6. März 2021

Faktencheck: Das ist wirklich dran an den Argumenten der Crash-Propheten

Die sogenannten Crash-Propheten polarisieren. Doch was ist dran an ihren Argumenten? Wir haben ihre gängigsten Thesen gründlich überprüft – und ordnen den Wahrheitsgehalt sachlich ein.

Warnungen vor Crash-Szenarien, Systemzusammenbrüchen, Hyperinflation und dem Scheitern des Euro – das sind die Themen der sogenannten Crash-Propheten. In diversen Medien werden in diesem Kontext immer wieder dieselben Namen genannt. Dirk Müller wird oftmals in diese Kategorie eingeordnet, aber auch beispielsweise Bestsellerautor Marc Friedrich. In den sozialen Netzwerken verfügen beide über gewaltige Reichweiten.

Youtube-Videos mit ihnen erreichen oftmals sechsstellige Klickzahlen, ihre Bücher werden zu Bestsellern. Wenn man allerdings in Wirtschaftsmedien oder sonstigen Publikationen über Dirk Müller und Co. liest, schwingt nicht selten ein kritischer Unterton mit. Auch viele Vertreter der klassischen Finanzindustrie rümpfen bei Crash-Propheten schnell die Nase.

Die oftmals sehr pointiert vorgetragenen Argumente abseits der vermeintlichen Mehrheitsmeinung stoßen vielen Vertretern aus Medien und Finanzmarkt sauer auf. Der Vorwurf lautet dann schnell: Marktschreierei, um Bücher, Seminare oder Fondsanteile zu verkaufen. Doch was ist eigentlich dran an den Argumenten von Dirk Müller und Co.? Können Anleger womöglich mehr mitnehmen, als Kritiker glauben? Wir haben die gängigsten Thesen der Crash-Propheten einem Faktencheck unterzogen und versuchen, ihren Wahrheitsgehalt frei von jedweder Ideologie ausgewogen einzuordnen.

These 1: Die Geldschwemme der Notenbanken sorgt für Hyperinflation.

Spätestens seit der großen Finanzkrise sind die Notenbanken in den Fokus der Crash-Propheten gerückt. Durch ihre Politik des billigen Geldes und der massiven Ausweitung der Geldmenge würden EZB, Fed und Co. die Marktmechanismen des Geldsystems aushebeln und so zu Preisblasen an Immobilien- und Aktienmärkten befeuern. Zudem drohe durch die jahrelange Politik des ultrabilligen Geldes eine Hyperinflation. Diese wird laut Markus Krall, dem Chef des Edelmetallhändlers Degussa, bereits im laufenden Jahr eintreten und die Ersparnisse der „kleinen Leute“ massiv entwerten.

Allerdings muss man hier anmerken, dass die extreme Gelddruckerei der Notenbanken bereits vor mehr als zehn Jahren begonnen hat – und die Hyperinflation ist trotzdem ausgeblieben. Trotz Geldschwemme war die Inflation in der Eurozone rückläufig. Das liegt an den deflationären Tendenzen, die in den Volkswirtschaften der Industriestaaten vorherrschen, zum Beispiel durch das abnehmende Wachstum der Produktivität. Laut dem Ökonomen Daniel Stelter kommen weitere Faktoren hinzu. „Der Corona-Schock wirkt massiv deflationär. Die hohe Verschuldung wirkt stark deflationär. Die Zombifizierung der Wirtschaft, die wir seit Jahren mit dem immer billigeren Geld befördern, wirkt ebenfalls deflationär“, sagt Stelter.

Bis dato hat die Politik des billigen Geldes die Inflation bei den Verbraucherpreisen also nicht in Schwung gebracht. Lediglich bei den Vermögenspreisen wie Immobilien (speziell in den Großstädten) sowie Aktien hat es deutliche Wertzuwächse gegeben, also eine Vermögenspreisinflation. Allerdings weist auch Ökonom Stelter darauf hin, es sei bereits „absehbar, dass es zu einer Rückkehr der Inflation kommt“. Ob es jedoch direkt eine Hyperinflation wird, ist zumindest fraglich. Das Risiko ist aktuell eher gering.

