21. Januar 2023

Rente: Reichen 250.000 Euro für den Ruhestand?

Die Zahlen alarmieren: 84 Prozent der Frauen zwischen 17 und 27 in Deutschland haben Angst vor Altersarmut. Doch zugleich sorgen nur 29 Prozent von ihnen regelmäßig für später vor. Das ergab die „MetallRente Jugendstudie“. Doch wie viel Vorsorge brauchen wir für die Rente überhaupt?

Zehn Prozent weniger junge Frauen als noch vor zehn Jahren sparen für die Rente. Indessen sorgen mehr Männer für später vor. Nach 38 Prozent vor zehn Jahren legen jetzt 45 Prozent Geld für den Ruhestand zurück. Wer optimal vorsorgen will – mit Aktien oder ETFs statt Sparbuch und Festgeld –, benötigt Wissen und Zeit.

Wir stellen mal die Frage: Wer an der Börse investiert und hier ein Vermögen von 250.000 Euro aufbaut – hat er oder sie damit für die Rente ausgesorgt?

250.000 Euro für den Ruhestand. Die muss man erst einmal haben. Doch wie viel muss ich dafür investieren? Und wie wahrscheinlich ist es, dass es mit der angestrebten Rendite auch klappt? Einfache Online-Rechner zeigen: Wenn wir 25 Jahre investieren müssten wir 387,61 Euro monatlich anlegen, um diese Summe für den Ruhestand zu haben. Ohne Anfangs- kapital. Wir haben eine Rendite von 5,5 Prozent unterstellt. Nach Inflation (die in den vergangenen 20 Jahren bis 2021 im Mittel bei 1,5 Prozent lag) ist das eine realistische Hausnummer.

Aber wie wahrscheinlich sind solche Rechnungen wirklich? Schließlich sagen die Renditen aus der Vergangenheit nichts über die Zukunft. Außerdem sind hier ja viele Parameter nicht berücksichtigt. Zum Beispiel die Volatilität. Und die ist ein wichtiger Faktor. Börsen schwanken nun mal und zwar unterschiedlich stark. Ein weiterer Faktor: die Kosten. Auch die summieren sich über die Zeit. Wir berücksichtigen diese 250.000 Euro und keine staatliche Rente oder anderes Passiveinkommen wie Mieterträge.

Mit Monte Carlo zu Gewissheit

Graben wir also tiefer und schauen, wie viel wir investieren müssen, damit unser Portfolio von heute auch der Erwartung an morgen standhält. Wissenschaftliche Methoden helfen hier bei der Berechnung. Eine davon ist die Monte-Carlo-Simulation. Nicht einfach. Nicht fehlerfrei. Aber ein Anhaltspunkt. Bei der Geldanlage ermöglicht die Monte-Carlo-Simulation Rückschlüsse, mit welcher Wahrscheinlichkeit welche Renditen erzielt werden können. Dazu braucht es eine Vielzahl an Parametern zur Berechnung, und selbst dann hat die Methode noch Schwächen: Sie kann nicht berücksichtigen, wann Kursverluste eintreten, nur DASS sie eintreffen.

Bauen wir uns dazu zunächst ein fiktives Musterportfolio. Hinweis: Das ist keine Anlage-Empfehlung. Es ist ledig- lich ein Beispiel. Unser Musterportfolio besteht aus einem globalen Industrieländer-Aktien-ETF (70 Prozent) und einem Dax-ETF (30 Prozent). Das ist ein risikoreiches, offensives Depot nur aus Aktien, aber breit diversifiziert, was eben ETFs in dieser Dimension ermöglichen.

Nichtsdestotrotz müsste in der Realität das Risiko breiter gestreut werden, je nach Risikoneigung mit Immobilien (als Wohneigentum, Vermietungsobjekt oder Anlage-Produkte wie ETFs) oder Rohstoffen, Währungen oder auch Edelmetallen.

