24. Juni 2022
ETF-Liquidität: Was sie in turbulenten Zeiten wie diesen bedeutet

ETF-Liquidität: Was sie in turbulenten Zeiten wie diesen bedeutet

Die aufreibenden Ereignisse, denen die Märkte in diesem Jahr ausgesetzt sind, werfen Fragen über die Liquidität von ETFs auf. Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets bei Franklin Templeton Investments, kommentiert.

Das Vehikel des ETF stellte zu Beginn des Ukraine-Krieges die einzige Liquiditätsquelle dar, die einen Zugangspunkt für den Kauf und Verkauf russischer Wertpapiere in der ersten Zeit nach dem russischen Einmarsch bot. Die Umstände veranlassten viele Investoren, sich eingehender mit ETF-Vehikeln zu befassen. Tatsächlich ist es diese Liquidität, die von vielen Investoren neben den ETF-Eigenschaften der niedrigen Kosten und der Transparenz geschätzt wird.

Anzahl ausgegebener Anteile schwankt

ETFs sind offene Investmentfonds, das heißt, die Anzahl der ausgegebenen Anteile kann täglich in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage steigen oder fallen. Dieses Merkmal der Offenheit lässt sich mit einer effizient arbeitenden Lieferkette vergleichen. Falls man beispielsweise ein Auto kaufen möchte, sucht man in aller Regel einen Autohändler auf (vor Ort oder online). In der Gebrauchtwagenabteilung eines Händlers findet man einen Sekundärmarkt für Fahrzeuge aus zweiter Hand. Der Kauf beim Händler entspricht dem Kauf eines ETF an einer Wertpapierbörse, wobei die Börse die Funktion der Autohandlung hat.

Falls die Wünsche (Größe, Farbe, Ausstattung des Autos usw.) beim Händler nicht erfüllt werden können, wird sich der Händler auf dem Primärmarkt nach einem brandneuen, ab Werk gelieferten Fahrzeug umschauen. Die Kenntnis und das Verständnis der Merkmale dieser Sekundär- und Primärmärkte sind unverzichtbar, um die Liquiditäts- und Handelsvorteile, die ein ETF bieten kann, wertschätzen zu können.

Unter normalen Umständen wird der Preis von Autos beim Autohändler – auch wenn sie recht neu sind – niemals höher sein als der Listenpreis eines brandneuen Fahrzeugs für Privatkunden. Die gilt analog zur Liquidität. (Wir ignorieren an dieser Stelle die Vorlaufzeiten für die Herstellung eines Neuwagens.) Der Kaufpreis eines Neuwagens ist stets von den Produktionskosten und der Lieferung des „zugrunde liegenden“ Produkts abhängig und basiert in begrenztem Maße hierauf. ETFs funktionieren auf vergleichbare Weise.

Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets bei Franklin Templeton Investments
Jason Xavier, Head of EMEA ETF Capital Markets bei Franklin Templeton Investments

Jederzeit handelbar

Bestehende Anteile eines ETF können wie eine Aktie zu jedem Zeitpunkt eines Handelstages gekauft oder verkauft werden. Falls eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage besteht, werden ETF-Anteile geschaffen (Schaffung) oder eingezogen (Rücknahme), um Nachfrage und Angebot gerecht zu werden. Folglich sind Preis und Liquidität des ETF von den zugrunde liegenden Aktien in begrenztem Maße abhängig, ebenso wie es bei den Produktionskosten und der Lieferung eines Neuwagens der Fall ist. Dieses Merkmal der Offenheit ist für das Verständnis der Liquidität wichtig.

