15. Juli 2016
Head of Lipper EMEA Research

Gefährden ETFs die Effizienz der Kapitalmärkte?

Sind börsennotierte Indexfonds (ETFs) eine Gefahr für die Effizienz der Kapitalmärkte? Dies ist nicht nur in der Wissenschaft ein viel diskutiertes Thema. Auf den ersten Blick ist die These relativ leicht zu verstehen: ETFs sind passive Produkte, bei denen die Titel des abgebildeten Index gekauft werden, ohne eine Analyse der Wachstumsaussichten, Bewertung oder Ertragskraft der einzelnen Papiere durchzuführen. Doch effiziente Wertpapiermärkte sollen alle den Investoren zur Verfügung stehenden Informationen widerspiegeln. Daher ist es fraglich, wie diese eingepreist werden sollen, wenn Investitionen ohne Analysen getätigt werden.

Allerdings gibt es neben den Anlegern, die mit Hilfe von börsengehandelten Indexfonds die Märkte passiv abbilden, auch Investoren, die einen hohen Analyseaufwand betreiben und extrem aktiv an den Märkten handeln. Diese aktiven Investoren wollen durch ihre Analysen Chancen identifizieren, die sie nutzen können, um die breiten Marktindizes zu schlagen. Diese aktiven Anleger stellen an den Märkten das Gegengewicht zu den passiven Anlegern.

Auch künftig wird die Mehrheit der investierten Gelder aktiv verwaltet

Ein weiterer Punkt, den man bei der Diskussion um die Effizienz der Märkte beachten muß, ist das verwaltete Volumen. In ETFs sind weniger als zehn Prozent des Geldes, das in Investmentfonds verwaltetet wird, angelegt. Trotz des Siegeszuges der ETFs in den vergangenen Jahren wird auch künftig die Mehrheit der professionell gemanagten Vermögen aktiv verwaltet werden. Aus dieser Warte heraus bin ich mir sicher, das der Anteil der passiv verwalteten Gelder noch deutlich ansteigen muß, bevor sich hieraus eine Gefahr für die Effizienz der Märkte entwickeln kann.

Auf der anderen Seite glaube ich, dass sich gerade die sehr aktiven Manager in einem Umfeld, in dem ein hoher Prozentsatz des Geldes passiv investiert ist, beweisen könnten und entsprechend attraktive Mehrerträge erzielen würden. Die Verlierer einer solchen Entwicklung wären meiner Ansicht nach Fonds, die nach außen hin als aktiv gemanagt dargestellt werden, im Management aber nur geringe Abweichungen zu ihren Vergleichsmaßstäben zulassen. Somit würde sich die derzeitige Diskussion um die sogenannten Closet-Trackers in einem solchen Umfeld wahrscheinlich von selbst erledigen, da die Ertragsprofile der entsprechenden Fonds im Vergleich wahrscheinlich sehr unattraktiv wären. Die unterdurchschnittliche Wertentwicklung sollte in der Folge zu Mittelabflüssen führen sollte.

ETFs versorgen die Märkte mit Liquidität

Ein Punkt, der bei der Diskussion von Markteffizienz und ETFs oft übersehen wird ist, dass börsennotierte Indexfonds die Märkte mit Liquidität versorgen. Denn das in diesen Fonds verwaltete Vermögen muss in die Märkte investiert werden. Dies geschieht entweder direkt durch die Fonds, falls diese die Indexpapiere im Portfolio halten. Oder es passiert – im Falle derivatebasierter ETFs – über die Kontrahenten der Anbieter, da diese ihre offenen Positionen absichern müssen. Die so bereitgestellte Liquidität in den Indextiteln erhöht, wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt, die Effizienz der Märkte. Hinzu kommt das ETFs mit Hilfe von faktorbasierten Indizes, die sogenannten Smat-Beta-Indizes, einige Marktineffizienzen systematisch ausbeuten und diese als sogenannte Arbitrageure verringern, beziehungsweise eliminieren.

IN ETFS SIND WENIGER ALS ZEHN PROZENT DES GELDES, DAS IN INVESTMENTFONDS VERWALTETET WIRD, ANGELEGT.

Das die Märkte trotz steigender Volumen in passiven Anlageprodukten effizient sind, zeigt sich auch in der Tatsache, das zwar vergleichsweise viele aktive Manager in der Lage, sind ihre Vergleichsmaßstäbe in einzelnen Jahren zu schlagen, langfristig aber daran scheitern eine bessere Wertentwicklung als die Märkte zu erzielen. Die Gründe hierfür sind, neben den hohen Kosten für das aktive Management und den unterschiedlichen Managementstilen, insbesondere auch in der Effizienz der Märkte zu suchen.

Keine Gefahr für die Effizienz der Kapitalmärkte

Ich bin der Ansicht, dass aktives und passives Management zwei Seiten der gleichen Medaille sind und sich bis zu einem gewissen Punkt miteinander ergänzen. Hinzu kommt, dass ETFs immer häufiger von aktiven Portfoliomanagern eingesetzt werden, um Anlagemeinungen zu einzelnen Märkten oder Branchen schnell umzusetzen. Dadurch sind börsengehandelte Indexfonds mittlerweile selbst zu Anlageinstrumenten der aktiven Manager geworden und spiegeln deren Informationen in den Märkten wider. Deswegen stellen ETFs, meiner Meinung nach, auf absehbare Zeit keine Gefahr für die Effizienz der Kapitalmärkte dar.

Über den Autor:

Detlef Glow begann im Jahr 2005 als Leiter der Fondsanalyse für Deutschland und Österreich bei Thomson Reuters – Lipper. Anfang 2007 übernahm er die Leitung für die Regionen Zentral-, Nord und Osteuropa. Seit Oktober 2010 ist Detlef Glow Leiter der Fondsanalyse von Lipper in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika. Zuvor war er als Direktor Portfoliomanagement bei der Feri Wealth Management GmbH in Bad Homburg als Portfoliomanager für vermögende Privatkunden tätig. Seine Karriere begann Glow neun Jahre zuvor bei der Tecis Holding AG in Hamburg, wo er zuletzt als Leiter der Fondsanalyse für sowohl das quantitative als auch das qualitative Fondsresearch der tecis Asset Management AG verantwortlich war.