24. Januar 2023
Erfolgreich investieren: Nachhaltigkeits-ETF mit den Top-Firmen der USA

ESG im Portfolio: Klimaneutral heißt nicht immer nachhaltig

Das Wort „klimaneutral“ ist zu einem geflügelten Begriff geworden. Unter seinen Schwingen segelt bei vielen Anlegern die Vorstellung mit, dass klimaneutrale Unternehmen automatisch nachhaltig sein müssten. Das ist falsch. Zumindest, wenn man strenge Kriterien anlegt. Dann gehören „klimaneutrale“ Unternehmen wie Microsoft, Amazon oder Alphabet in kein wirklich nachhaltiges Portfolio.

Viele aktiv verwaltete Aktienfonds und passive ETFs haben Papiere von Apple, Microsoft, Amazon und Alphabet im Portfolio hoch gewichtet. Ihre Anteile betragen jeweils zwischen drei und sieben Prozent. Als Begründung wird auf die guten ESG-Scores verwiesen, die diese Konzerne bei den Kriterien Environment (E), Social (S) und Governance (G) in ihrem Sektor erreichen.

Dank PR-Schachzug zum Fondsliebling

Besonders Microsoft (WKN: 870747) gilt als Liebling der Fonds und ETFs, die mit Nachhaltigkeit werben. Der Grund dürfte ein bemerkenswerter PR-Schachzug des Softwarekonzerns sein. Gemäß Eigendarstellung ist Microsoft bereits seit 2012 Kohlendioxid-neutral (CO2-neutral). Nun hat sich das Unternehmen laut PR „zum Ziel gesetzt, bis 2030 CO2-negativ zu werden – dies gilt sowohl für unsere direkten Emissionen als auch für unsere gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette“. Damit nicht genug: Bis 2050 will das Unternehmen sogar „sämtliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt haben“, das seit der Gründung 1975 emittiert wurde.

Das sind große Versprechen, die von vielen Finanzprofis offenbar gern gekauft werden. Schließlich können sie darauf hoffen, dass sich ihre Fonds im Glanz dieses Klima-Vorbilds sonnen können. Doch was ist mit dem Kohlendioxid, das Microsoft in den vergangenen 50 oder 75 Jahren in die Luft gepustet hat? Diese Kleinigkeit schenkt man sich offenbar!

Ebenso die Frage, wer außer dem Unternehmen in der Lage sein dürfte, festzustellen, ob das Ziel tatsächlich erreicht wird? Wohl niemand! Ich für meinen Teil gebe wenig darauf, wenn ein Konzern den Erfolg seiner Anstrengungen selbst beurteilt.

ESG-Kontroversen ramponieren den Gesamt-Score

Schauen wir auf andere Unternehmen, die von sich sagen, dass sie bereits klimaneutral seien. Wirtschaften diese klimaneutralen Konzerne damit automatisch nachhaltig? Definitiv Nein. Allein die Auswahl nach dem ESG-Verfahren offenbart große Defizite. So kommen Ausschlusskriterien, die sich an den „Social Development Goals“ der UNO orientieren, etwa die Bewertung kontroverser Geschäftspraktiken, gar nicht zum Zuge. Bezieht man das geschäftliche Gebaren ein, ändert sich die Bewertung deutlich.

Nehmen wir Microsoft! Bei einem ESG-Score von 93 (von 100) erreicht das Unternehmen bei den Geschäftspraktiken gerade mal 12 Punkte – was einen Mittelwert von rund 52 ergibt. Das ist definitiv nicht „Best in Class“. Ebenso wenig wie Amazon (ISIN US0231351067), dessen ESG-Score von 83 von einem „Controversies Score“ von nur 2 auf knapp 43 Zähler reduziert wird. Recht ramponiert sieht auch der Gesamt-Score von Alphabet (ISIN US02079K3059)aus: Von 82 Zählern ESG-Score rauscht er dank 5 Punkten bei den Kontroversen auf knapp 44 herab.

Unterm Strich haben wir es also mit Firmen zu tun, die beim Thema Nachhaltigkeit kaum mehr als Durchschnitt sind. Sie gehören in kein nachhaltiges Portfolio.

Über den Autor: Andreas Enke

Andreas Enke ist Vorstand der Geneon Vermögensmanagement AG in Hamburg