15. Januar 2022
ETFs können vor Inflation schützen.

Inflation: Drücken die Notenbanken nun unsere ETFs ins Minus?

Die Inflation steigt, die Leitzinsen sind noch immer im Keller. Kann das so weitergehen? Die Notenbanken werden wohl ihre ultra-lockere Geldpolitik beenden. Wie können sich ETF-Anleger darauf vorbereiten?

Die Verbraucherpreise ziehen kräftig an. Vor allem die steigenden Energiepreise verpassen der Inflation einen gewaltigen Schub. Vor allem deswegen sehen sich immer mehr Notenbanken dazu gezwungen, den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik anzudenken. Dieser Prozess – Tapering genannt – dürfte zunächst mit einem schrittweisen Ausstieg aus den Aufkaufprogrammen für Anleihen beginnen. Danach sind mittelfristig auch Zinsanhebungen durchaus denkbar.

Da sich Konjunkturindikatoren immer auf die Vergangenheit beziehen und die Wirtschaft nach der Corona- Krise noch immer in einer schwierigen Situation ist, könnte es im Rahmen des Taperings zu Verwerfungen an den Märkten kommen. Das sieht auch Lewis Grant, Senior Global Equities Portfolio Manager bei Federated Hermes so: „Ein Taper-Tantrum-Szenario liegt in der Luft, also eine heftige Marktreaktion. Eine Verschärfung der Geldpolitik ist jedoch unvermeidlich, und die anhaltende Inflation erhöht nur den Druck.“ Als Taper Tantrum gingen die heftigen Ausverkäufe der Märkte im März 2013 in die Geschichtsbücher ein, nachdem die US-Notenbank die Anleihenkäufe reduziert hatte. Auch heute stehen die Kurse vieler ETFs unter großem Druck.

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Steigende Volatilität in Sicht?

Während der Inflations-Zug in den USA schon ordentlich Fahrt aufgenommen hat und die Notenbank Fed bereits 2022 mit einer Zinsanhebung liebäugelt, scheint die Europäische Zentralbank (EZB) noch nicht gewillt, ihren Kurs der lockeren Geldpolitik zu verlassen. Bis dato hat die EZB lediglich angekündigt, ihre Anleihenkäufe im Rahmen des Pandemie Programms PEPP von rund 80 auf monatlich 60 bis 70 Milliarden Euro zurückzufahren. Benjamin Kaden, Head of Asset Management beim digitalen Vermögensverwalter Evergreen *, beurteilt dies aktuell nur als ersten symbolischen Schritt: „Trotz des beginnenden PEPP-Ausstiegs könnte die EZB noch über Jahre eine lockere Geldpolitik verfolgen und die Anleihenkäufe im Rahmen ihres regulären Anleihekaufprogramms wieder erhöhen.

Das Extrembeispiel Japan zeigt, dass Notenbanken auch über Jahrzehnte eine sehr akkommodierende Geldpolitik verfolgen können“, so Kaden. Jacob Hetzel von Scalable Capital * geht davon aus, dass das Tapering zumindest in den USA kommen wird und mahnt zur Vorsicht: „Die Fed wird sehr vorsichtig sein müssen. Denn während das Ausmaß restriktiver Maßnahmen der Notenbanken in den vergangenen zehn Jahren immer schwächer wurde, fielen die Reaktionen am Markt dennoch zunehmend heftiger aus“, erklärt Hetzel. Er hält einen Ausverkauf von besonders risikoreichen Vermögenswerten für möglich, was auch am Gesamtmarkt die Volatilität steigern könnte. „Im Endeffekt bleibt die Frage, ob die Notenbanken tatsächlich ein nachhaltiges Tapering durchsetzen können, ohne dass die Marktreaktionen sie zum Einlenken zwingen.“

