22. Februar 2013
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Finanz-Profis entdecken ETFs

Das ETF-Universum scheint unendlich. Inzwischen setzen auch immer mehr Profi-Investoren auf passive Produkte. Wir erklären, was Vermögensverwalter an ETFs schätzen und wie sich die Branche künftig entwickeln wird.

Vor zwanzig Jahren legte die Vermögensverwaltungssparte von State Street erstmals einen ETF auf – der S&P 500 ETF von SPDR gilt noch heute als eines der attraktivsten Anlagevehikel und ist inzwischen mit einem Volumen von 123 Milliarden US-Dollar der größte ETF weltweit. Doch ist während der vergangenen Jahre nicht nur das Fondsvolumen gewachsen – auch die Anzahl der weltweit handelbaren Produkte bietet Anlegern heute eine Vielzahl von Möglichkeiten. Für Thomas Heidorn, Professor an der Frankfurt School of Management, liegt das Erfolgsrezept dieser Produkte in ihren einzigartigen Eigenschaften: „ETFs sind konkurrenzlos günstig und weichen oft nur gering vom Referenzindex ab. Das sind klare Vorteile gegenüber aktiv gemanagten Fonds“, so der Finanzwissenschaftler.

„Trading-ETFs mit Vorsicht zu genießen“

Nach der rasanten Entwicklung der vergangenen Jahre stellt sich für die Branche die Frage nach der Zukunft. Inzwischen bieten ETFs Zugang zu fast jeder Anlageklasse. Während der vergangenen Jahre erweiterte sich das Angebot zudem um Produkte, die Spekulationen auf fallende Kurse oder gar gehebelte Investments ermöglichen. Doch liegt die Zukunft der Branche in immer neuen Produkten, die immer stärker vom ursprünglichen Sinn börsengehandelter Indexfonds abweichen? Thomas Heidorn hat hierzu eine klare Meinung: „Die Frage ist, ob der ETF-Markt weitere Innovationen in Form von exotischen Produkten überhaupt braucht. Vielmehr sollten bestehende Produkte stärker wahrgenommen werden.“ Weiterhin warnt der Finanzwissenschaftler vor riskanten Produkten unter dem ETF-Deckmantel: „Produkte mit Hebel oder auch Short-ETFs sind mit Vorsicht zu genießen. Es handelt sich dabei in erster Linie um Trading-Produkte, bei denen die Zeit gegen den Investor spielt.“

Bei ETF-Pionier State Street Global Advisors sieht man dies offenbar ähnlich. Der ETF-Anbieter bleibt dem ursprünglichen ETF-Konzept treu: „Weltweit sind alle unsere ETFs physisch unterlegt. Als Indexmanager ist das quasi Teil unserer DNA. Short- oder Hebel-Produkte ist sicherlich nicht das, was Kunden von uns primär erwarten“, erklärt Axel Riedel von SPDR ETFs. Trotz dieser klaren Haltung gibt es unter institutionellen Anlegern auch Fürsprecher dieser exotischen Produkte: „Es gibt Marktsituationen, die den Einsatz solcher Produkte im Portfoliokontext rechtfertigen“, so Michael Winker, Fondsmanager bei Feri.

Erfolgreiches Stockpicking ist schwer

Bei Emittenten sieht man Wachstumschancen dennoch eher in anderen Bereichen: „Gut vom Markt aufgenommen wurden zuletzt unsere Produkte auf Staatsanleihen aus Emerging Markets oder unsere Aristokraten-ETFs, bei denen wir auf Unternehmen abstellen, die ihre Dividenden über einen Zeitraum von zehn oder zwanzig Jahren erhöht oder konstant gehalten haben“, erläutert Riedel. Solche Produkte locken offenbar verstärkt auch Fondsmanager an: Eine Erhebung im Auftrag von State Street brachte kürzlich zutage, dass 42 Prozent der befragten Fondsmanager den ETF-Anteil in ihren Produkten in den kommenden fünf Jahren ausbauen wollen, bei Verwaltern von Pensionskassen planen gar 47 Prozent der Befragten einen höheren ETF-Anteil. Zurückfahren wollen dagegen lediglich acht beziehungsweise ein Prozent der Befragten den Anteil. Der große Anteil der scheinbar gleichgültigen Vermögensverwalter spricht zudem dafür, dass ETF- Produkte bislang noch keine große Rolle in Fonds oder bei Pensionskassen spielen. SPDR- Produktentwickler Scott Ebner interpretiert die Ergebnisse der Umfrage für die gesamte ETF-Branche als „ausgesprochen positiv“: „Investoren wollen in den kommenden fünf Jahren verstärkt auf ETFs setzen„, so Ebner.

