28. November 2018
Viele Deutsche bilden ihre Rücklagen falsch.

So bilden Anleger Rücklagen

Ob Wohnungsreparatur oder eine Steuernachzahlung: Der Notgroschen für unvorhersehbare Ereignisse muss her.

Doch wie viel Geld sollten Verbraucher nun zurücklegen und wo ist dieses Kapital am sinnvollsten aufgehoben? Eines vorab: Wer darüber hinaus Rücklagen aufbauen möchte – sei es für die Rente oder das eigene Heim –, sollte auf andere Strategien zurückgreifen. Denn einen Vorwurf müssen sich viele Bundesbürger gefallen lassen: Sie arbeiten zwar viel für ihr Geld, lassen ihr Geld aber nicht arbeiten.

„Sparen. Geschichte einer deutschen Tugend“, lautet der Titel einer Ausstellung, die im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen war. Die zentrale These: Die Deutschen legten in den vergangenen hundert Jahren immer jede Menge Geld zurück, egal wie gewinnbringend es sich herausstellte. Was früher galt, ist heute nicht anders. Deutsche Privathaushalte packen so viel Geld auf die hohe Kante wie noch nie. Laut Bundesbank stieg das Geldvermögen der privaten Haushalte zu Beginn des Jahres 2018 auf das Rekordhoch von 5,8 Billionen Euro. Die Sparquote der Deutschen wird im laufenden Jahr nach einer Prognose der DZ-Bank knapp die Zehn-Prozent-Marke überschreiten. Das heißt: Von 100 Euro verfügbarem Einkommen legen die Bundesbürger zehn Euro zurück. Sie sparen damit deutlich mehr als etwa Briten oder US-Amerikaner.

Dabei hat der Sparweltmeister unterschiedliche Ziele vor Augen. 57 Prozent geben an, für den Konsum zu sparen, so das Ergebnis einer Umfrage des Verbands der Privaten Bausparkassen. Etwa jeder Zweite investiert in seine Altersvorsorge. Und rund ein Drittel der deutschen Sparer möchte mit dem Geld Wohneigentum erwerben oder sein Heim renovieren. Auf Platz sechs der Sparmotive rangiert mit vier Prozent der berühmte Notgroschen, also die Rücklage für jene unvorhersehbaren Ereignisse, bei denen schnell und unkompliziert Geld benötigt wird. D kann die Autoreparatur genauso sein wie eine unangenehme Steuernachzahlung.

Sicher ist sicher?

Die eiserne Reserve gilt unter vielen Bundesbürgern als unverzichtbar. So empfehlen Verbraucherschützer in der Regel, drei Nettomonatsgehälter zur Seite zu legen. Dies gilt jedoch nur als grober Richtwert. Denn je nach Einkommen und Familiensituation kann diese Summe variieren. Bei Familien mit Kindern oder Immobilienbesitzern fallen im Schnitt häufiger ungeplante Ausgaben an als bei kinderlosen Paaren und Singles, dementsprechend sollte der Notgroschen bei ihnen etwas höher sein. Wichtig ist, dass der Sparer im Fall der Fälle rasch an sein Geld kommt.

Wo also das Geld bunkern? Um das Sparbuch oder Girokonto sollten Sparer aus Rendite-Gesichtspunkten einen Bogen machen. So liegt der Durchschnittszins für das klassische Sparbuch derzeit bei rund 0,1 Prozent. Eine Minirendite, die weit unter der Inflationsrate von 2,5 Prozent rangiert. Etwas höher ist die Verzinsung von Tagesgeldkonten, die damit eine etwas bessere Anlageform für die eiserne Reserve darstellen. Gegen Festgeld mit seinen höheren Renditen spricht hier die mangelhafte Verfügbarkeit. Eine Alternative könnten börsengehandelten Indexfonds mit einem hohen Anleiheanteil sein: Diese ETFs sind in der Regel renditeträchtiger als Tagesgeld, können praktisch jederzeit zu Geld gemacht werden – und die Reserve ist dank der Anlage in Anleihen vergleichsweise sicher investiert.

Kapital schmilzt dahin

Doch die Deutschen neigen nicht nur in puncto Notgroschen zu niedrig verzinsten Anlagen. Laut Bundesbank liegen hierzulande 2,3 Billionen Euro auf weitgehend zinslosen Bankkonten und bescheren den Sparern Jahr für Jahr reale Vermögensverluste. Nach Berechnungen der Bundesbank betrug die Gesamtrendite, die ein durchschnittlicher Privathaushalt erzielte, Anfang 2018 minus 0,8 Prozent. Und ein Ende dieser schwindsüchtigen Entwicklung ist erst einmal nicht in Sicht: Die Europäische Zentralbank hat das Zinstief bis mindestens „über den Sommer 2019“ festgeschrieben. „Die Deutschen arbeiten für ihr Geld, aber sie lassen ihr Geld nicht arbeiten“, so der Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise bei der Präsentation des neuesten „Allianz Global Wealth Reports“. Denn im internationalen Vergleich bleiben die Pro-Kopf-Geldvermögen hinter den Werten anderer Länder zurück. Ein Grund: Im Ausland ist die Präferenz für niedrig verzinste Bankeinlagen weniger stark ausgeprägt. Dafür stehen dort Sachanlagen, beispielsweise über Investmentfonds, stärker im Fokus. So legten in den USA, einem Land mit einer positiveren Aktienkultur, laut „Allianz Global Wealth Report“ die Vermögen 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent zu.

Da geht deutlich mehr

Um in Zukunft besser dazustehen, ist eine Anlage in Wertpapiere ratsam. Auf lange Sicht haben Sparer damit gute Chancen, attraktive Erträge zu erwirtschaften. Besonders unkompliziert geht das mit ETFs, die einen bestimmten Marktindex abbilden – und damit das Geld der Sparer je nach Index in zahlreiche Branchen und Regionen anlegen. Neben der breiten Streuung warten ETFs noch mit einem weiteren Plus auf: Sie sind im Vergleich zu klassischen Fonds günstiger. Da sie auf ein teures Management, das den Fonds lenkt, verzichten, fallen ihre Gebühren wesentlich niedriger aus.

Kein Wunder, dass selbst bei den aktienscheuen Deutschen die Lust auf ETFs wächst: 2017 erreichte das Anlagevolumen bei den sieben größten Direktbanken mit insgesamt knapp 14,1 Milliarden Euro einen neuen Rekordstand – ein Plus von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch nach Einschätzung der Bundesbank wächst ihre Bedeutung: „ETFs weisen in den vergangenen Jahren sehr dynamische Wachstumsraten auf und sind damit an den Finanzmärkten zunehmend von Relevanz.“ Vielleicht lassen sich damit die deutschen Anleger weiter aus der Reserve locken – damit sich der Sparweltmeister in Zukunft etwas für seinen Titel kaufen kann.