8. August 2020
Nachhaltigkeit für Unternehmen

Nachhaltigkeit ist für Unternehmen geldwert

ESG-Kriterien sind für Unternehmen längst mehr als ein Feigenblatt. Schon heute richten sich Investoren daran aus und mischen sich auf Hauptversammlungen ein. Neue Gesetzesinitiativen könnten auch den Mittelstand nachhaltiger machen.

Wenn Unternehmen verkünden, sich nachhaltig aufzustellen oder nachhaltigen Konzepten mehr Raum geben zu wollen, ist das weit mehr als nur Werbung in eigener Sache. Die sogenannten ESG-Kriterien spielen heute für immer mehr Investoren eine Rolle. ESG steht in diesem Zusammenhang für die Bereiche Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance). Vor allem Asset Manager und institutionelle Investoren setzen verstärkt auf Anlagen, die sich anhand dieser Kriterien ausrichten. Die Untersuchung „Die globale ESG Befragung 2019“ von BNP Paribas hat gezeigt, dass es Anlageprofis neben dem positiven Effekt für Marke und Reputation in erster Linie auf langfristig verbesserte Renditen und ein geringeres Risiko ankommt. Unternehmen, die sich glaubhaft nachhaltig aufstellen, steigen also in der Gunst der Investoren und punkten gegenüber Konkurrenten mit besseren Bedingungen.

Nachhaltig denken reduziert Risiken

Dies sieht auch Dag Rodewald, Leiter der passiven Anlage und des ETF-Spezialvertriebs für Deutschland und Österreich bei UBS, so und verweist auf den Abgas-Skandal bei Volkswagen: „Hier hat es offensichtlich Mängel bei der Governance gegeben. Als der systematische Betrug schließlich bekannt wurde, hat VW nicht nur einen erheblichen Reputationsschaden davongetragen, auch die finanziellen Auswirkungen waren und sind erheblich. Im März 2015 stand die VW-Aktie noch bei über 250 Euro, im Oktober desselben Jahres war die Aktie weniger als 100 Euro wert. Hinzu kommen die Strafzahlungen und andere Rechtskosten, die das Unternehmen mittlerweile mehr als 30 Milliarden Euro gekostet haben“, so Rodewald. Auch in der jüngeren Geschichte gab es prominente Fälle, in denen ein Mangel an Nachhaltigkeit für Unternehmen teuer wurde. Rodewald verweist auf die Waldbrände in Australien im Januar, welche den Fokus auf ein umstrittenes Kohle-Projekt von Siemens gelenkt hätten: „Finanziell ist dieser Auftrag für Siemens nicht überdurchschnittlich relevant – der Reputationsschaden in der öffentlichen Wahrnehmung hingegen war enorm“, betont Rodewald. Eine langfristig ausgerichtete ESG-Strategie bei Siemens hätte womöglich dazu geführt, dass das Kohle-Projekt so in dieser Form nicht umgesetzt worden wäre – der Reputationsschaden wäre ausgeblieben. EU forciert Nachhaltigkeit mit „Green Deal“ Trotzdem fällt es schwer, einen klar messbaren Zusammenhang zwischen Mängeln bei ESG-Kriterien und finanziellen Einbußen herzustellen. Unter anderen Umständen hätte das Kohle- Projekt von Siemens wohl keinen Einzug in die öffentliche Diskussion gefunden und die Empörung wäre ausgeblieben. Auch lässt sich nicht bemessen, wie groß die Einsparungen einer umfänglich nachhaltigen Strategie wirklich sind. „Über die Auswirkung vermiedener Schäden kann nur spekuliert werden, da sie durch eine konsequent nachhaltige Unternehmenstätigkeit gar nicht erst entstanden sind“, findet auch UBS-Mann Rodewald. Auch herrscht noch immer Unklarheit darüber, wie genau es Konzerne und Unternehmen mit der Umsetzung der ESG-Kriterien nehmen. Zwar haben sich in den vergangenen Jahren Kriterien eingespielt und vor allem die Finanzbranche hat sich selbst einige Standards auferlegt, doch bleibt die Datenqualität rund um ESG noch immer ausbaufähig. Wie die jüngste Untersuchung von BNP Paribas zeigt, sehen die befragten Investoren im Bereich Soziales noch immer die größten Hürden hinsichtlich Analyse und Integration. In erster Linie sei dies auf die unzureichende Datenqualität zurückzuführen. Um. dies zu ändern, gibt es rund um ESG eine europaweite Initiative, um nachhaltige Faktoren noch stärker in der Wirtschaft zu verankern. Anfang März stellte die EU-Kommission den sogenannten Green Deal vor, der vorsieht, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden solle. Ab 2030 sollen Zwischenziele zudem überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Passive Investments führen zu aktiver Einmischung

