5. April 2018
Die Rechtsanwälte Ingo Wegerich und Rolf Kobabe über die steuerliche Problematik außereuropäischer ETFs.

Vorsicht bei USA-ETFs

Einige Broker zeigen sich bedeckt, wenn es sich um den Handel von ETFs mit US-ISIN geht. Handelbar sind sie in den meisten Fällen dennoch. Wir fragen bei den Rechtsanwälten Ingo Wegerich und Rolf Kokabe nach, die für die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig sind.

Herr Wegerich, ETF-Produkte wie etwa auf Lithium oder Marihuana sind zwar an vereinzelten deutschen Börsen handelbar. Doch solche Produkte ohne Vertriebszulassung in Deutschland bzw. mit US-ISIN sind für Privatanleger steuerlich schwierig, oder? Wie genau stellt sich in diesen Fällen die Problematik dar?

Ingo Wegerich: Schon die Besteuerung von Fonds im Inland ist eine ausgesprochen komplexe Materie, die noch dazu mit dem Investmentsteuergesetz 2018 in weiten Teilen neu strukturiert wurde. Hintergrund der Novellierung der Investmentbesteuerung war im Kern, grundsätzlich alle Fonds, egal wie sie strukturiert sind, gleich zu besteuern. Ebenso sollte möglichst sichergestellt werden, dass ein Investment in einen Fonds nicht anders besteuert wird, als ein Direktinvestment. Dies wurde nun durch komplexe Regel-Ausnahmebestimmungen, Anrechnungen und Freistellung versucht zu erreichen. Bei Fondsprodukten ohne Vertriebszulassung in Deutschland dürfte schon das Risiko bestehen, dass diese nach dem Investmentsteuerrecht nicht als Investmentfonds anerkannt werden, so dass Anrechnungen und Freistellungen nicht greifen und im Ergebnis insofern eine ´Doppelbesteuerung´ auf Fondsebene wie auf Anlegerebene stattfindet.

Rolf Kobabe: Hinzu kommt, dass bei Fonds mit Bezug zu den USA davon auszugehen ist, dass Quellensteuer einbehalten und an die US-amerikanischen Finanzbehörden abgeführt wird. Prinzipiell ist es zwar möglich im Rahmen des zwischen den USA und Deutschland getroffenen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) zu viel gezahlte Steuern auf Antrag von den US-amerikanischen Finanzbehörden erstattet zu bekommen. Allerdings dürfte der zeitliche und damit auch finanzielle Aufwand zur erfolgreichen Durchführung einer solchen Erstattung in den wenigsten Fällen in einem akzeptablen Verhältnis zu dem zu erwartenden Erstattungsbetrag stehen.

Auf was sollten Anleger solcher ETFs achten?

Ingo Wegerich: Wenn es aussagekräftige und verständliche Verkaufsunterlagen (Prospekt, Produktinformationsblatt) gibt, sollte auf die Darstellung der steuerlichen Grundlagen besonders geachtet werden. Hieraus sollte sich ergeben, ob und inwiefern eine Besteuerung auf Fondsebene und auf Anlegerebene in Deutschland stattfindet, ob und inwiefern eine Besteuerung auf Fondsebene und ggf. sogar auf Anlegerebene außerhalb Deutschlands stattfindet und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine Mehrfachbesteuerung zu vermeiden.

Was droht Anlegern solcher Produkte im schlimmsten Fall?

Rolf Kobabe: Unabhängig davon, dass bei Fondsprodukten ohne Vertriebserlaubnis in Deutschland in jedem Fall das Risiko besteht, dass die Anlegerschutzmechanismen des europäischen Investmentrechts nicht greifen, wird im schlimmsten Fall damit zu rechnen sein, dass auf Fonds- und Anlegerebene eine Mehrfachbesteuerung ohne die Möglichkeit auf etwaige Anrechnungen stattfindet.

Würden Sie Anlegern grundsätzlich von Produkten abraten, die keine Vertriebszulassung in Deutschland oder eine US-ISIN haben?

Rolf Kobabe: Auf jeden Fall muss man sich der bereits genannten Risiken bewusst sein und bereit sein, diese zu tragen.Eine fehlende Vertriebserlaubnis ist nicht notwendiger Weise ein Indiz für leichtfertige oder intransparente Initiatoren. Umgekehrt ist es aber auch nicht unmöglich, für jeden Fonds, der die gesetzlichen Anforderungen des deutschen bzw. europäischen Investmentrechts erfüllt, eine entsprechende Vertriebserlaubnis zu erlangen, wenn dies auch für den Initiator einen zusätzlichen, ggf. nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Es kann aber eben auch sein, dass die fehlende Vertriebserlaubnis ein Ausdruck dafür ist, dass jedenfalls aus Sicht des deutschen bzw. europäischen Gesetzgebers der Fonds für einen Privatanleger nicht geeignet ist. Gleichwohl kann natürlich auch eine Dokumentation für den Fonds vorliegen, die der Dokumentation eines deutschen oder europäischen Produkts (Verkaufsprospekt, Produktinformationsblatt bzw. wesentliche Anlegerinformation und ab 31. Dezember 2019 Basisinformationsblatt, Jahres- und/oder Halbjahresberichte) in nichts nachsteht. Allerdings wird diese aller Voraussicht nach eher in englischer Sprache verfasst sein, was wiederum zumindest bei einigen Anlegern auf Schwierigkeiten stoßen dürfte.

Ingo Wegerich: Man sollte sicherlich auch darauf achten, wo der Fondsverwalter bzw. der Broker domiziliert ist. Sollte es zu einem Schadenfall kommen, lassen sich diese bei deutschen bzw. europäischen Unternehmen ggf. noch einigermaßen verlässlich verfolgen. Sollte man jedoch darauf angewiesen sein, Ansprüche in den USA oder gar Offshore zu verfolgen, tut man wohl besser daran, nicht noch weiteres Geld in eine Anspruchsverfolgung zu investieren, sondern den Schaden als Verlust zu verbuchen und abzuhaken. Insofern würde ich von einem solchen Investment sicherlich eher abraten.

Herr Wegerich, Herr Kobabe, vielen Dank für das Gespräch.

Lesetipp: Einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema können Sie in der April-Ausgabe des EXtra Magazins lesen.

(Anmerkung der Redaktion: Die genannten Aspekte gelten auch für ETFs mit kanadischer ISIN-Kennung)