UBS-Kunden federn Risiken ab

Auch beim ETF-Emittenten UBS spielen die Themen Inflation und die Erwartung des Taperings eine große Rolle. „Unsere Anleger machen sich sehr wohl Gedanken, wann und in welchem Ausmaß die US-Notenbank ihre Anleihenkäufe zurückfahren wird“, sagt Dag Rodewald, Head ETF & Index Fund Sales Deutschland & Österreich bei der Schweizer Großbank. „Viele beobachten intensiv die Äußerungen der Federal Reserve Bank – und zwar mehr oder weniger auf wöchentlicher Basis.“ Besonders stark werde auf die Zinsentwicklung in den USA geschaut, so Rodewald. Die Zinsen zehnjähriger US-Treasuries sind in einem sehr kurzen Zeitraum von 1,3 auf über 1,5 Prozent recht stark angestiegen. Infolgedessen würden Anleger verstärkt in Produkte investieren, die kürzere Durationen bieten. „Das bietet Anlegern die Möglichkeit, das Zins *änderungsrisiko in ihrem Depot abzufedern“, so Rodewald. Präferierter Markt sind bei den Kunden der UBS aktuell Unternehmensanleihen aus den USA, da diese höhere Kupons bieten als die Pendants aus Europa.

Ebenfalls beliebt sind im Zuge der steigenden Teuerung ETFs auf inflationsgebundene Anleihen. Diese schneiden immer dann gut ab, wenn die tatsächliche Inflation über den Erwartungen liegt. „Für Anleger, die der Auffassung sind, dass die Inflation in den kommenden Monaten höher als erwartet ausfällt, kann es sinnvoll sein, inflationsgebundene Anleihen gegenüber den traditionellen Nominalanleihen zu bevorzugen und diese auf einfache Weise mit einem ETF abzubilden“, sagt Rodewald. Ob die künftigen Inflationsraten die bereits hohen Erwartungen aber übertreffen können, steht in den Sternen.

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Inflation: Sind Fremdwährungen interessant?

Die Anlageprofi s der Vermögensverwalter sehen daher die meisten Chancen in anderen Währungsräumen. Bei Evergreen richtet man den Blick in den angelsächsischen Raum: „Attraktivere Konditionen finden sich aktuell bei Fremdwährungsanleihen aus Nordamerika oder dem Vereinigten Königreich. Hier sollte man aber unbedingt das zusätzliche Währungsrisiko beachten, das durchaus für aktienähnliche Wertschwankungen sorgen kann. Ebenfalls zu beachten sind die potenziell höheren Zinsänderungsrisiken als im Euroraum“, sagt Benjamin Kaden von Evergreen und nennt als weitere Option Schwellenländer-Anleihen in lokaler oder Hartwährung. Hier würden sich „naturgemäß“ höhere Renditen zeigen, die allerdings die positive Kehrseite höherer Ausfall- und Währungsrisiken seien.

Ein Faible für Schwellenländer hat auch Jacob Hetzel von Scalable Capital. Er setzt auf Papiere in Lokalwährungen: „Hier sind die Zinsen derzeit deutlich über denen der Industrienationen. Zudem profitieren diese Länder von einer möglichen Abwertung des US-Dollars, die bei einer anhaltenden expansiven Geld- und Fiskalpolitik sowie dem damit einhergehenden Handelsdefizit nicht unwahrscheinlich ist. Bei höheren Zinsen und einer Aufwertung der Währungen würden Anlegende für das eingegangene Risiko sehr gut entlohnt werden.“ Ähnlich sieht das auch Nick Eisinger, Co-Head Emerging Markets Active Fixed Income bei Vanguard: „Wir raten vorerst zu etwas Vorsicht bei riskanten Anlagen wie in den Schwellenländern – wir stehen auch am Beginn einer Phase verstärkter Neuemissionen von Staatsanleihen und sollten daher in den kommenden Wochen mit einem gewissen technischen Druck rechnen.“

Tipp für Privatanleger

Grundsätzlich rät Hetzel Privatanlegern dazu, geduldig zu sein und auf gute Gelegenheiten am Anleihemarkt zu warten. In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Phasen gegeben, in denen die Renditen von Unternehmenspapieren stark angestiegen sind. „Da ein breit angelegtes Default-Szenario bei dem aktuellen Verschuldungsgrad eher theoretisch ist, können solche Phasen von Anlegenden, die diese Meinung teilen, gut zum Aufbau von Positionen am Anleihenmarkt genutzt werden“, weiß Hetzel. Eine solche Strategie lässt sich insbesondere mit ETFs gut umsetzen, da diese immer mehrere Emittenten bündeln und so das Ausfallrisiko sinkt.