Exkurs zu Gold

Achtung, Edelmetalle: In Deutschland kann man Gold nicht im ETF-Mantel handeln, lediglich als ETC (dazu gleich mehr). Der Grund: ETFs, die sich nur auf ein einziges Asset beziehen, sind verboten. Das gilt übrigens auch für Kryptowährungen. Im Fall von Gold handelt es sich daher immer um ETCs, also Exchange Traded Commodities. Die sind zwar so einfach wie ein ETF handelbar, sind aber rechtlich betrachtet Schuldverschreibungen. Das bedeutet: Als Anleger hat man hier nicht die gleiche Sicherheit wie bei einem ETF. Denn: Denn die Anlegergelder in einem ETF stellen immer Sondervermögen dar und sind bei einer Insolvenz des Anbieters geschützt.

Schluss mit dem Exkurs, zurück zum eigentlichen Thema. Wir betrachten nun den Zeitraum von Januar 1999 bis Juni 2022, fast 23 Jahre. Wir legen eine TER von 0,30 Prozent p. a. zugrunde und jährliches Rebalancing. Wir besparen kostenfreie ETFs. Steuern bleiben unberücksichtigt. Dividenden werden reinvestiert. Hätten wir nun monatlich 200 Euro plus 10.000 Euro Einmalanlage in dem genannten Zeitraum investiert, wären das in Summe 66.400 Euro bis jetzt. Der Wert des Portfolios stünde heute bei 160.571 Euro.

Und was bringt die Zukunft für dieses Portfolio? 

Zuerst werden Durchschnitt und Standardabweichung des Portfolios berechnet. Anschließend wird eine Folge von Monatsrenditen generiert, indem wiederholt Stichproben gezogen werden. Das wird für jeden Bestandteil im Portfolio umgesetzt und ergibt eine mögliche künftige Entwicklung. Der Vorgang wird 600 Mal wiederholt und so erhält man verschiedene mögliche Zukunftsszenarien für das Portfolio.

Die gute Nachricht: Die Charts zeigen, auf Basis der historischen Daten könnte dieses Portfolio auf Sicht von 20 Jahren die angestrebten 250.000 Euro überflügeln. Aber das ist das optimistischste Szenario. Das Perzentil Average bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ein Depotwert von 211.065 Euro innerhalb von 30 Jahren möglich ist. Wir wollten aber 250.000. Nicht so einfach.

Ein Perzentil „Great“ (97,7 Prozent) ermöglicht ein Kapital von 557.499 Euro vor Steuern, also kaum wahrscheinlich. Auch „Good“ (84,1 Prozent) bedeutet, dass nur 15,9 Prozent Wahrscheinlichkeit besteht, ein Depot von 326.709 Euro zu erreichen. „Bad“ (15,9 Prozent) Wahrscheinlichkeit für 128.919 Euro und „Very bad“ (2,3 Prozent) für 79.967 Euro. Also ist es nicht sicher machbar, nach 30 Jahren Anlagehorizont 250.000 Euro zu haben. Wir erhöhen die monatliche Sparrate auf 250 Euro: Man kann im Laufe der Zeit, wenn man mehr verdient, mehr vom Einkommen investieren. In unserem Fall geht die Rechnung mit höherer Sparrate auf – und das bei nur durchschnittlicher Wahrscheinlichkeit. Mit 50 Prozent Durchschnittswahrscheinlichkeit sind 248.132 Euro gut erreichbar.

Doch wie viel Geld kann man aus dem Portfolio wie lange entnehmen, ohne dass es ausgeht?

Frauen werden im Schnitt gut 83,4 Jahre alt und Männer 78,5 (Quelle: Destatis). Die 250.000 Euro Altersvorsorge müssen also mindestens 16 bzw. 11 Jahre reichen, vorausgesetzt man geht nicht früher in Rente. Nehmen wir 20 Jahre an, eine Entnahme von jährlich 20.000 Euro, wobei dann das Kapital aufgezehrt sein soll. Wir berücksichtigen die jährlichen ETF-Kosten, die Steuerlast und die Inflation. 