Für Finanzprofessor Thomas Heidorn ist das Ergebnis dieser Umfrage keine Überraschung: „Viele institutionelle Anleger möchten nahe am Index investieren. Das ist mit ETFs möglich.“ Auch Einwände, wonach aktive Produkte in schwierigen Märkten möglicherweise bessere Ergebnisse liefern, lässt der Wissenschaftler nicht gelten: „Stockpicking war in der Vergangenheit nicht sehr erfolgreich. Die Zeit, die Investoren für fundiertes Stockpicking aufwenden müssen, sollten sie besser in eine ausgewogene Asset Allocation stecken.“

Privatkunden sind experimentierfreudig

Auch Fondsmanager Michael Winker von Feri nutzt ETFs, um seine taktische und strategische Allokation in verschiedenen Anlageklassen abzubilden. Am interessantesten findet Winker „hochliquide ETFs in effizienten Märkten“. „Je effizienter ein Markt ist, desto schwieriger ist die Möglichkeit der Alphagenerierung für aktive Manager“, erklärt der Vermögensverwalter. Doch auch in ineffizienten Märkten setzt Winker auf ETF-Produkte. Wichtig seien dabei allerdings eine ausreichende Liquidität und ein geringer Tracking Error. Auch die von State Street befragten Fondsmanager sehen das ähnlich. Als überzeugende Argumente für den Einsatz von ETFs nennen die Finanzprofis Liquidität, Kosteneffizienz und Marktzugang. Axel Riedel von State Street ergänzt: „Bestimmte Fondsstrukturen, wie beispielsweise der Core-Satellite-Ansatz, verlangen geradezu nach einem Produkt, das taktisch und flexibel eingesetzt werden kann.“

Trotz des wachsenden Zuspruchs für passive Investment-Produkte unter Vermögensverwaltern spielen Privatanleger noch immer eine bedeutende Rolle: „State Street ist einer der größten Vermögensverwalter für institutionelle Kunden weltweit. In Deutschland merken wir aber immer wieder, dass verstärkt Privatkunden bei neuen ETF-Produkten zugreifen“, erklärt Riedel. Es hat also den Anschein, als seien Privatanleger hinsichtlich neuer Produkte experimentierfreudiger.

Bei ETFs ist für jeden was dabei

Neben den niedrigen Kosten und der hohen Transparenz entscheiden sich zunehmend mehr Anleger, die ihre Finanzen unabhängig von Vertriebsstrukturen anderer Fondsprodukte in die eigenen Hände nehmen möchten, für ETFs. „Der Vorteil für Privatanleger ist der, dass man ETFs wegen der niedrigen Kosten nicht vom Bankberater aufgedrängt bekommt“, findet der Frankfurter Professor Heidorn. Dennoch sieht es danach aus, als würden Vermarktungsaspekte auch bei ETFs eine große Rolle spielen: „Dass derzeit mehr physisch besicherte ETFs auf den Markt kommen, kann auch dem Umstand geschuldet sein, dass sich diese Eigenschaften besser vermarkten lassen“, so Heidorn. „Meine Forschung hat allerdings gezeigt, dass synthetische Produkte den Basiswert oftmals besser tracken und im Fall von Dividendenauszahlungen bessere Steuer-Eigenschaften haben. Man muss die Besicherung aber jeweils im Detail analysieren.“ Auch für Portfolio-Manager Michael Winker steckt der Teufel im Detail: „Man muss die Funktions- und Konstruktionsweise der Produkte genau kennen und verstehen.“

Von physisch besicherten oder Swap-replizierenden Produkten bis hin zu Trading-Instrumenten – das ETF-Angebot ist heute nur noch schwer überschaubar. Es scheint – und die Diskussionen zwischen ETF-Investoren belegen dies –, als sei im ETF-Universum inzwischen für jeden etwas dabei. Das wachsende Interesse institutioneller Investoren dürfte dazu führen, dass Emittenten bestehende Produkte Schritt für Schritt verbessern – davon profitieren auch Privatanleger.