Dag Rodewald von der UBS geht zudem davon aus, dass das Angebotsspektrum bei Anleihen-ETFs ähnlich wie auch bei Aktien-ETFs in den kommenden Jahren ausgebaut wird und Anleger dann auch mit passiven Produkten auf Anleihen noch gezielter investieren können. Katalysator für diese Entwicklung könnte auch der Trend zu nachhaltig konzipierten ETFs sein. Im Anleihenbereich etablieren sich aktuell sogenannte Green Bonds. Diese würden von Anlegern verstärkt nachgefragt und könnten im Fixed-Income-Bereich als Risikomanagement-Tool eingesetzt werden, glaubt Rodewald.

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Vermögensverwalter können helfen

Anleihen sind eine durchaus komplexe Anlageklasse. Schließlich spielen hier neben Veränderungen des Zinsniveaus auch Faktoren wie Duration, Restlaufzeit und andere Bedingungen eine Rolle. Daher machen vor allem viele Selbstentscheider einen Bogen um die Anlageklasse. Angesichts geringer Renditen erscheint es verlockend, Anleihen außen vor zu lassen. Auch die mitunter großen Stückelungen machen es Privatanlegern schwer, ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen.

„Vor diesem Hintergrund kann es im Anleihenbereich durchaus Sinn machen, auf professionelle Fondsmanager oder Vermögensverwalter zurückzugreifen. In unseren Evergreen-Publikumsfonds nutzen wir kurzlaufende physische Anleihen, um überschüssiges Kapital zu parken. Wenn möglich, wollen wir diese bis zur Endfälligkeit halten und möglichst wenig umschichten. Die Zielstellung ist dabei, eine Outperformance zu den gängigen Geldmarktzinssätzen zu erreichen“, so Kaden.

Durchaus Verständnis für die „anleihemüden“ Privatanleger hat Jacob Hetzel von Scalable Capital: „Der originäre Nutzen von Anleihen, relativ risikoarm Renditen einzufahren, ist weitestgehend verschwunden. Heutzutage ist deren primäre Funktion in einem Portfolio Verlustphasen riskanter Wertpapiere, insbesondere Aktien, abzufedern, wobei sie teilweise selbst in diesen Phasen keine Wertzuwächse erzielen“, so der Anlageexperte.

Anleihe-ETFs werden attraktiver

Mit Blick auf die Zukunft könnten Anleihen jedoch wieder attraktiver werden. Die Zinswende zeichnet sich zumindest ein wenig ab. Hinzu kommt, dass exotischere Märkte, wie etwa in Asien, zunehmend investierbar werden und auch die Währungsräume von klassischen Rohstoff -Währungen, wie etwa Kanada oder Australien vermehrt in den Fokus der Anleger rücken.

Differenziert sich das Angebotsspektrum von Anleihen-ETFs zudem weiter aus, so dass Anleger in einzelnen Währungsräumen auch mit ETFs leichter Schwerpunkte setzen können, dürfte das der Attraktivität von Anleihen für Privatanleger ebenfalls zuträglich sein. Es gibt also genug Möglichkeiten, dem Tapering Paroli zu bieten.

Fazit

Zu einem ausgewogenen Portfolio gehören neben Aktien- auch Anleihen- ETFs. Nur so erreicht man die perfekte Streuung und nutzt optimal die Chancen des Kapitalmarkts. Die Frage ist nur: Wie hoch soll der Aktien- und damit der Anleihenanteil sein? Eine schnelle Antwort liefert hierzu unser Risikorechner.