10. März 2021
Greenwashing soll in der Finanzindustrie schon bald Vergangenheit sein.

Wie die EU das Greenwashing von Fonds und ETFs verhindern will

Wo Nachhaltigkeit draufsteht, soll Nachhaltigkeit drin sein. Doch das ist in der Finanzindustrie nicht immer der Fall. Die EU möchte dem sogenannten Greenwashing jetzt einen Riegel vorschieben. Kann das funktionieren?

53 Billionen US-Dollar. Das ist laut Prognosen von Bloomberg der Betrag, der spätestens im Jahr 2025 in nachhaltig verwalteten Investments angelegt sein wird. Aktuell sind es noch etwa 38 Billionen. Die Zahlen zeigen: Nachhaltigkeit in der Geldanlage ist nicht nur ein Trend. Sie ist auf dem besten Weg, zum neuen Standard zu werden. 

Doch es gibt dabei ein großes Problem. Wie die Produktanbieter, also ETF-Emittenten und Fondsgesellschaften in puncto Nachhaltigkeit wirklich aufgestellt sind, lässt sich derzeit nicht genau messen. Es fehlen einheitliche Definitionen und Standards dafür.

Greenwashing als Risiko

Das bedeutet: In Finanzprodukten, auf denen heute „Nachhaltigkeit“ draufsteht,  muss nicht zwingend auch Nachhaltigkeit drin sein. Es fehlt an verbindlichen Kriterien für „ESG“ – also Umwelt (E), Soziales (S) und gute Unternehmensführung (G).  Das ermöglicht die Gefahr des  sogenannten „Greenwashing“. Also sich nachhaltig zu präsentieren, aber nicht entsprechend zu handeln bzw. zu investieren. 

Die EU hat sich des Themas angenommen. Ab dem 10. März ist die EU-Offenlegungsverordnung in Kraft, nach der Fondsanbieter in den Prospekten ausweisen müssen, ob ein Fonds nachhaltig ist oder nicht. Dafür existieren nun feste Definitionen. Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten, nachhaltige Produkte zu klassifizieren. Der Artikel 8 der Offenlegungsverordnung umfasst Finanzprodukte, die bestimmte Mindest-ESG-Faktoren integrieren. Dies beinhaltet unter anderem den Ausschluss von Rüstungsgütern oder Verstöße gegen Menschenrechte. Der Katalog ist relativ lang und umfangreich. Damit wird Greenwashing so gut wie unmöglich. 

Artikel 9 geht sogar noch einen Schritt weiter. Produkte, die in diese Kategorie fallen, sollen eine nachhaltige Finanzwirkung haben, also einen sogenannten Impact. Damit ist ein messbares Nachhaltigkeitsziel verbunden. Wie sich dies umsetzen lässt, ist derzeit noch unklar und wird in der Branche diskutiert. Ohnehin gibt es in einigen  Punkten noch Unklarheiten. „Die Offenlegungsverordnung verweist an einigen Stellen auf delegierte Rechtsakte.  (….) Diese sind aber noch nicht unter Dach und Fach, sondern werden erst nach und nach im Laufe des Jahres 2021 verabschiedet“, schreibt die Bafin.

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Strenge Vorgaben von den Verbänden

Die langfristigen Ziele hingegen sind klar: Eine bessere Vergleichbarkeit von nachhaltigen Investmentprodukten, den Aufbau eines Benchmarking-Systems sowie die Beseitigung von Greenwashing. 

Das Thema ist der Branche offenbar ernst. In Deutschland haben der Fondsverband BVI, die Kreditwirtschaft und der Deutsche Derivate Verband für die Anlageberatung ein etwas weitergehendes Konzept für einen Marktstandard ausgearbeitet. Dies ist zwar noch nicht verabschiedet, hat jedoch auf die Anbieter, zum Beispiel die ETF-Emittenten, durchaus Einfluss. Es ist denkbar, dass ein Fonds oder ETF im Produktprospekt als Artikel-8- oder Artikel-9-konform ausgewiesen wird, aber nicht die Kriterien des Verbändekonzepts für ESG- oder Impact-Produkte für die Anlageberatung erfüllt. Dann dürfte das Produkt in Deutschland nicht als nachhaltige Geldanlage verkauft werden.

In der Beratung bald ein Muss

Auch auf Vermögensverwalter und Banken hat die Offenlegungsverordnung Auswirkungen. Bislang müssen Finanzdienstleister, die Anlageberatung- oder Portfolio-Management anbieten, von ihren Kunden nur ökonomische Informationen wie etwa Erfahrung mit Finanzinstrumenten, Risikoprofil, Anlageziele und finanzielle Verhältnisse einholen. Voraussichtlich ab 2022 müssen die Vermögensverwalter ihre Kunden zusätzlich aktiv danach fragen, ob ihre Kunden „eine Nachhaltigkeitspräferenz haben“. Falls ja, müssen sie ein für den Kunden geeignetes Produkt auswählen.

„Sicherlich ist es sinnvoll, dieses Thema in der Finanzbranche zu etablieren. Die Umsetzungsvorgaben sind aber in vielen Teilen schwammig  formuliert. Dies zeigt auch etwas die Ratlosigkeit des Gesetzgebers zu diesem Thema“, sagt Bernd Heimburger, Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Gies & Heimburger. Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP, sieht dies ähnlich. „Der Verbraucher wird mangels eines einheitlichen Verständnisses des Begriffes Nachhaltigkeit in der Regel den Überblick verlieren und sich schlussendlich dann doch wieder mit seinem Vermögensverwalter individuell beraten. Die Gefahr ist, dass die Zwangsinformationen für den Verbraucher immer mehr werden und sich diese keiner mehr durchliest, wie dies auch bei den AGBs der Fall ist“, sagt Wieser. 

Eine Regelung, die ebenfalls erst ab 2022 gilt, betrifft regelmäßige Berichte der Unternehmen über die ökologischen Merkmale ihrer Investitionsentscheidungen und Produkte. Auch haben Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern nach wie vor die Flexibilität zu begründen, weshalb Nachhaltigkeitskriterien bei Investitionsentscheidungen noch keine Berücksichtigung erfahren.

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