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These 2: Die Schuldenblase wird platzen.

Fondsmanager Dirk Müller sieht im immer stärker wachsenden Marktvolumen von Anleihen eine große Gefahr für das Finanzsystem. Müller und andere Kritiker sehen es als Fakt an, dass sich der Umfang der weltweit emittierten Schuldscheine weit von realen Werten entfernt habe. Die sei ein klares Indiz für einen naheliegenden Systemkollaps. Doch diese These ist arg überinterpretiert.

Der globale Anleihenmarkt ist aktuell zwar so groß wie nie, doch das allein birgt noch keine Gefahr. Die Assetklasse Anleihen ist so stark in diverse Bereiche segmentiert, dass man sie nicht über einen Kamm scheren kann. Oder halten Sie das Ausfallrisiko von Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland oder den USA für ähnlich groß wie das eines asiatischen Kleinunternehmens? Sicherlich nicht.

Doch Fakt ist auch: Die Zahl sogenannter Zombie-Unternehmen, die sich lediglich aufgrund günstiger Refinanzierungsbedingungen noch am Markt halten können, steigt. Auch die Corona-Hilfen sorgen dafür, dass Unternehmen, die eigentlich zum Scheitern verurteilt sind, überleben. Versiegen die finanziellen Unterstützungen, könnte eine massive Welle von Unternehmensinsolvenzen ins Rollen kommen. Dies sieht sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) so. Statt der oft zitierten platzenden Schuldenblase ist es jedoch wahrscheinlicher, dass mehrere kleine Blasen platzen – beispielsweise in Branchen ohne Zukunft oder in Ländern mit angespannten Haushalten oder ungesunden Leistungsbilanzen.

Hier könnte es zu Kursverlusten von Anleihen kommen, bei einigen Unternehmen sogar zu Zahlungsausfällen. Dies hätte zur Folge, dass auch einige Banken möglicherweise große Probleme bekommen. Die Gefahr ist also nicht zu unterschätzen, auch wenn es aktuell nicht danach aussieht, als würde hier ein Blase platzen.

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These 3: Wir befinden uns im größten Notenbank-Experiment der Welt.

Wo kommt eigentlich das ganze Geld her, die Billionensummen, die weltweit im Umlauf sind, um die wirtschaftlichen Verwerfungen der Coronakrise zu bekämpfen? Richtig, aus dem Nichts. Die Notenbanken stellen es per Knopfdruck bereit. Das funktioniert so: Die Regierungen der Industriestaaten nehmen Kredite an den Finanzmärkten auf – und die Zentralbanken kaufen diese Schuldscheine dort auf. Das haben Notenbanken in den vergangenen zehn Jahren auch schon so gehandhabt.

Blickt man auf die Bilanzsummen der Fed, der EZB oder der Bank of Japan, ist der Trend in den letzten Jahren eindeutig: Die Bilanzsummen haben sich deutlich aufgebläht. Doch jetzt, mit den Billionen zur Bekämpfung der ökonomischen Corona-Folgen, erreicht die Staatsverschuldung eine neue Dimension – und einen Punkt, wo es kein Zurück mehr gibt. Die lockere Geldpolitik wird endgültig zur Regel und wird nicht mehr die Ausnahme sein. Die US-Währungshüter wollen ihre Nullzinspolitik so lange fortsetzen, bis Vollbeschäftigung herrscht. Ob die Inflation dabei stark steigt, ob also die Kaufkraft der Menschen sinkt, ist den Währungshütern künftig nicht mehr so wichtig.

