16. September 2022
Vermögen in Deutschland: Wie reich sind wir wirklich?

Vermögen in Deutschland: Wie reich sind wir wirklich?

Energiekrise und Inflation schüren die Sorgen um den Erhalt unseres Vermögens. Das Geld auf dem Konto scheint nur so dahinzuschmelzen. Doch wie viel Vermögen haben die Deutschen tatsächlich? 

Eine kürzlich veröffentlichte Studie kommt zu dem Fazit: Die Deutschen sind reicher als gedacht. Besonders die Vermögenswerte aus den Bereichen Immobilien und Betriebsvermögen wurden bisher geringer geschätzt. Wo steckt das Kapital genau und wie hat es sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten entwickelt? Was verrät der Blick in die Glaskugel?

Unternehmen und Immobilien

Die Studie „Wealth and Its Distribution in Germany, 1895-2018“ stammt von den Vermögensforschern Thilo N. H. Albers, Charlotte Bartels, Moritz Schularick von der Berliner Humboldt-Universität, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Universität Bonn. Sie haben die Vermögensentwicklung der Deutschen von 1895 bis 2018 untersucht. Dazu haben sie „Steuer- und Archivdaten, Haushaltsbefragungen, historische volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen und Vermögenslisten“ kombiniert.

Die Forscher fanden heraus, dass sich das Kapital der wohlhabendsten Deutschen vor allem durch gestiegene Unternehmensvermögen erhöht hat, das der Mittelschicht eher durch Immobilienwerte. Wichtig ist: Bei der Berechnung dieser Vermögensarten setzten die Ökonomin und die Ökonomen neue Maßstäbe an. Das führt zu deutlich höheren Werten für Immobilien und Betriebe. Bisher wurden Immobilien nach dem Einheitswert berechnet, den das Bundesverfassungsgericht 2018 für verfassungswidrig erklärt hat. 2019 ist daher die Grundsteuerreform in Kraft getreten. Unter anderem aus diesem Grund haben die Vermögensforscher andere Faktoren zur Schätzung hinzugezogen.

Das Ergebnis: Die Deutschen besitzen Immobilien, die insgesamt ca. zehntausend Milliarden (zehn Billionen) Euro wert ist. Das sind zwei Billionen Euro mehr, als es Statistiken bisher ausweisen. Auch beim Betriebsvermögen rechneten sie anders. Die Schätzung des gesamten Unternehmensvermögens der deutschen Haushalte ergibt nach ihren Berechnungen rund 4.000 Milliarden (vier Billionen) Euro.

Reiche werden reicher

Diejenigen, die Immobilien oder Betriebe besitzen, verfügen nach der Studie also über deutlich mehr Vermögen. Deswegen ist es unrealistisch zu sagen, die Deutschen seien allgemein reicher als bisher angenommen. Schließlich besitzt nicht jeder von uns ein Haus oder ein Geschäft – die Haupttreiber der erhöhten Vermögenswerte. Es wundert nicht, dass sich das Vermögen der reicheren 50 Prozent unserer Bevölkerung seit der Wiedervereinigung nahezu verdoppelt hat. Das reale Vermögen derjenigen, die unter der 50 Prozent-Linie liegen, stagniert jedoch. Ihr Anteil am Gesamtvermögen hat sich nach Aussagen der Vermögensforscher seit 1990 sogar halbiert. Er liegt jetzt nur noch bei 2,8 Prozent.

Der Anteil der reichsten Deutschen, der oberen 1 Prozent, beträgt hingegen derzeit mit 27 Prozent fast das Zehnfache. Nachdem der Wert früher einmal bei 50 Prozent lag und schließlich bis auf 20 Prozent fiel, lässt die steigende Tendenz darauf schließen, dass die Schere zwischen arm und reich wieder größer wird.

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Vermögen ist ungleich verteilt

Auch die Deutsche Bundesbank wirft regelmäßig einen Blick auf unsere Finanzen. Sie ermittelt im Drei-Jahres-Turnus die Vermögenswerte privater Haushalte. 2017 äußerten sich 9710 Personen aus 4942 privaten Haushalten in persönlichen Interviews zu ihren finanziellen Verhältnissen. In die Studie, die bereits zum dritten Mal durchgeführt wurde, fließen neben Wohneigentum, Bankguthaben und Fahrzeugen auch Ansprüche aus Renten- und Lebensversicherungen ein. Schulden und Hypotheken werden abgezogen.

Die aktuelle Studie aus 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass die deutschen Haushalte 2017 über ein durchschnittliches Nettovermögen von 232.800 Euro verfügten. Der Median, also der statistische Mittelwert, liegt bei nur 70.800 Euro Nettovermögen. Daraus resultiert für die Bundesbank: Das Vermögen der Deutschen ist ungleich verteilt. Voraussichtlich 2023 wird es die nächste Studie der Bundesbank zu den Vermögenswerten privater Haushalte geben. Vermutlich wird der Trend sich dann bestätigen: Die Reichen werden reicher, die Armen werden es nicht.