5. März 2018

Multi-Faktor-ETF: Kombination mehrerer Faktoren soll Performance mittel- & langfristig glätten

Amundi legte in den ersten beiden Monaten des Jahres eine Vielzahl verschiedener ETFs auf, darunter einen marktneutralen Multi-Faktor-ETF. Das EXtra-Magazin sprach über diesen und andere Neuemissionen mit Hermann Pfeifer,  Amundi-Chef der Bereiche ETF, Indexing & Smart Beta in Deutschland.

Amundi legte vor kurzer Zeit den ersten marktneutralen Aktien-Multi-Faktor-ETF in Europa auf. Was ist der Hintergrund für diese Neuemission?

Der Fonds ist eine echte ETF-Innovation: Die Ziele sind für den Aktienmarkt typische Renditen bei moderater Volatilität sowie ein signifikanter Beitrag zur Dekorrelation eines Gesamtportfolios. Hierzu kombiniert der AMUNDI ETF ISTOXX EUROPE MULTI-FAKTOR MARKET NEUTRAL UCITS ETF zwei gegenläufige Aktienmarktpositionen in einem UCITS-konformen Produktrahmen.

Die Chance auf eine Extra-Rendite bietet dabei die Long-Position in einer Multi-Faktor-Strategie auf Basis des iSTOXX Europe. Diese wird über eine Short-Position in Aktientermingeschäften des STOXX Europe 600 Futures Roll Index abgesichert. Im Ergebnis entsteht so ein marktneutrales Aktienportfolio, das langfristig eine überdurchschnittliche Performance bieten kann sowie eine im Fixed-Income Bereich übliche Volatilität aufweist. Wir glauben zudem, dass Anleger von der geringen Korrelation des Fonds zu anderen Anlageklassen profitieren können und sich so ein erhebliches Diversifikationspotenzial für viele Portfolios erschließen lässt.

Eine Absicherung mittels Short-Position geht in der Regel bei Aufwärtstrends zu Lasten der Rendite. Gibt es historische Rückrechnungen, wie sich der ETF in Aufwärtsphasen gegenüber einem herkömmlichen Multi-Faktor-ETF verhält. Und wie federt er Verluste ab?

Der ETF zielt per Konstruktion auf ein marktneutrales Gesamt-Exposure. Das heißt, durch die Absicherung mittels einer Short-Position in Futures entspricht die ETF-Performance den Aktienrisikoprämien der sechs Smart-Beta-Faktoren – in steigenden, als auch in fallenden Aktienmärkten. Das belegen unsere umfangreichen Backtests. Aber auch die ersten Praxiserfahrungen seit Auflage im November zeigen, dass unser Konzept stimmig ist: Im Februar, als die Aktienmärkte teilweise deutlich nachgaben, konnte sich das Portfolio dem Abwärtstrend eindrucksvoll entziehen – die Feuerprobe wurde also bereits bestanden!

Könnten Sie uns bitte kurz den Auswahlprozess für den abgebildeten STOXX Europe Multi-Faktor Market Neutral Strategy-Index erklären. Und wie oft wird der Index angepasst?

Das Produkt von Amundi ETF erzielt seine Performance indem es die Wertentwicklung des iSTOXX Europe Multi-Faktor Market Neutral Index so exakt wie möglich nachbildet. Dieser „Strategie“-Index umfasst sechs Aktienmarktfaktoren: Value, Size, Quality, Carry, Momentum und Low Risk. Diese Smart-Beta-Faktoren selektieren dann die Einzeltitel aus dem übergeordneten STOXX Europe Total Market Index. Die Auswahl wird von uns im monatlichen Rhythmus rebalanced. Die Berechnung beruht auf einer transparenten Methodik, die für jede Aktie des STOXX Europe 600 Index einen Multi-Faktor-Score ermittelt. Die Aktienauswahl wird durch einen Optimierungsprozess flankiert. Dabei gelten Obergrenzen für die Einzelwertgewichtungen und die relative Gewichtung von Branchen gegenüber dem STOXX Europe 600. Bei der Optimierung gelten auch Obergrenzen für den Portfolioumschlag und Mindestanforderungen an die Liquidität, um das bestmögliche Gleichgewicht zwischen der Handelbarkeit des Index und seiner Ausrichtung an den gewünschten Faktoren zu erreichen.

