29. September 2017
Betriebsrentenstärkungsgesetz hilft kleinen und mittlere Unternehmen kaum

Betriebsrentenstärkungsgesetz hilft kleinen und mittlere Unternehmen kaum

Vera Moll über das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz

Für Unternehmen, die sich am Arbeitsmarkt interessant machen wollen, ist die betriebliche Altersversorgung, kurz bAV, ein hervorragendes Instrument, um Mitarbeiter gewinnen und langfristig binden zu können. Doch kleine und mittlere Unternehmen nutzen bislang kaum die bAV. Die neuen Regelungen ab 2018 werden daran wohl wenig ändern.

Laut Angaben der Allianz Lebensversicherung haben derzeit rund 60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Deutschland eine Betriebsrente. Das sind Ende 2015 rund 15,3 Millionen und damit mehr als doppelt so viele wie 2001.

Bei Arbeitnehmern mit geringem Einkommen sowie bei kleineren und mittleren Unternehmen gibt es jedoch Nachholbedarf. Hier liegt der Anteil der Mitarbeiter, die eine Betriebsrente aufbauen, bei gerade einmal 19 Prozent. Das soll mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz anders werden. Es soll über vor allem für tarifgebundene Unternehmen attraktiver werden, eine Betriebsrente anzubieten. Auch steuerliche Anreize gerade für Geringverdiener sind in dem neuen Gesetz enthalten. Schließlich wird es bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Freibeträge geben.

Ob jedoch die vorgeschlagene tarifvertragliche Lösung mit einer reinen Beitragszusage (das sogenannte Sozialpartnermodell) zu mehr bAV führt, ist fraglich. Denn anders als bisher soll für die aus dieser Beitragszusage finanzierte Leistung weder der Arbeitgeber noch der in die Finanzierung eingebundene Versorgungsträger einstehen. Zwar könnten Tarifverträge auf einen Schlag die bAV für eine gesamte Branche regeln und auf nicht-tarifgebundene Unternehmen ausstrahlen, aber das Sozialpartnermodell wirft dennoch zahlreiche Fragen auf.

Denn die eigentliche Zielgruppe, die zu fördernden kleinen und mittleren Unternehmen, sind häufig nicht tarifvertraglich gebunden. Weitere Konkretisierungen und womöglich Nachbesserungen sind notwendig, um die Komplexität des Gesetzes zu mildern. Praktisch wichtige Änderungen für bestehende bAV-Systeme wurden mit dem Gesetz nicht berücksichtigt.

Arbeitnehmer haben seit 2002 das gesetzlich verankerte Recht, Teile ihres Bruttogehalts bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze steuer- und sozialabgabenfrei in eine Betriebsrente einzuzahlen. Aktuell für 2017 sind das 3.048 Euro.

Der Vorteil: Durchschnittsverdiener sparen fast 50 Prozent der Beiträge, da ihr Nettoaufwand entsprechend geringer ist. Der dadurch mögliche höhere Sparbeitrag und die in der Regel niedrigere Steuerbelastung in der Rentenphase führen meist zu einer deutlich höheren Nettorente im Vergleich zu einer alternativen Vorsorge. Hilft der Arbeitgeber finanziell mit, lohnt sich die Betriebsrente umso mehr. Ab 2018 soll dieser Beitrag um weitere steuerfreie vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erhöht werden können, auf die dann jedoch Sozialabgaben anfallen.

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Für Arbeitgeber ist es sinnvoll, sich entsprechend aufzustellen. Trifft der Arbeitgeber keine Wahl, kann jeder Arbeitnehmer die Modalitäten selbst festlegen. Der Arbeitgeber muss dann nach dem Betriebsrentengesetz für diese Wahl einstehen. Mit einer unternehmensspezifischen Lösung wird dagegen die Basis für alle Mitarbeiter geschaffen.

Dem Arbeitgeber stehen fünf Durchführungswege zur Auswahl. Zum einen kann er die Versorgungszusage unmittelbar erteilen. In diesem Fall spricht man von einer Direkt- oder Pensionszusage. Zum anderen kann er die bAV über einen externen Versorgungsträger abwickeln. Hierfür stehen die Direktversicherung, die Pensionskasse, der Pensionsfonds und die Unterstützungskasse als Durchführungswege zur Verfügung. Bei der insbesondere bei kleineren und mittelständischen Unternehmen weitverbreiteten Direktversicherung schließt der Arbeitgeber eine Lebensversicherung für seine Arbeitnehmer ab.

Mit dem anstehenden Betriebsrentenstärkungsgesetz wird ab 2018 Tarifpartnern ein weiterer Weg in der betrieblichen Altersversorgung offen stehen: Die sogenannte Zielrente sieht, anders als die bisherigen Modelle, keine Garantien und Mindestleistungen, sondern lediglich die Beitragszahlung in die betriebliche Altersversorgung vor. Die Zielrente leistet im Alter ausschließlich Rentenleistungen.

Einer der größten Vorteile der betrieblichen Altersvorsorge als Entgeltumwandlung liegt in der Einsparung bei den Sozialabgaben und Steuern. Arbeitnehmer müssen die Beiträge nicht aus dem bereits versteuerten Brutto aufbringen. Diese gehen vielmehr von ihrem Bruttogehalt ab. Die Ersparnis hat zur Folge, dass ein Teil der Beiträge durch den Staat finanziert wird.

Dadurch, dass auf den umgewandelten Teil des Gehalts keine Sozialabgaben erhoben werden, schrumpfen gegebenenfalls die Ansprüche, die später an die gesetzliche Rentenversicherung erhoben werden können. Mit einem Zuschuss des Arbeitgebers werden im Falle einer Rentenzahlung die Nachteile der bAV aufgewogen. Mit dem neuen Betriebsrentenstärkungsgesetz werden zukünftig Arbeitgeber zu einem Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent verpflichtet, soweit der Arbeitgeber aus der Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge spart.

Vera Moll ist Expertin für betriebliche Altersversorgung bei der NOVETHOS Financial Partners GmbH in München.