7. Juni 2022
Emerging Markets: Schafft Indien den Spagat?

Emerging Markets: Schafft Indien den Spagat?

Im Konflikt zwischen den beiden großen Blöcken des Kalten Krieges hat Indien stets eine neutrale Haltung eingenommen. Doch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine nimmt der Druck auf Indien zu, insbesondere aus dem Westen. Fällt damit das nächste Land aus dem Emerging-Markets-Universum?

Zwischen Indien und Russland bestehen traditionell enge Beziehungen. Präsident Narendra Modi werden gute Kontakte zum russischen Machthaber Wladimir Putin nachgesagt. 60 bis 70 Prozent der indischen Rüstungsgüter stammen aus Russland. Russland ist zudem für Indien der wichtigste Verbündete im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Allerdings hat sich Präsident Putin zunehmend weniger als zuverlässiger Partner gezeigt. Das führte in den vergangenen Jahren zu einer stärkeren Bindung Indiens an die USA. Inzwischen gelten die Vereinigten Staaten als wichtigster Partner für die Modernisierung der indischen Streitkräfte.

Auch ökonomisch ist Indien auf gute Beziehungen zum Westen angewiesen. Die westlichen Sanktionen werden Russland wirtschaftlich schwächen und das Land vermutlich enger an China binden. Sollte Indien durch amerikanische Sanktionen künftig von russischer Energie- oder Militärtechnologie abgeschnitten werden, wäre dies eine massive Einschränkung indischer Sicherheitsinteressen. Die Frage wird sein, welche Rolle Indien künftig in der Konfrontation zwischen den USA und Russland haben wird.

Wachstumsmarkt Indien

Trotz dieser Herausforderungen stellen indische Aktien nach wie vor langfristig eine interessante Investmentalternative dar. Allein 2021 ist das indische Bruttoinlandsprodukt um fast 9 Prozent gewachsen. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von mehr als 8 Prozent prognostiziert. An Indiens Aufschwung haben die 1,3 Milliarden Verbraucher großen Anteil. Nach dem Ende der Coronabeschränkungen steigt die Konsumfreude. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Binnennachfrage noch ein Minus von neun Prozent. Jetzt aber füllen sich die Shoppingmalls wieder und der E-Commerce zieht kräftig an.

Der Export von Textilien ist bis heute eine der wichtigsten Einnahmequellen für das bevölkerungsreichste Land der Welt. Immer wichtiger wird der Dienstleistungssektor; vor allem im Bereich Software. Das verarbeitende Gewerbe, allen voran die Energie- und Wasserwirtschaft und der Bergbau, trägt knapp ein Drittel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Zu den größten Schlüsselindustrien zählen die Stahlindustrie, die Baustoffindustrie (vor allem Zement) und die chemische Industrie (Düngemittelherstellung etc.).

Positive Prognosen von Goldman Sachs

Die Performance des indischen Aktienmarkts kann sich sehen lassen. Während der DAX in den vergangenen fünf Jahren unter dem Strich ein Plus von rund 10 Prozent verzeichnete, legte der MSCI India insgesamt um rund 44 Prozent zu. Der Leitindex Sensex, der die 30 größten Unternehmen bündelt, erzielte mit einem Zuwachs von 68 Prozent in den letzten fünf Jahren dieselbe Performance wie der MSCI World.

Angesichts vieler positiver wirtschaftlicher Entwicklungen dürfte Indiens Börse vor weiteren positiven Jahren stehen. Schon in wenigen Jahren, so rechnen die Investmentbanker von Goldman Sachs vor, könnte die Marktkapitalisierung aller an der indischen Börse gelisteten Unternehmen auf umgerechnet 4,3 Billionen Euro steigen. Für Indien wäre dies ein bedeutendes Ereignis. Der Aktienmarkt in Mumbai wäre dann wertvoller als die Börse der einstigen Kolonialmacht Großbritannien, die heute in etwa diesen Wert hat.

Tipp: Hier erfährst du alles, was du wissen musst über das Investieren in Emerging Markets.