Die gegenläufige Hedge-Strategie wird im ETF über den STOXX Europe 600 Futures Roll Index abgebildet. Durch den Verkauf von europäischen Aktientermingeschäften will unser ETF ein Gesamt-Beta von „Null“ in Bezug auf den europäischen Aktienmarkt erreichen. Um sicherzustellen, dass der Index eine nahezu perfekt abgesicherte Position beibehält, werden die Aktientermingeschäfte wöchentlich an das Beta des „Strategie“-Index angepasst. In anderen Worten bieten die Faktoren die Chance auf Outperformance, während die Gesamtperformance langfristig gegen starke Auf- und Abwärtsbewegungen „immun“ ist und somit die Direktionalität mit dem zugrundeliegenden Markt nahezu aussetzt. Diese innovative Strategie basiert auf einem diversifizierten Portfolio von 50 – 120 Einzeltitel.

Der ETF umfasst 6 Faktoren. Während die meisten Faktoren bekannt sind, dürfte der Faktor „Carry“ den wenigsten Anlegern präsent sein, und wenn, dann eher aus dem Währungsbereich. Was bedeutet der Faktor im speziellen Fall genau?

Der Carry-Faktor betrachtet die Wertsteigerungsmöglichkeit der Aktie ganzheitlich. Das heißt, wir analysieren eine Aktie nicht nur unter Preisgesichtspunkten, sondern auch unter Berücksichtigung anderer Kriterien, die sich auf den Ertrag eines Investors auswirken können – etwa Dividenden oder auch Aktienrückkäufe. Die für diesen Faktor verwendete Methodik legt zudem einen Schwerpunkt auf die Nachhaltigkeit der Rendite, indem sie beispielsweise die Gewinnentwicklung des Unternehmens analysiert und prüft, ob deren Entwicklung stark von nur einer einzigen Aktivität abhängt und somit besonders „verwundbar“ ist. So können auch die Ertragsrisiken des Anteilseigners bei Rückschlägen für das jeweilige Geschäftsmodell über den Carry-Faktor mit bewertet werden.

Der Präsident der American Finance Association John Cockrane sprach schon 2011 in einer Rede von einem „Faktor-Zoo“. Viele Faktoren seien umstritten. Gibt es Studien, inwiefern mittels Faktor Carry tatsächlich eine Outperformance zu erzielen ist?

Viele Indexanbieter haben belastbare Studien angestoßen, um zu zeigen, wie Faktoren funktionieren und wie sie genutzt werden können, um die Leistungsfähigkeit eines Portfolios zu verbessern. Auch zur Korrelation untereinander gibt es viele verlässliche Daten. Auf diese stützen wir uns, wenn wir das Ziel des Carry-Faktors als die Fähigkeit definieren, auf Basis verschiedener Ertragsarten die Aktientitel mit dem höchsten Growth-Potenzial zu identifizieren. Deshalb kann dieser Smart-Beta-Faktor helfen, die Performance eines Portfolios nicht nur über Preissteigerungen, sondern auch über aus Anlegersicht attraktive zusätzliche Renditeperspektiven – wie Dividenden oder Aktienrückkaufprogramme – zu erzielen.

Verwässert nicht eine so hohe Anzahl an Faktoren die Performance?

Das Wort „Verwässern“ ist mir in diesem Kontext zu negativ. Durch den Einsatz mehrerer Faktoren wollen wir ja die Performance durch gezielte Diversifikationseffekte beeinflussen. Sehen Sie: Ein Faktor umfasst Aktien, die sich in einem gegebenen Marktumfeld gleich verhalten. Da sie nicht von den gleichen Variablen beeinflusst werden, verhalten sich verschiedene Faktoren unter gleichen Marktbedingungen grundsätzlich unterschiedlich. Die Kombination mehrerer Faktoren in einem Index soll die Performance also mittel- und langfristig glätten. Und umgekehrt gilt: Wenn ein Faktor die Performance in einem gegebenen Umfeld abschwächt, soll dies durch die Diversifikation über andere Faktoren ausgeglichen werden. Auf diese Weise wird die Wertentwicklung des Portfolios je nach Marktkontext, mal von dem einen, mal von einem anderen Faktor bestimmt.

Für welche Zielgruppe ist dieser ETF besonders geeignet?

Diese Innovation bietet sich aufgrund seines facettenreichen Profils für ein breites Spektrum von Anlegerbedürfnissen an, wie sie institutionelle Kunden, Vermögensverwalter oder Versicherer mit Kapitalbeschränkungen haben. Aber auch viele Privatkunden können ihre Anlageziele mit diesem Amundi ETF bedienen. Insbesondere profitieren alle Anleger von einer bequemen Investmentlösung, die ein Short-Exposure nicht selbst verwalten wollen oder können.

Amundi erweiterte zudem vor kurzem die Produktpalette deutlich. Darunter sind auch zahlreiche ETFs auf verschiedene Leitindizes. Möchte Amundi, künftig als Allrounder auf dem deutschen Markt präsent sein. Was sind die Ziele für 2018?

Sicher, gerade weil wir mit unserer starken Vertriebsstruktur die Bedürfnisse und Ansprüche unserer Kunden in Deutschland bestmöglich erfüllen wollen, werden wir auch 2018 unsere Produktpalette weiter ausbauen und vervollständigen. Dies gilt insbesondere in den Bereichen Fixed Income und Smart Beta. Zudem werden wir unser Engagement in verschiedenen Kundensegmenten intensivieren. Vor allem aber wollen wir die Marktdurchdringung im Retail-Bereich mit ETF-basierten Lösungen für Vertriebsnetze und -plattformen beschleunigen.

Mit einem der ETFs partizipieren Anleger am weltweiten Anleihenmarkt. Wie funktioniert hierbei die Auswahl, wie ist hier die Zusammensetzung, wie sehen Sie die Anlagechancen für einen solchen ETF im Umfeld wieder steigender Zinsen?

Durch festverzinsliche ETFs können Anleger genauso einfach in einen Korb von Anleihen investieren, wie sie Aktien eines Unternehmens erwerben können. Renommierte ETF-Emittenten wie Amundi bieten den Zugang zu Teilen des Fixed-Income-Marktes, die kleinere institutionelle Anleger früher als zu komplex und teuer empfunden haben. Es gibt jetzt beispielsweise Strategien, die sehr große Indizes abbilden, wie etwa globale aggregierte Indizes, die ein breites Engagement in globalen Märkten in einer einzigen Transaktion bieten.

Ein ausdifferenziertes Investment im Bondbereich braucht ein verlässliches Sampling, um die Nachbildung eines Index mit geringem Tracking Error und ebenso geringer Tracking Difference zu bewerkstelligen – dazu braucht es Erfahrung und eine hohe technische Expertise. Über einen qualitativ hochwertigen ETF können Investoren also ein breites Anleiheinvestment nicht nur in einer Transaktion, sondern auch zu geringen Kosten realisieren.

Um auch bei steigenden Zinsen im Anleihemarkt gut positioniert zu sein, gibt es eine Reihe von ETF-Lösungen. Floating Rate Notes ETFs sind ein Beispiel dafür, wie Zertifikate Anlegern, die weitere Zinserhöhungen erwarten, den Zugang zum Rentenmarkt erleichtern können: Denn ihre Kupons bewegen sich parallel zu den Leitzinsen der Zentralbanken. Ihr Wert sinkt deshalb im Allgemeinen nicht, wenn die Zinssätze steigen – man spricht hierbei von der so genannten modifizierten Duration. Und auch ihre Zinserträge passen sich üblicherweise den gestiegenen Fremdkapitalkosten an.

Mit einem anderen ETF partizipiert der Anleger am weltweiten Immobilienmarkt. Was macht das Produkt aus Anlegersicht interessant?

Der Immobilienmarkt erfordert per Definition einen beträchtlichen Eintrittskupon. In diesem speziellen Fall sind ETFs von großem Interesse, da sie ein kosteneffizientes, transparentes und einfaches Engagement in einem zugrundeliegenden Markt bieten, der sonst schwer zugänglich ist. Investoren müssen sich jedoch im Klaren sein, dass ein ETF- bzw. REIT-Investment stärker börsenabhängig ist und im Gegensatz zu klassischen Immobilienfonds nicht direkt in Objekte investiert ist. Somit folgen Immobilieninvestments auf Zertifikatebasis einem anderen Rendite-Risiko-Profil, was auch mit Blick auf die Diversifikation eines Portfolios von besonderem Interesse sein kann.

Weitere Details zu den neu aufgelegten Amundi-ETFs finden Sie in den Artikeln „Amundi mit erstem europäischen marktneutralen Multi-Faktor-Aktien-ETF“ sowie „Neun neue ETFs von Amundi“