Auch bei der EZB steht ein ähnlicher Strategiewechsel an – die Bank of Japan macht es schon seit 20 Jahren vor. Die Notenbanken fungieren inzwischen ziemlich ungeniert als Sammelstelle für die Schuldenberge dieser Welt. Die japanische Notenbank kauft sogar Aktien, um die Börsen zu stützen. All das, so vermuten einige mahnende Ökonomen, könnte auch in Europa drohen.

Der Bestsellerautor Marc Friedrich („Der größte Crash aller Zeiten“) spricht sogar von einem „historisch einmaligen Notenbankexperiment“. In der Tat sind die Interventionen der Notenbanken massiv wie noch nie. Inwiefern es sich dabei allerdings um ein Experiment handelt, ist fraglich. Letztlich wird damit angedeutet, die Notenbanken wüssten nicht, was sie tun und hätten vollkommen die Kontrolle verloren. Ob dies tatsächlich der Fall ist, darf zumindest bezweifelt werden. Dennoch sind die Mahnungen vor den potenziellen Risiken und Nebenwirkungen der Geldpolitik nicht von der Hand zu weisen. Denn in künftigen Krisen und Rezessionen könnten den Notenbankern schon bald die geldpolitischen Instrumente ausgehen, um gegenzusteuern.

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These 4: Der Euro wird scheitern. Bürger werden zwangsenteignet.

Der Euro und auch die Europäische Union als Ganzes sind vielen Crash-Propheten von Grund auf suspekt. Zentralistische Vorgaben aus Brüssel, Solidarität innerhalb der EU sowie die geplante weitere Integration treffen bei den oftmals libertär geprägten Crash-Propheten schnell wunde Punkte. Auch wenn die EU selbst in den Augen von Politikwissenschaftlern und anderen Vertretern des Mainstreams viele Defizite hat, so ist das Scheitern der Gemeinschaftswährung doch alles andere als eine sichere Sache.

Vor allem in Deutschland müsste es mehr Fans der Gemeinschaftswährung geben als anderswo. Wie das Freiburger Centrum für Europäische Politik 2019 errechnet hat, hat Deutschland bis 2017 durch den Euro einen Wohlstandsgewinn von 1,9 Billionen Euro verzeichnet. Der Grund: Deutschland profitierte von seiner Wettbewerbsfähigkeit und der für seine Verhältnisse günstigen Währung. Verluste mussten dagegen Frankreich und Italien hinnehmen, da diese ihre Währung wegen des Euro nicht mehr weiter abwerten konnten, um wettbewerbsfähiger zu werden.

In diesen Unterschieden liegt neben der Frage der Solidarität für schwächere Länder der Hauptgrund dafür, dass es innerhalb der EU immer wieder Fliehkräfte gibt. Doch die jüngere Vergangenheit hat auch gezeigt, dass die EU sehr gut darin ist, sich an Herausforderungen anzupassen. Neben der Staatsschuldenkrise und der italienischen Bankenkrise scheint das Staatengebilde nun auch in der Pandemie zu punkten.

In einer Welt, die zunehmend von Großmächten wie China und den USA dominiert wird, gibt es auch in Zukunft viele Argumente für die EU und gegen den kleinen europäischen Nationalstaat. Warum das in den Verfassungen europäischer Staaten garantierte Eigentum zur Disposition stehen sollte, müssen Crash-Propheten zudem besser erklären. Aktuell scheint das Risiko, dass der Euro vollends scheitert, gering. 

Fazit zu den Thesen der Crash-Propheten

Bei den sogenannten Crash-Propheten handelt es sich keineswegs nur um Verschwörungstheoretiker. Ihre Warnungen fußen auf Fakten. Allerdings schießen sie manchmal in der Interpretation deutlich übers Ziel hinaus. Sie stellen den Crash als unausweichliches Szenario dar, als einzig denkbare Konsequenz. Hier liegt wohl die größte Schwäche. Zudem sind Angst und Panik in Geldangelegenheiten

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