25. Januar 2013
Huefner Wochenkommentar

Verschenkter Wohlstand = Aktienkurse und Börsenumsätze

Für Anleger war 2012 ein gutes Jahr, für Börsen und Banken ein schlechtes. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise würde man erwarten, dass bei steigenden Börsenkursen mehr und mehr Anleger auf den fahrenden Zug springen und von höheren Preisen für Aktien profitieren wollen. Das war aber offenbar nicht der Fall. Der deutsche Aktienindex DAX erhöhte sich im Jahresverlauf um fast 30 Prozent. Die Umsätze an den Börsen und bei Brokern und Banken gingen dagegen deutlich zurück. Die Zahl der gehandelten Kontrakte von DAX-Futures (als Proxy für die Börsenumsätze) beispielsweise ist an der Eurex von Januar bis Dezember um rund ein Drittel eingebrochen. Das gilt übrigens nicht nur für die Eurex. Ähnliches ist auch in Amerika beim S&P 500 und beim Euro Stoxx 50 zu beobachten. Wie kommt das?

Hüfner 24012013Ich habe mir dazu einmal die Entwicklung bei den DAX-Futures an der Eurex in den letzten zwanzig Jahren angeschaut (siehe Grafik). Von dem Ergebnis war ich selbst überrascht. (Ich danke Philip Seegerer für die Hilfe bei den Zahlen und die Beratung bei der Interpretation).

 

Kursbewegungen und Börsenumsätze haben wenig miteinander zu tun

Zwei Punkte sind interessant: Erstens haben die Kursentwicklung des DAX und die Bewegung der Börsenumsätze auf lange Sicht relativ wenig miteinander zu tun. Die Börsenumsätze haben sich erhöht, sowohl wenn der DAX gestiegen als auch wenn er gefallen ist. Das Gleiche gilt auch für Zeiten sinkender Umsätze. Die Erfahrung des letzten Jahres ist also grundsätzlich nichts Ungewöhnliches. Sie war nur besonders stark ausgeprägt.

Auf den ersten Blick kann man das leicht erklären. Die Börsenumsätze umfassen sowohl Käufe als auch Verkäufe. Es liegt nahe, dass es bei steigenden Kursen mehr Käufe gibt und bei fallenden Kursen mehr Verkäufe.

Darüber hinaus spielt hier aber auch noch etwas anderes eine Rolle. Das Herdenverhalten, über das immer wieder geklagt wird, ist offenbar nicht so groß wie vielfach gedacht. Wenn die Kurse nach oben gehen, kommen nicht immer mehr Anleger auf den Markt, um Aktien zu kaufen. Die Umsätze steigen nicht. Das ist bis zu einem gewissen Grad ein gutes Zeichen. Die Anleger sind klüger und vorsichtiger, als viele meinen.

Volumenbruch durch die Finanzkrise

Zweitens ergibt sich aus der Grafik, dass es in der Entwicklung der Börsenumsätze in den letzten 20 Jahren einen Bruch gibt. Bis 2007/2008, also dem Beginn der weltweiten Finanzkrise, sind die Volumina permanent angestiegen. Seitdem wird an der Eurex im Schnitt weniger gehandelt.

Das hängt zum Teil damit zusammen, dass es inzwischen eine Reihe von alternativen Handelsplattformen gibt, die der Eurex insgesamt Geschäft weggenommen haben. Hinzu kommt aber noch etwas anderes. Seit der Krise haben sich einige Anlegergruppen zurückgezogen. Die Versicherungen haben ihr Aktienengagement durch die verschärften regulatorischen Vorschriften von Solvency zurückgeführt (sie müssen inzwischen mehr Eigenkapital für Aktien vorhalten). Privatanleger sind vorsichtiger geworden. Ich hatte vor einigen Wochen berichtet, wie sie ihr Aktienengagement verringert haben.

Viele Gründe für den Rückgang

Es sieht so aus, als habe sich diese Entwicklung in den letzten eineinhalb Jahren deutlich beschleunigt. Die Börsenumsätze gehen drastisch zurück. Das kann man jetzt nicht mehr allein mit der Vorsicht der Anleger erklären. Hier spielt vielmehr eine Rolle, dass die Banken ihren Eigenhandel deutlich abbauen. Auch die Hedge-Fonds halten sich im Handel stärker zurück.

Der Rückgang der Börsenumsätze bei steigenden Aktienkursen ist insgesamt keine gute Entwicklung. Wenn die Umsätze an den Börsen zurückgehen, sinkt die Liquidität und die Schwankungen nehmen zu. Genau das war in den letzten Jahren zu beobachten. Seit 2008 gab es beim DAX zwei tiefe Einbrüche (2008/9 und 2011) und zwei größere Aufwärtsentwicklungen. So viel Volatilität hat es früher nicht gegeben.

Und noch eins: Anleger haben die Zeit niedriger Zinsen nicht dazu genutzt, mit verstärkten Investition in Dividendenpapiere eine bessere Rendite zu erzielen. Sie bleiben vielmehr in Termineinlagen und in festverzinslichen Wertpapieren. Das ist nicht nur schade für sie selbst, es ist auch volkswirtschaftlich ein Problem. Die positive Kursentwicklung am Aktienmarkt geht an wichtigen Teilen der Volkswirtschaft vorbei. Sie führt nicht dazu, dass das Geldvermögen der privaten Haushalte steigt (und sie damit zu mehr Konsum anregt). Auch die Unternehmen haben nichts davon (was unter anderem die Schwäche der Investitionen in letzter Zeit erklärt). Vom Aktienmarkt gehen damit keine positiven Impulse auf die Wirtschaftsentwicklung aus. Hier funktionieren offenbar die marktwirtschaftlichen Reflexe nicht mehr. Das ist ein Problem für die Banken und Börsen; sie müssen sich etwas einfallen lassen, um die Kunden zu halten. Es ist aber auch ein wirtschaftspolitisches Problem.

Für den Anleger

Es ist gut, die Risiken im Kopf zu haben. Man sollte nicht vergessen, dass die Kurse derzeit historisch gesehen bereits sehr hoch sind. Andererseits wäre es falsch, sich zu sehr aus dem Aktienmarkt zurückzuziehen. Man vergibt die Chance, sich an der Wohlstandsentwicklung des Aufschwungs zu beteiligen. Schließlich: Schauen Sie sich zur Beurteilung der Aktienentwicklung von Banken und Börsen an, was diese Institutionen tun, um der Entwicklung entgegenzuwirken.

© 23. Januar 2013 /Martin Hüfner