27. August 2022

André Kostolany – so hilft dir die Börsenlegende durch die Krise

Musste dein Depot zuletzt ordentlich Federn lassen? Trägst du manchmal den Gedanken, ob du alles verkaufen solltest? Unser Redakteur Thomas Brummer kann das gut nachvollziehen. Auch sein Depot sah schon besser aus. Was ihm dabei hilft, die aktuelle Börsenkrise zu überstehen, sind die Weisheiten von Altmeister André Kostolany.

Auch ich erwische mich immer wieder dabei, allzu häufig einen bangen Blick auf mein Depot zu werfen. Dank moderner Neobroker genügt schließlich ein Klick auf das entsprechende Symbol auf meinem Smartphone. Zu Jubelsprüngen animiert diese Angewohnheit leider schon länger nicht mehr. Schließlich mussten die großen Aktienindizes reichlich Federn lassen. Auch ich habe die üblichen Verdächtigen im Depot. Im Wesentlichen den MSCI World (Industrieländer) und den MSCI Emerging Markets (Schwellenländer). Beim MSCI World steht seit Jahresanfang ein Rückgang von gut 20 Prozent zu Buche, bei den Schwellenländern ging es im bisherigen Jahresverlauf um 17 Prozent runter.

Übrigens: Wer auf den Dax gesetzt hätte, bei dem sähe es nicht besser aus: minus 20 Prozent seit Jahresanfang. Unser gebetsmühlenartiger Appell nach möglichst breiter Streuung ist zwar nach wie vor richtig, doch mit Diversifikation allein schützt man sich nicht vor Rücksetzern. Doch das ist keine Schande. Wer Phasen wie die jetzige aushält, wird später mit satten Renditen belohnt. Langfristig bilden Aktien die attraktivste Anlageklasse, die es gibt. Bleibe also unbedingt am Ball – auch wenn es schwerfallen mag. Dieser Text soll dir das mentale Rüstzeug geben, nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Und falls du mit den aktuellen Rücksetzern gar nicht mehr klarkommst, dann stimmt möglicherweise dein Portfolio nicht mit deiner Risikoneigung überein. Das lässt sich aber in wenigen Minuten herausfinden und anpassen.

Tipp: Mit unserem Risikorechner kannst du anhand von zehn Fragen die optimale Aktienquote für dein Portfolio ermitteln.

Das ist wichtig. Denn nur, wenn du ein Depot hast, das zu dir passt, wirst du in der Lage sein, Krisen zu überstehen. Und wer langfristig dabeibleibt, wird belohnt. Das würde Börsenlegende André Kostolany genauso sehen – und der war etwa 80 Jahre an der Börse aktiv.

In diesem Beitrag picken wir vier prägnante Zitate von Kostolany heraus, die dir als Anleger das mentale Rüstzeug geben sollen, diese Krise aussitzen zu können. Denn falls du nicht gerade an den Weltuntergang glaubst, kannst du beruhigt davon ausgehen, dass die Krise von heute langfristig nur eine kleine Delle gewesen sein wird und dein Depot in zehn oder 20 Jahren weit höher stehen wird als heute. Doch das gilt nur, wenn du stark bleibst.

Die Inflationssorgen

Das große Thema ist in diesen Tagen natürlich die Inflation. „Inflation ist zunächst ein laues Bad, dann wird das Wasser immer heißer und am Schluss explodiert die Wanne“, sagte einst André Kostolany. Um in diesem Bild zu bleiben: Das Wasser ist bereits relativ heiß. Denn die Inflationsrate ist in der Eurozone im Mai auf enorme 8,1 Prozent geklettert. Mit einem, zwei oder drei Prozent Teuerung lässt sich noch gut umgehen – ein laues Bad eben. Aber eine derart massive Inflation ist nicht nur für Verbraucher schlecht, sondern grundsätzlich auch für die Börse. Dies können auch die Finanzmarktforscher Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton bestätigen. Die Forscher haben sich den globalen Aktienmarkt über einen Zeitraum von 1900 bis 2019 angesehen. Ergebnis: Ein offenbar ideales Umfeld für Aktien sind niedrige Inflationsraten, die sich zwischen 0 Prozent und 2,8 Prozent bewegen. In solchen Zeiten warfen Aktien im Durchschnitt reale Renditen von 10,8 bis 11,9 Prozent ab.

Doch stiegen die Teuerungsraten über 2,8 Prozent hinaus, fielen die realen Renditen mit steigender Inflation im- mer magerer aus. Bei Raten zwischen 4,5 und 8 Prozent halbierte sich die reale Aktienrendite im Durchschnitt auf 5,2 Prozent. Bei jährlichen Preissteigerungen zwischen 8 und 18 Prozent fiel sie noch weiter auf 1,8 Prozent. Am unteren Ende dieser Spanne befinden wir uns heute. Doch das wird wohl kein Dauerzustand sein. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat bereits reagiert und den Leitzins auf 0,25 Prozent erhöht. Die nächste Zinsanhebung steht bereits im Raum.

Wer langfristig mit einem moderaten Inflationsniveau rechnet, sollte sich jetzt nicht verrückt machen lassen und einfach abwarten. Der langfristige Trend ist auf deiner Seite: Das weltweite Aktienuniversum erreichte zwischen 1900 und 2019 nach Abzug der Inflation eine reale jährliche Rendite von 5,2 Prozent.

  1. Das Timing-Problem

Aktive Fondsmanager werben oft damit, ihre Vorzüge lägen darin, in schwierigen Zeiten umzusatteln, um so Verluste zu begrenzen. Du hast vielleicht gemerkt: Ich habe den Satz bewusst im Konjunktiv gehalten. Und ja, im jetzigen Umfeld mag der eine oder andere aktive Manager besser dastehen. Doch wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eben- jener aktive Fondslenker genau jenen Tag zum Wiedereinstieg trifft, an dem alles wieder nach oben dreht? Es ist ein Glücksspiel, den perfekten Zeitpunkt treffsicher zu erwischen. Doch warum reite ich darauf so herum? Ganz einfach: Die Statistik spricht klar dafür, einem passiven Anlageprodukt, also etwa einem ETF, genau jetzt die Treue zu halten. „Wenn die Märkte wieder anziehen, ist passives Investieren tendenziell stärker, schließlich muss man hier nicht den richtigen Einstiegszeitpunkt erwischen, man war ja immer voll investiert“, sagt Olivier Paquier, ETF-Vertriebsleiter von J.P. Morgan AM. Was der ETF-Profi meint, veranschaulichen Zahlen der Quirin Privatbank recht deutlich.

Diese Zahlen solltest du unbedingt kennen, um zu wissen, warum es jetzt so wichtig ist, bei der Stange zu bleiben. Das Analyseteam der Quirin Privatbank hat den MSCI World zwischen dem 31. Dezember 1991 und dem 31. Dezember 2021 analysiert. Dabei wurde ein Startkapital in Höhe von 100.000 Euro unterstellt. Wer über den gesamten Zeitraum da- bei geblieben wäre, konnte die Silvesterfeier von 2021 auf 2022 als Millionär begießen. Der Depotauszug wies nämlich zu diesem Stichtag einen Wert von mehr als 1,2 Millionen Euro aus. Doch jetzt kommt die entscheidende Frage: Was wäre passiert, wenn ich aufgrund meiner Entscheidung, Aktien den Rücken zu kehren, die besten Tage beim danach einsetzenden Aufschwung verpasst hätte? Im Idealfall hätte man nur den besten Tag verpasst, doch selbst dann hätte man auf rund 100.000 Euro verzichtet. Das ist zwar eine ordentliche Summe, dennoch bliebe man Millionär.

