhere Zinsen reagieren, erscheint eine Korrektur der Kurse im Zuge einer Flucht in Qualität wahrscheinlich, sofern sich die finanziellen Bedingungen zu schnell verschärfen und zusätzlich der Konflikt an den Grenzen der Ukraine eskaliert.

Mit Blick auf den Preisauftrieb gibt es auf globaler Ebene kaum Anzeichen dafür, dass die Inflationssorgen abnehmen. In dieser Woche kamen erneut Gerüchte über Engpässe bei Chips auf: Der US-Autohersteller Ford nimmt keine neuen Aufträge für eines seiner beliebtesten Modelle mehr an. Der Ölpreis überschritt zum ersten Mal seit 2014 die Marke von 90 US-Dollar pro Barrel. Und trotz der Hoffnung auf ein Nachlassen der Angebotsengpässe überstieg die Warteschlange der Containerschiffe vor dem Hafen von Los Angeles in der vergangenen Woche die Zahl von 100.

Lieferketten in Gefahr

Omikron ist zwar nach wie vor ein Faktor, der zu einem kurzfristigen Arbeitskräftemangel führt und die Wirtschaftsdaten belastet, die Lage dürfte sich hier allerdings bald wieder normalisieren. Da China und Teile Asiens jedoch um die Aufrechterhaltung einer Null-Covid-Politik ringen, scheint es unvermeidlich, dass es hier zu weiteren Störungen in den Lieferketten kommen wird. Zumindest solange, bis die Politik ihren Kurs ändert und akzeptiert, dass die Pandemie zu einer endemischen Krankheit geworden ist.

Über den Autor: Mark Dowding

Mark Dowding ist Investitionsleiter bei BlueBay Asset Management.

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