Wohin die Reise bei der nachhaltigen Gesetzgebung gehen könnte, zeigt der geplante „green supporting factor“. Dieser sieht vor, dass Anleger Anreize in Form einer geringeren Eigenkapitalquote für nachhaltige Investments erhalten. Dies würde auch für Banken gelten und könnte nachhaltig ausgerichteten Unternehmen handfeste Finanzierungsvorteile einbringen. In Deutschland regt sich zwar noch Widerstand, doch wird der Ansatz EU-weit auch von vielen begrüßt. Unabhängig davon, ob und in welcher Form der „green supporting factor“ beschlossen wird oder nicht, zahlt sich Nachhaltigkeit für Unternehmen am Kapitalmarkt schon heute aus. Banken wie die UBS nutzen ihre Stimmrechte schon heute aktiv. „Unser Engagement in diesem Bereich läuft bei uns unter dem Oberbegriff ‚Stewardship‘“, erklärt Dag Rodewald. „Wir haben hierfür ein dediziertes Team, das die Stimmrechte entsprechend wahrnimmt – unabhängig davon, ob die Gelder aktiv oder passiv verwaltet werden.“ Das Team von UBS mischt sich insbesondere bei Fragen rund um Klima oder Diversität proaktiv ein. Kommt es zu Verstößen gegen internationale Normen oder zu anderen Vorfällen, nimmt die UBS auch reaktiv Einfluss. „Das Ziel ist es, alle Strategien einheitlich und in Einklang mit unseren Governance-Grundsätzen abzustimmen. Mit unseren Stewardship-Aktivitäten wollen wir einen materiellen, positiven Wandel in den Unternehmen befördern. Wichtiger Teil davon ist, dass wir mit dem jeweiligen Management eine Beziehung aufbauen und einen guten Dialog führen können“, berichtet Rodewald. Andere Fondsgesellschaften setzen ihre Stimmrechte ähnlich ein. Da der Anteil passiver Investments bei Standardwerten beständig wächst und das Thema ESG inzwischen bei sämtlichen professionellen Investoren ein gewichtiges Thema ist, steigt auch der Druck auf Unternehmen, sich nachhaltig auszurichten. So werden in den USA laut der ESG-Untersuchung von BNP Paribas bereits rund 11,6 Billionen US-Dollar nachhaltig verwaltet.

Finanzielle Vorteile für Unternehmen dürften zunehmen

Auch wenn Europa in diesem Bereich noch etwas mehr Nachholbedarf hat, zeigt die Initiative der Europäischen Kommission doch, wohin die Reise gehen wird. Denn anders als bei anderen Gesetzesvorhaben scheint die Finanzbranche der Entwicklung grundsätzlich offen gegenüberzustehen. Darauf deutet das bisherige Engagement in diesem Bereich hin. Hinzu kommt, dass Untersuchungen immer wieder zeigten, dass nachhaltige Investments nicht mit Einbußen bei der Performance zusammenhängen und im Bereich des Risikos sogar handfeste Vorteile bieten können. Die Studie „Nachhaltige Investments aus dem Blick der Wissenschaft: Leistungsversprechen und Realität“ von der Steinbeis-Hochschule Berlin im Auftrag der Fondsgesellschaft Union Investment sieht gar leicht positive Effekte nachhaltiger Anlagekriterien auf die Performance. Das unterstreicht auch der Chartvergleich links. Unternehmen tun also gut daran, sich noch stärker an nachhaltigen Kriterien auszurichten. Schon heute werden „grüne“ Unternehmen mit mehr Investorenzuspruch und weniger Widerrede auf der Hauptversammlung belohnt. Die Einführung eines „green supporting factors“ könnte nachhaltige Kriterien auch im Mittelstand noch stärker verankern. Die finanziellen Vorteile, die verantwortungsvoll handelnde Unternehmen künftig genießen, werden tendenziell also sogar noch zunehmen.

Kein Renditeverzicht bei nachhaltiger Geldanlage

Einigen Anlegern dürfte daran gelegen sein, bestimmte Werte und Ziele mit der Kapitalanlage zu verknüpfen. Doch viele dürften auch davon ausgehen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu einer besseren Einschätzung der Risiken und Chancen einer Kapitalanlage führt und damit einen positiven Einfluss auf die Performance ausüben kann. „Nachhaltigkeit“ bezeichnet per Definition ein Wirtschaften, mit dem Bedürfnisse befriedigt werden, ohne zukünftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu nehmen. Dies betrifft vor allem einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Alles ehrenwerte Ziele, mögen Sie nun denken, aber muss ich als Anleger dafür nicht einen Preis zahlen? Anders ausgedrückt: Zahle ich für mein gutes Gewissen drauf? Sozusagen moderner Ablasshandel über die Kapitalmärkte? „Diese Debatte ist inzwischen überholt. Mehr als 2.000 weltweit durchgeführte Studien haben bewiesen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten die Performance nicht beeinträchtigt. Nachhaltigkeitsaspekte und ESG-Kriterien können, wenn sie pragmatisch eingesetzt werden, im Gegenteil die Performance steigern“, meint Thierry Bogaty, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung bei Amundi. Nachhaltige Selektion kann auch dazu führen, dass Problemfälle schon im Vorhinein ausgeschlossen werden. Prominente Beispiele: BP und Volkswagen, die bei einigen Fonds die Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllt haben. ESG und SRI können also sogar dazu führen, dass die Gesamtperformance steigt und das Risiko in Form einer geringeren Volatilität abnimmt. Die in diesem Artikel vorgestellten nachhaltigen ETFs haben in Sachen Performance den konventionellen Mutterindex übertroffen.

Nachhaltige Anlagemöglichkeiten

Die in den Abbildungen dargelegten ETFs sind Möglichkeiten für breit gestreute nachhaltige Anlagen. Wer sich lediglich von den gröbsten „Sündern“ trennen möchte, kann sich etwa den Xtrackers ESG MSCI World UCITS ETF (WKN: A2AQST) näher ansehen. Wer eine strengere Auslese wünscht, ist womöglich mit dem UBS MSCI World Socially Responsible UCITS ETF (WKN: A1W3CQ) besser bedient.

Fazit

Nachhaltiges Denken in der Unternehmensführung kann sich positiv auf den Erfolg auswirken. Auch Privatanleger können daran teilhaben. Die Datenbank von extraETF.com weist mittlerweile schon 146 nachhaltige ETFs aus. Doch auch hier gilt: möglichst breit streuen. Es bieten sich daher Welt-Indizes als Basis an.

Tipp: Sie möchten weitere Informationen zum Thema? In unserem ETF-Anlageleitfaden „Investieren in Nachhaltigkeits-ETFs“ haben wir dies im Detail für Sie aufbereitet.