Wer aber die besten fünf Börsentage versäumt, dem entgehen schon mehr als 380.000 Euro. Verschläft man die besten 15 Börsentage, so ist das Endvermögen nach 30 Jahren nicht einmal halb so hoch wie beim Buy-and-Hold- Anleger, also jenem Anlegertypen, der einmal kauft und dann stur dabei bleibt. Du ahnst es: Noch verheerender wird die Gesamtrechnung, sollte man die stärksten 25 Tage nicht mitgenommen haben. Mit knapp 356.000 Euro ist das Endvermögen dann rund 889.000 Euro geringer, als wenn der gleiche Anleger einfach nichts gemacht hätte. 356.000 Euro im Vergleich zu 1,2 Millionen Euro ist ein beträchtlicher Unterschied. Das sollte dich motivieren, dabei zu bleiben – auch, wenn es Ihnen derzeit nicht gerade leichtfallen mag. „So schwer es mitunter fallen mag – Anleger sollten in derartigen Situationen dem Drang widerstehen, sofort zu reagieren. Emotionen wie Verunsicherung, Angst, aber auch Gier sind selten gute Ratgeber, wenn es um die Kapitalanlage geht“, rät Jesper Wahrendorf, Leiter von Vanguard Invest.

  1. Das Börsentheater

„Die Börse, das heißt der Finanzmarkt, ist eigentlich ein Theater, in dem im- mer dasselbe Stück gespielt wird, aber immer unter verschiedenen Titeln.“ Auch das ist ein markanter Ausspruch von Altmeister Kostolany. Das bedeutet: Krisen sind nichts Neues. Lediglich der „Titel des Theaterstücks“ ändert sich. Dabei ist es langfristig unerheblich, unter welchem „Titel“ der Aktienmarkt um 30 oder 40 Prozent nachgab. Fakt ist: Bisher hat der globale Aktienmarkt immer wieder neue Höchststände erreicht und damit vorangegangene Krisen mehr als kompensiert.

Das zeigte sich etwa bei der Weltwirtschaftskrise 1929, der Japankrise ab 1991, der Dotcom- oder Internetblase um die Jahrtausendwende, genauso wie bei der Finanzkrise im Jahr 2008 oder dem Corona-Schock Anfang 2020. Immer sah man den Aktienmarkt bereits am Abgrund, doch dann kam er gestärkt zurück. Nun die unerfreuliche Nachricht: Du brauchst bei Krisen häufig Geduld. Im Schnitt dauerte ein Crash knapp drei Jahre. Die Aktienmärkte verloren durchschnittlich 54 Prozent. Das Gute daran ist: Du kannst solche Phasen nutzen, um deine Sparplanraten zu erhöhen oder deine ETF-Bestände durch Einmalkäufe aufzustocken. Dann wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit als Sieger aus der Krise hervorgehen.

  1. Aktien bringen die Rendite

Ein Portfolio sollte zu deinem Risikoprofil passen. Dazu gehören Aktien und Anleihen. In welchem Verhältnis du diese mischt, erfährst du über den erwähnten Risikorechner. Wer „gut essen“ will, kauft Aktien. Damit ist gemeint: Für die Rendite sorgt der Aktienteil. Wer gut schlafen will, kauft Anleihen. Damit ist klar: Anleihen sind für die Sicherheit da. Da beides wichtig ist, solltest du beide Komponenten im passenden Verhältnis gewichten und dann abwarten. Gerade in Krisen zeigt sich, dass reine Aktien-Depots vielen Anlegern zu riskant sind. „Wer die Aktien nicht hat, wenn sie fallen, hat sie auch nicht, wenn sie steigen. Bedenken Sie: Aktiengewinne sind Schmerzensgeld. Erst kommen die Schmerzen, dann  kommt das Geld“ so Kostolany.

Fazit

Derzeit hast du es als Anleger nicht sehr leicht. Dennoch ist es gerade jetzt wichtig, am Ball zu bleiben. Denn der Aufschwung kommt bestimmt. Und wer die besten Tage dann verpasst, verhagelt sich die langfristige Rendite. Setze auf weltweite Streuung und nutze, falls möglich, die derzeit niedrigen Kurse auch für Zukäufe. Und wenn du mal nicht weiterweißt, können die Weisheiten von André Kostolany sicher weiterhelfen.