13. Juni 2022
Sicherer Hafen Gold – nicht mehr gut gegen Inflation?

Sicherer Hafen Gold – nicht mehr gut gegen Inflation?

Die Inflation ist hoch. Lange hat die Europäische Zentralbank gezögert, die Preissteigerungen mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Doch im Juli steigen die Zinsen. Im September vielleicht noch stärker. Gold fällt nun weiter. Aber war das nicht immer unser sicherer Hafen?

Gold-Anlegerinnen und -anleger waren verwöhnt – zumindest in den vergangenen drei Jahren. Da hat sich das Edelmetall um fast 40 Prozent nach oben katapultiert. Doch in diesem Jahr geht es deutlich ruppiger zu. Inflation und Rezessionssorgen lassen die Kurse von Aktien, Anleihen, Kryptos und auch Gold purzeln. Allein in den letzten drei Monaten fällt Gold um gut sieben Prozent. Im April war es noch rekordverdächtige 2.050 US-Dollar teuer. Und jetzt steigen auch noch die Zinsen. Zum ersten Mal seit elf Jahren!

So viel schon einmal vorweg: In der Vergangenheit wurde eine Rezession häufig durch Zinserhöhungen ausgelöst. Ohnehin leidet die Wirtschaft weiter unter Lieferengpässen, der Ukraine-Krieg tobt weiter, und China ist nur zum Teil aus dem Lockdown raus, aber noch nicht mit Corona über den Berg.

Gold leidet unter US-Dollar und Kapitalmarktzinsen

Schon klar, dass wir Gold da als sicheren Hafen betrachtet haben. Und uns jetzt wundern, warum das Edelmetall so unbeeindruckt von der irren Inflation ist. Immerhin, in Euro hat Gold etwas zugelegt, weil der Euro zum US-Dollar abgewertet hat. Und genau dieser starke Anstieg des Dollar ist einer der Gründe, dass Gold nicht richtig vom Fleck kommt, sagt Michael Blumenroth, Rohstoff- und Devisen-Spezialist der Deutschen Bank. „Aufgrund seines festen Kurses wird Gold für Anleger:innen oder Schmuckkäufer:innen außerhalb des US-Dollar-Währungsraumes teurer.“ Das ist aber nicht der einzige Grund:

„Die Preise werden zudem auch durch den Anstieg der Kapitalmarktzinsen, insbesondere in den USA und seit kurzem auch in Europa, belastet“, erklärt Michael Blumenroth. Weil die US-Notenbank FED und die Europäische Zentralbank EZB durch Leitzinserhöhungen die Inflation senken wollen, steigen die Realzinsen deutlich. Aber: „Je höher Realzinsen sind, also Nominalzinsen minus der erwarteten Inflation, desto attraktiver werden Staatsanleihen – die ebenso wie Gold als „sichere Häfen“ betrachtet werden – relativ zu Edelmetallen wie Gold oder Silber: vor allem US-Staatsanleihen.“

So ein bisschen Zinserhöhung?

Aber mal ein bisschen volkswirtschaftliches Nachdenken an dieser Stelle: Was kann sich die EZB überhaupt an Zinserhöhungen leisten? „So wie ein bisschen Putzen die Wohnung nicht sauber macht, ist ein bisschen Zinserhöhung noch keine Stabilitätspolitik“, sagt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarkt-Strategie der Baader Bank. Es gehe um das Wieviel. Da falle es ihm aber schwer zu glauben, die EZB einen radikalen geldpolitischen Wechsel einläutet. „Die EZB wird die Sozialarbeiterin Europas bleiben.“

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Achtung, neue Schuldenkrise

Ginge es nach der Wirtschaft Deutschlands, Finnlands, der Niederlande oder Österreichs, wären die Zinsen schon viel höher. Aber: „Europa ist nur so stabil wie ihr schwächstes Glied.“ Und es gäbe nun mal einige muskelschwache Länder. „Würde man ihnen das Stützkorsett der geldpolitischen Planwirtschaft komplett wegnehmen, geriete so manches überschuldete romanische Euro-Land in arge Finanznot.“

Wir sehen bereits diese Angst am Anleihenmarkt: Die Renditen von Italien und Spanien steigen und steigen. Wenn sich das fortsetzt, riskiert Europa womöglich die nächste Schuldenkrise. Robert Halver meint, dass die EZB dann lieber mehr Inflation hinnehmen wird.

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Fazit

Gold hat Federn gelassen inmitten der Krise – aber weniger stark als andere Vermögenswerte. Kurzfristig kann der Goldpreis unter Druck bleiben, weil die Notenbanken die Zinsen erhöhen.