15. Juni 2022
EZB-Wirtschaftsbericht klingt ziemlich selbstsicher

Notfallsitzung bei der EZB: Ausverkauf an den Anleihemärkten – Sorgenkind Italien

Die Europäische Zentralbank (EZB) kam heute zu einer außerordentlichen Ratssitzung zusammen, um über die Folgen der Verkaufswelle am Anleihemarkt zu beraten. Droht eine neue Euro-Schuldenkrise?

Wer sich konkrete Maßnahmen aus der Sitzung erhoffte, dürfte eher enttäuscht sein. Der Rat beauftragte die zuständigen Ausschüsse des Eurosystems mit der beschleunigten Fertigstellung eines Kriseninstruments. Außerdem soll das Corona-Notkaufprogramm PEPP noch flexibler eingesetzt werden. Doch warum kam es überhaupt zur Notfallsitzung?

Seit die EZB vergangene Woche Zinserhöhungen angekündigt hat, sind die Anleiherenditen stark gestiegen. Zum ersten Mal seit 2014 hatte die Rendite in dieser Woche die Marke von vier Prozent überschritten. Der Spread zwischen den Staatsanleihen Deutschlands und Italiens war mit bis zu 2,4 Prozentpunkten auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Jahren gestiegen. 

Risikoaufschläge könnten zum Problem werden

Für griechische Anleihen stieg die Rendite sogar auf 4,6 Prozent. Die Rendite für spanische Papiere liegt bei etwa drei Prozent. Zum Vergleich: Zehnjährige Bundesanleihen notieren aktuell bei rund 1,7 Prozent. Diese hohen Risikoaufschläge spiegeln die Sorge wider, dass mit der Straffung der Geldpolitik die Unterstützung für diese Länder nachlassen könnte.

Dass die Zinssätze in den Euro-Staaten unterschiedlich hoch ausfallen könnten, wurde von Experten bereits diskutiert. Dies stelle jedoch den Sinn eines gemeinsamen Währungsraums grundsätzlich in Frage. Die EZB muss nun also alles tun, um das Schlimmste zu verhindern. 

Weitere Anleihenkäufe aus Südeuropa

„Es besteht kein Zweifel daran, dass wir nötigenfalls neue Instrumente entwickeln und einsetzen werden, um die geldpolitische Transmission und somit unser primäres Mandat der Preisstabilität zu sichern“ sagte die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel bei einer Rede vor französischen Studenten diese Woche. 

Ein erstes Gegenmittel, um die Renditeabstände einzudämmen, sei die flexible Wiederanlage der Gelder aus abgelaufenen Anleihen im Rahmen des billionenschweren Bond-Kaufprogramms PEPP. 

EZB im Dilemma

Das große Problem der Währungshüter liegt in der teilweise hohen Staatsverschuldung innerhalb der EU: Griechenland hat Schulden, die die Wirtschaftsleistung des Landes um 200 Prozent übersteigen, in Italien sind es 150 Prozent. Die Europäische Zentralbank hat in den vergangenen Jahren viele Staatsanleihen von Eurostaaten gekauft und das Zinsniveau somit niedrig gehalten.

Jetzt müsste sie diese Anleihen im Zuge einer strafferen Geldpolitik eigentlich wieder verkaufen. Doch das wird den nun bereits angespannten Anleihemarkt noch weiter belasten. Hinzu kommt insbesondere die Sorge um Italien. Italienische Banken haben in den vergangenen Jahren stark in eigene Staatsanleihen investiert. Die gefallenen Kurse in Kombination mit den gestiegenen Renditen könnten nun zur massiven Belastung für die Banken und die italienische Volkswirtschaft werden. Und nun muss die EZB versuchen, die Inflation zu bekämpfen ohne in eine neue Euro-Schuldenkrise zu rutschen – indem sie italienische (und andere südeuropäische) Anleihen mit dem Geld aus PEPP kauft.

Tipp: Asset Allocation – hier erfährst du, wie du Risiko und Ertrag miteinander in Einklang bringst.

Rückkehr der Euroschulden-Krise?

Die Lage ist aus Sicht von Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Institutes, besorgniserregend. Der Zinsanstieg sei „dramatisch“, die Lage von hochverschuldeten Staaten wie Italien und Griechenland werde schwierig, sagte er bei einem Kongress in München. „Das ist ganz klar die Rückkehr der Euro-Krise.“ Es sei bemerkenswert, dass die EZB von Panikverkäufen an den Märkten spreche und ein „Not-Meeting“ einberufen habe: „Das muss man sich ja gut überlegen, denn die Botschaft, die damit verbunden ist, ist ja katastrophal“, so Fuest. Damit bekräftigt er, was er bereits mehrfach geäußert hat.