8. Januar 2018

MIFID II: Positive Impulse greifen auf lange Sicht

Ein Gast-Kommentar von James Butterfill, Head of Research und Investment Strategie bei ETF Securities zu den Auswirkungen von MIFID II.

MIFID II tritt im Januar 2018 in Kraft und verändert die Landschaft für Unternehmen, die Dienstleistungen für Kunden erbringen, die mit Finanzinstrumenten in Verbindung stehen, nachhaltig. Viele Finanzinstitute betrachten MIFID II als einen unnötigen Einschnitt, stellen die neuen Regeln für sie doch vor allem erzwungene und entsprechend unliebsame bürokratische Veränderungen dar. Im Vereinigten Königreich hat die Euroskepsis die Feindseligkeit gegenüber der Richtlinie zusätzlich geschürt.

Für ETF-Anbieter jedoch fungiert MIFID II wie ein Schiedsrichter, der das Spielfeld zu Gunsten passiver Investmentprodukte ausrichtet. Denn die neuen Regeln verbieten Finanzberatern, Anreize zur Bevorzugung eines Fonds gegenüber einem anderen zu akzeptieren. Dies kommt den provisionsfreien Geschäftsmodellen der ETFs zugute.

Die Dominanz der Banken, diskriminierende „Pay to play“ -Beratungsangebote wie beispielsweise in der Schweiz üblich und vertretergebundene Netzwerke in Frankreich, Italien oder Spanien verhinderten die weitere Etablierung von ETFs in Europa. Dies steht in einem großen Kontrast zu den USA. Dort hat das Open-Source-Modell der niedrigen Gebühren eine positive Dynamik für alle Marktteilnehmer in Gang gesetzt: Im ersten Schritt erfolgreich Investoren anziehen, danach Skaleneffekte schaffen, Gebühren weiter komprimieren, mehr Investoren anziehen und so weiter.

Wir glauben, dass regulatorische Reformen wie MIFID II die ETFs langfristig unterstützen werden. Dennoch hat die Erfahrung mit der britischen Retail Distribution Review (RDR) gezeigt, dass Regulatorien keinen unmittelbaren Schub für die ETF Branche liefern.

Das in Großbritannien bereits im Dezember 2012 in Kraft getretene Regelwerk “Retail Distribution Review (RDR)” hat die Verbindung zwischen Produkten und Gebühren aufgehoben, so wie dies von MIFID II auch beabsichtigt ist. Mit der Implementierung dieses Regelwerks erwarteten viele Marktteilnehmer im passiven Investmentbereich einen Anstieg der Kapitalströme zu passiven Produkten über Nacht und fragten sich, warum gerade IFAs den ETP-Einsatz nicht sofort erhöhten. Weder am oder um den 1. Januar 2013 herum geschahen irgendwelche Änderungen: Es gab weder eine Geldflut in Richtung Tracker und Smart Beta-Produkte, noch begannen IFAs damit, mit dem ETF-Wort in Kundenmeetings herumzuwerfen. Die Gründe hierfür liegen in Zugangsproblemen auf Plattformen, anhaltenden  Retrozessionen und Rabatten, die die Aufnahme von ETPs immer noch behinderten. Erst in den letzten drei Jahren lagerten IFAs ihre Asset Allocation-Entscheidungen zunehmend an diskretionäre Manager aus und konzentrierten sich stärker darauf, die Kosten niedrig zu halten. Es verbreitete sich zunehmend die Erkenntnis, dass ETPs bei der Bewältigung von Fragen der Transparenz und des Preis-Leistungs-Verhältnisses eine wichtige Rolle spielen könnten. Für IFAs wurden ETFs damit ein Teil der Lösung und nicht ein Teil des Problems.

Im Vereinigten Königreich verändern sich die Fondsplattformen, Hindernisse bei der Nutzung von ETPs werden beseitigt. Ihr Einsatz wird nunmehr allgemein akzeptiert, um ein Kernportfolio mit aktiver Satellitenallokation aufzubauen oder umgekehrt. Im Laufe der Jahre hat das Provisionsverbot in Großbritannien drei Vorteile gebracht: Es hat den Verbrauchern zugängliche und transparente Informationen über Anlageprodukte zur Verfügung gestellt; es hat den Informationsstand über Kosten und Gebühren für Privatkunden erhöht und Anreize beseitigt, die als „Kaufen“ des Vertriebs von Produkten angesehen werden können.

Es mag sein, dass der stärkere präskriptive Charakter von MIFID II diese Änderung beschleunigen wird, aber das wird nicht über Nacht stattfinden. Dafür sprechen zwei Gründe: Erstens könnte die Trägheit, die wir im Vereinigten Königreich gesehen haben, auch in Europa gelten, und es wird Zeit brauchen, bis sich die Infrastruktur der Industrie angepasst hat. Zweitens verblasst der europäische ETF-Markt im Vergleich zum US-amerikanischen ETF-Markt, der bei komfortablen drei Billionen Dollar liegt, verglichen mit 730 Milliarden Dollar in Europa. Der Preis dieser Trägheit ist hoch: Die Europäische Union hat einen deutlich höheren Anteil an Besserverdienenden als Asien oder die USA, aber den geringsten Anteil an Personen, die über investierbare Gelder verfügen. Etwa 44 Prozent der Haushalte in den USA haben irgendeine Form von Aktienmarktinvestitionen: In Europa sind es 11 Prozent.

MIFID II soll dies ändern. Die große Idee hinter dieser massiven regulatorischen Umwälzung ist es, Aktienanlagen transparenter zu machen, was letztlich sowohl den Anlegern als auch den von Banken dominierten europäischen Kapitalmärkten zugute kommt. Das Faszinierende dabei ist, dass der Impuls hierfür in Kürze tatsächlich in Form eines Regulierungsregimes, nämlich MIFID II, eintreffen könnte. Aber das wird nicht von heute auf morgen geschehen.