29. Dezember 2021
5 Experten: Die Aktienrente ist eine tolle Idee, aber es läuft noch nicht rund

Neue Bundesregierung: Kommt jetzt die Aktienrente?

Das gesetzliche Rentensystem in Deutschland ist längst kein Aushängeschild mehr. Es wird also höchste Zeit für die Aktienrente.

Der neue Bundeskanzler und die neue Regierung konnten in Deutschland offiziell ihre Arbeit aufnehmen. Die Regierung ist neu, die Probleme sind aber natürlich in vielen Bereichen noch die alten. Vor allem um die gesetzliche Rentenversicherung ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden. Kein Thema, mit dem man in Deutschland Wahlen gewinnen kann. Denn die gesetzliche Rentenversicherung ist in Deutschland kein wirkliches Erfolgsmodell mehr.

Zeit für die Aktienrente

Die Rentenreformen der vergangenen Jahrzehnte hatten im Ergebnis meistens eine Absenkung der Rentenleistungen zur Folge. Den größten Einschnitt verursachte das 2002 unter der sozialdemokratischen Regierung Schröder eingeführte Altersvermögensgesetz (abgekürzt AVmG). Es stellt die größte Veränderung der gesetzlichen Rentenversicherung seit der Einführung des umlagefinanzierten Rentensystems 1957 dar.

Die umlagefinanzierte Altersvorsorge wurde damals um eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt. Eigentlich gut gedacht, aber leider sehr schlecht ausgeführt. Denn die Einführung der Riesterrente sorgte zwar für gute Laune in den Vorstandsetagen der Versicherungswirtschaft, ist aber sehr ineffizient, teuer und reicht häufig nicht aus die Rentenabsenkung zu kompensieren. Nach mittlerweile 20 Jahren steht die Riesterrente schon wieder vor ihrem Ende.

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Deutschland rutscht ab

Deutschland rutscht im europäischen Vergleich bei der gesetzlichen Altersvorsorge immer weiter ab. Nach einer Untersuchung der französischen Investmentbank Natixis finden Ruheständler weltweit die besten Bedingungen für ihren Lebensabend in Westeuropa. Sieben von zehn der am besten bewerteten Länder liegen in dieser Region. Deutschland belegt Rang 13 und gehört damit nicht mehr zur Spitzengruppe der Top 10. Als wesentliche Probleme hat die Studie die Demographie und die hohe Steuerlast in Deutschland identifiziert. Am besten ist die Lebensqualität für Ruheständler in der Schweiz, danach folgen Island, Norwegen und Schweden. Diesen Ländern gemein ist häufig eine hohe kapitalgedeckte Altersvorsorge. Diese wird häufig durch eine hohe Aktienquote, teilweise bis zu 100 Prozent, dargestellt.

Vorbild Schweden

Als großes Vorbild gilt vielen das Vorsorgemodell der Schweden. Die Altersvorsorge ist dort ähnlich aufgebaut wie in Deutschland. Auch dort fließt der Großteil der Beiträge in die umlagefinanzierte staatliche Rente. Ähnlich wie in Deutschland hat jedoch der demographische Wandel auch in Schweden dazu geführt, dass die Leistungen der gesetzlichen Rente immer weiter abgesenkt werden mussten. Allerdings ist der schwedische Lösungsansatz weitaus pragmatischer und auch wesentlich erfolgreicher, als der deutsche Versuch die Altersvorsorge auf ein stabiles Fundament zu setzen.

Die Schweden zahlen 16 Prozent des Bruttogehalts in die umlagefinanzierte Rente ein und 2,5 Prozent müssen sie in die kapitalgedeckte Altersvorsorge investieren. Dabei können sie entweder aus mehr als 800 Fonds selbst auswählen oder zahlen in einen staatlich verwalteten Fonds ein. Die Rendite kann sich sehen lassen. Seit Auflage liegt diese bei durchschnittlich sechs Prozent pro Jahr. Denn der Fonds legt bis zum 55 Lebensjahr zu 100 Prozent in Aktien an.

Eine kapitalgedeckte Rente hat viele Fans

Eine kapitalgedeckte Rente, in welcher Form auch immer, hat mittlerweile auch in Deutschland viele Fans. Denn das umlagefinanzierte Rentenmodell, bei dem die Jungen für die Alten zahlen, steht wegen des demografischen Wandels kurz vor dem Kollaps. Staatlich geförderte, private Ergänzungen wie die Riester *-Rente stehen wegen hoher Kosten in der Kritik und sind durch die Niedrigzinsen unter Druck geraten.

Ein kapitalgedecktes Modell würde beide Probleme auf einen Streich lösen, argumentieren Befürworter der Aktienrente. Erstens legen erwerbstätige Bürger damit für ihre eigene Rente an, statt den Ruhestand der jeweils älteren Generation zu finanzieren. Das entschärft den Demografie-Faktor. Zweitens versprechen Aktieninvestments höhere Renditen und niedrigere Kosten als Zinsprodukte. Ähnlich wie die Schweden könnten auch die Deutschen einen kleinen Teil ihrer Rentenbeiträge in einen staatlich gelenkten Fonds fließen lassen, der in Aktien und Anleihen investiert.

Das „Schweden-Modell“ kommt nicht

Mittlerweile ist der Koalitionsvertrag unterschrieben und es steht fest, dass „Schweden-Modell“ kommt vorerst nicht. Allerdings plant die Ampelkoalition die Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherung um eine „teilweise Kapitaldeckung als dauerhafter Fonds“, der von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle verwaltet und global anlegen soll. Allerdings kommt das Geld nicht von den Beitragszahlern. Als Finanzspritze sollen zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock bilden, der am Kapitalmarkt investiert werden soll.

Es ist ein erster Schritt, der aber vermutlich viel zu klein ausfällt. Wie die Finanzierung des Fonds nach 2022 weitergeht, ist noch offen. Die eingeplanten zehn Milliarden Euro entsprechen den Rentenausgaben für zehn Tage. Das Ifo-Institut hat berechnet, das bei Auflösung des Fonds jeder zukünftige Rentner bloß etwa einen Euro pro Monat mehr erhält. Kein Betrag der die Rentenlücke nachhaltig schließt. Nötig wäre ein Betrag im dreistelligen Milliardenbereich. Mit dessen Erträgen könnte man tatsächlich die Rente stützen, also den Beitragssatzanstieg dämpfen und das Niveau stabilisieren.

Ohne Aktien geht es nicht

Zukünftige Rentner sollten also nicht darauf warten, bis der deutsche Staat aktiv wird. Denn heutzutage kann jeder relativ einfach die Initiative ergreifen. Dabei sollte mittlerweile jedem Sparer klar sein, ohne Aktien geht es nicht. Die 2,5 Prozent vom Bruttogehalt der Schweden sind dabei für einen Aktiensparplan eine solide Vorgabe. Aber auch ein bestehendes Depot sollte der Realität angepasst werden. Wenn der Anlagehorizont noch lange genug ist, wirkt eine höhere Aktienquote wie ein Turbo. Denn die zehn Milliarden, die bald zusätzlich auf den Kapitalmarkt fließen könnten, werden wahrscheinlich auch keine negativen Spuren hinterlassen.

 

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Über den Autor: Markus Richert

Markus Richert, Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln.