6. Juli 2020
Geht Moral und Geldanlage zusammen? Wie lässt sich ein ethisch vertretbares Depot aufbauen?

Corona-Krise trennt ESG-Spreu vom ESG-Weizen

„Wer verantwortungsbewusst investieren möchte, der sollte sich auf die Reaktionen der Firmen auf die Corona-Krise konzentrieren“, sagt Michelle Dunstan, Global Head – Responsible Investing bei AllianceBernstein (AB)

„Oft haben Unternehmen, deren Praktiken im Hinblick auf Faktoren der Umwelt, des Sozialen und der Unternehmensführung (ESG) bereits stark waren, die Krise gut gemeistert. Denn: ESG-bewusste Unternehmen agieren oft vorausschauend und haben sich strategisch bereits damit auseinandergesetzt, wie der Geschäftsbetrieb unter verschiedenen Szenarien weitergeführt werden könnte.

Mit dem Ausbruch der Pandemie mussten viele Unternehmen harte Personalentscheidungen fällen. Inwiefern sie Mitarbeiter unterstützt haben, ist ein deutliches Zeichen im Hinblick auf sozial verantwortungsbewusstes Handeln und Corporate Governance. Ein weiteres wichtiges Thema war das Verhalten und die Vergütung der leitenden Angestellten. Zeigten sich die Unternehmensleitungen gewillt, in einer Zeit einbrechender Gewinne eine Kürzung ihrer Vergütung zu akzeptieren? Wie sah es bei den Dividenden und der Rückkaufpolitik aus, insbesondere bei Firmen, die staatliche Unterstützung erhielten? Und werden die Firmen auch nach der Überwindung der aktuellen Schwierigkeiten bereit sein, während einer Rezession oder einer Phase erhöhter Unsicherheit im Hinblick auf das Geschäftsumfeld in Projekte zur Reduzierung der Emissionen oder zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels zu investieren?

Positive Beispiele

Beispiele für einen guten Umgang mit der Krise sind das US-Unternehmen Williams-Sonoma und der italienische Energieerzeuger Enel. Williams-Sonoma zahlte seinen Angestellten auch nach der Schließung seiner Einzelhandelsfilialen weiterhin Gehälter und Zusatzleistungen und setzte einen Teil der Filialmitarbeiter bei der virtuellen Kundenberatung ein. Zudem führte es in den Vertriebszentren zusätzliche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz ein und zahlte Lohnzulagen an das Personal. So ist es Williams-Sonoma gelungen, der steigenden Nachfrage aus dem Online-Handel nachzukommen, seine Mitarbeiter weiterhin zu beschäftigen und treue Kunden im Zuge der Lockerungen zurück in die Geschäfte zu locken.

Enel dagegen profitierte von seinen vorangehenden Investitionen in erneuerbare Energie und seine Infrastruktur, Werkzeuge und Prozesse im Zuge der Planung des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Dank seiner ausgeklügelten Netzmanagement- und IT-Systeme kann Enel heute einen Großteil seiner Übertragungs- und Verteilungsaktivitäten remote steuern, ohne Tausende von ‚systemrelevanten‘ Arbeitnehmern durch den manuellen Betrieb des Netzes, das Ablesen von Zählern vor Ort oder direkten Kundenkontakt einem Gesundheitsrisiko aussetzen zu müssen.

So findet man ESG-Leader

Diese Art von Unternehmensverhalten wirkt sich oft direkt auf den Gewinn und auf die Wertentwicklung der Aktie aus. ESG in das fundamentale Research einzubinden ist die beste Methode, verantwortungsbewusstes Investieren in Anlageportfolios umzusetzen. Denn: Analysten, die ein Unternehmen betreuen und über spezielle Branchenfachkenntnisse verfügen, können die Pandemie-Reaktion eines Unternehmens beurteilen und analysieren, wie sich diese Reaktion auf Cashflows, die Bilanz und die Gewinne auswirkt. Dabei ist es wichtig, die Geschäftsstrategie und das Branchenumfeld langfristig zu betrachten und dabei global zu denken, da die Pandemie die weltweiten Handels- und Lieferketten auf den Kopf gestellt hat. Austausch mit der Geschäftsleitung hilft zudem zu verstehen, wie die schwierigen strategischen Entscheidungen gefällt werden, um sowohl den Bedürfnissen der Interessengruppen als auch jenen der Mitarbeiter und der Kunden gerecht zu werden. Auch neue Ansätze in Bezug auf Daten können Einblicke bieten: Beispielsweise können Anleger mithilfe von Big-Data-Verfahren komplexe Lieferketten von Unternehmen und sogar ihrer Zulieferer analysieren und erkennen, wie ein Unternehmen mit staatlich verhängten Lockdown-Maßnahmen zurechtkommt.“

Mit ETF auf fundamental starke ESG-konforme Titel setzen

Neben aktiv verwalteten Publikumsfonds von AllianceBernstein gibt es auch passive Anlagemöglichkeiten, welche sowohl fundamentale Kriterien als auch ESG-Ratings berücksichtigen. Einer davon ist der Quantitative Strategies ESG Global Equity Multi-Factor UCITS ETF (WKN: A2PHJU). Der  ETF umfasst 219 globale Aktien, die ESG-Kriterien hinsichtlich Umwelt, Gesellschaft und Corporate Governance erfüllen. Zulässige Aktien werden auf die Einhaltung der ESG-Kriterien des Fonds überprüft und anschließend anhand dreier Investmentfaktoren eingestuft: Substanz (Unternehmen, die im Vergleich zum Marktdurchschnitt als „günstig“ wahrgenommen werden), Qualität (Unternehmen, die im Vergleich zum Marktdurchschnitt höhere Erträge aufweisen) und Dynamik (Unternehmen, deren historische Kursentwicklung oder Ertragswachstum über dem Marktdurchschnitt lag). Deutlich im ETF übergewichtet sind US-Aktien (64,10 Prozent), gefolgt von Titeln aus Japan und Großbritannien. Die Gesamtkostenquote des ETF beträgt 0,60 Prozent.