1.666 Euro pro Monat entnehmen – möglich, aber nicht sicher

Eine Summe von 1.666,66 Euro pro Monat wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent als Entnahmeziel erreicht. Bei einer mittleren Entwicklung, die die blaue Linie verdeutlicht, blieben sogar noch 97.475 Euro übrig. In schlechteren Szenarien kann es aber passieren, dass das Kapital bereits nach 13 Jahren aufgezehrt ist. Es ist aber zu 50 Prozent wahrscheinlich, dass das Ergebnis im dunkelgrauen Bereich liegt. Das würde bedeuten, dass das Kapital wahrscheinlich reicht.  Fazit: Es ist selbst mit 250.000 Euro nicht gesichert, dass die Rente auskömmlich verläuft.

Tipp: ETF-Empfehlungslisten – hier findest du die besten ETFs zu allen wichtigen Anlageklassen.

Hemdsärmelige Regeln lassen noch weniger Entnahmen zu

Auch eine recht hemdsärmelige Regel wie die bekannte 4-Prozent-Regel bestätigt die mageren Aussichten. Nach dieser Regel könnte man nur 10.000 Euro pro Jahr, also 833,33 Euro pro Monat, für den Ruhestand entnehmen, wenn man 250.000 Euro Kapital hat. Bei dieser Regel ist die Voraussetzung, dass das Depot einen Aktienanteil von mindestens 50 Prozent hat. Das war in unserem Muster-Portfolio mehr als gegeben. Trotz einer wesentlich höheren Aktienquote in unserem Muster-Portfolio kann man aber nicht mehr als vier Prozent pro Jahr entnehmen. Man muss nämlich in dieser Rechnung die Inflation berücksichtigen. Die lag in den vergangenen 20 Jahren bis 2021 bei 1,5 Prozent in Deutschland im Schnitt und ist derzeit wie bekannt viel höher. Außerdem gilt es hier noch, die Steuer zu berücksichtigen. Die war in der ersten Simulation auch schon einberechnet.

Was bringen diese Simulationen?

Doch was bringen diese Regeln und Simulationen? Sie sind doch recht vage, die Szenarien liegen je nach Wahrscheinlichkeit weit auseinander. Nun, immerhin lässt sich ungefähr ermitteln, ob man mit seinem Kapital später über die Runden kommt. Ungefähr! Nicht mehr und nicht weniger. Zugleich ist es eine große Herausforderung, heute berechnen zu wollen, wie hoch die Kosten „später“ sein werden. Einerseits sorgen Eltern irgendwann nicht mehr für ihre dann erwachsenen Kinder und sparen hier viel ein. Andererseits entstehen neue Kosten etwa für Gesundheit und Pflege. Die lassen sich noch gar nicht realistisch beziffern. Zumal auch niemand von uns weiß, ob und wie fit er bzw. sie im Alter sein wird. Als Faustformel gilt: Die jährlichen Ausgaben multipliziert mit dem Faktor 25 ergeben das Kapital, mit dem man angeblich auskömmlich leben kann. Also, wenn im Monat 2.000 Euro Kosten auflaufen und 24.000 Euro pro Jahr, braucht man 600.000 Euro über den Daumen, um davon leben zu können. Eine hohe Summe. Dafür wären 250.000 Euro also viel zu wenig. Wie so oft kommt es auf die individuellen Bedürfnisse an.

Auf den Zinseszins bauen

Und außerdem sind in den Simulationen keine staatliche Rente und andere Einnahmen berücksichtigt. Darüber hinaus empfiehlt es sich, möglichst lange auf den Zinseszins zu setzen statt zu früh Geld aus dem Portfolio zu entnehmen. Der Zinseszins funktioniert umso besser, je länger er wirken kann. Wer relativ kurz Geld anlegt, benötigt eine hohe Summe, um den gleichen Effekt zu erzielen wie mit einem langen Spar- und  Anlagehorizont.

Fazit

250.000 Euro reichen in den meisten Fällen nicht, um auskömmlich zu leben, auch wenn die Kosten für später heute schwer einzuschätzen sind. Wie viel Vermögen du individuell benötigst, solltest du also frühzeitig berechnen. 

Tipp: Du möchtest vorsorgen? Hier gelangst du zum Vorsorgerechner von extraETF.