Seit Beginn dieses Jahres kam es auf der Welt jedoch zu einigen unnormalen Geschehnissen wie z.B. der Einmarsch in die Ukraine, der mit anhaltenden, pandemiebedingten Problemen in den globalen Lieferketten einhergeht. Diese Szenarien bieten eine Gelegenheit, die Liquidität von ETFs zu erklären. Bleiben wir bei dem Beispiel mit den Autos. Die anhaltenden Probleme in der weltweiten Produktion und Lieferung von Mikroprozessoren hatten einen solchen Dominoeffekt, dass die Vorlaufzeiten für die Herstellung von Neuwagen (Primärmarkt) in Wartezeiten resultierten, die deutlich über dem langfristigen Durchschnitt für die Lieferung eines Neuwagens an den Endverbraucher liegen. Und zum ersten Mal ist bei den Preisen am Gebrauchtwagenmarkt ein Aufwärtstrend zu beobachten.

Primär- und Sekundärmarkt

Doch was hat dies mit der Liquidität von ETFs zu tun? Vergleichbar mit den Problemen in den Lieferketten, wurde die lokale russische Wertpapierbörse beim russischen Einmarsch in die Ukraine geschlossen und der Zugang zum Sekundärmarkt für den Kauf und Verkauf zugrunde liegender russischer Wertpapiere wurde gestoppt. Folglich konnten am Primärmarkt keine Transaktionen mit russischen Aktien oder russischen ETFs erfolgen. Der Sekundärmarkthandel mit russischen ETFs, die rund um den Globus notiert sind, fand jedoch nach wie vor statt, und der Kauf und Verkauf russischer ETFs am Sekundärmarkt war für Investoren die einzige verfügbare Möglichkeit.

Die Robustheit des ETF-Ökosystems ermöglichte es den Investoren, in diesen unsicheren Zeiten wie auch schon in vorherigen Phasen mit Marktturbulenzen Kurs zu halten. Und während viele Investmentfonds blockiert wurden und die Investoren somit keine Anteile zurückgeben konnten, bot ein ETF als Liquiditätskomponente einen Weg, um sein Engagement in Russland zu liquidieren.

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Welche Risiken bestehen?

Alle Anlagen sind mit Risiken verbunden, einschließlich des möglichen Verlusts des Anlagekapitals. Der Wert von Anlagen kann fallen oder steigen, und Anleger erhalten möglicherweise nicht den vollen Anlagebetrag zurück. Im Allgemeinen sind die Anlagen, die ein höheres Renditepotenzial bieten, mit einem höheren Risiko verbunden. Aktienkurse schwanken mitunter rasch und heftig. Das kann an Faktoren liegen, die einzelne Unternehmen, Branchen oder Sektoren betreffen, oder auch an den allgemeinen Marktbedingungen. Die Anlage im Ausland ist mit besonderen Risiken verbunden, z. B. Währungsschwankungen, wirtschaftliche Instabilität und politische Entwicklungen. Anlagen in Schwellenländern sind mit erhöhten Risiken in Bezug auf dieselben Faktoren verbunden. Zusätzliche Risiken ergeben sich aus dem kleineren Marktumfang, der geringeren Liquidität sowie dem Mangel an rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen zur Stützung der Wertpapiermärkte.

Für aktiv verwaltete ETFs besteht jedoch keine Garantie, dass die Anlageentscheidungen des Fondsmanagements zu den gewünschten Ergebnissen führen werden.

ETFs werden wie Aktien gehandelt. Ihr Marktwert schwankt, und sie können zu Kursen gehandelt werden, die über oder unter ihrem Nettoinventarwert liegen. Maklerprovisionen und ETF-Aufwendungen schmälern die Renditen. ETF-Anteile können zu ihrem Marktpreis während der Öffnungszeit der Börse, an der sie notiert sind, gekauft oder verkauft werden. Es kann jedoch nicht garantiert werden, dass ein aktiver Handelsmarkt für ETF-Anteile entsteht oder gepflegt wird oder dass deren Notierung fortgeführt wird oder unverändert bleibt. ETF-Anteile können zwar an Sekundärmärkten gehandelt werden, jedoch werden sie eventuell nicht unter allen Marktbedingungen prompt gehandelt und in Zeiten von Marktstörungen können sie zu erheblichen Abschlägen gehandelt werden.