22. Juni 2016
Stefan Wallrich

Brexit: Wayne Rooney wird's schon richten

Am 23. Juni werden die Briten über den Austritt aus der Europäischen Union (Brexit) abstimmen. Noch ist das Ergebnis relativ offen. Letztendlich könnte die Treffsicherheit von Wayne Rooney und seinen englischen Nationalmannschaftskollegen bei der Europameisterschaft in Frankreich den Ausschlag geben.

EM 2016 könnten über Brexit entscheiden

Als England 1966 Fußballweltmeister wurde, brüstete sich der damalige Premierminister Harold Wilson damit, dass dies bisher nur unter einer Labour-Regierung gelungen sei. Da war es nur konsequent, dass er im Juni 1970 sein Amt nach vorgezogenen Neuwahlen aufgeben musste. Schließlich war die englische Mannschaft nur wenige Tage zuvor bei der Weltmeisterschaft in Mexiko im Viertelfinale gegen Deutschland ausgeschieden.

Eine ähnliche Abhängigkeit droht nun David Cameron. Sollten Stürmerstar Rooney mit seinen Mannen und vielleicht auch noch das walisische und das nordirische Team bei der Fußball-EM in Frankreich bereits in der Vorrunde scheitern, wird dies den EU-Plänen des Tory-Premiers sicherlich keinen Rückenwind geben. Ein glanzvolles Weiterkommen der Three Lions könnte dagegen eine Jubelstimmung erzeugen und sich positiv auf die Abstimmung auswirken.

Nun bewegen uns diese statistisch wenig validen Zusammenhänge nicht dazu, die Spielstärke der britischen Spieler näher unter die Lupe zu nehmen. Viel wichtiger ist die Auseinandersetzung mit den Folgen eines möglichen Brexits.

Der Internationale Währungsfonds sieht in einem möglichen Austritt Großbritanniens eine „erhebliche Bedrohung der globalen wirtschaftlichen Stabilität.“ Ein solcher Schritt hätte wahrscheinlich langwierige Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU über die Neuordnung der Beziehungen zur Folge. Ähnlich warnende Worte kommen vom ifo Institut. Im schlimmsten Fall würde der Freihandel gestoppt, die Binnenmarktregeln verfallen, Zollschranken würden wiedererrichtet. Dabei wird allerdings meist der Worst Case beschrieben. Im Falle eines Falles sind Zwischenlösungen deutlich wahrscheinlicher.

Die EU-Privilegien werden erst nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren wegfallen. Das schafft Raum für Verhandlungen, an deren Ende sehr viel moderatere Lösungen stehen könnten. Großbritannien bliebe Teil des europäischen Binnenmarktes, weite Bereiche des EU-Rechts wären nach wie vor verbindlich, die Personenfreizügigkeit würde bestehen bleiben. In einigen Bereichen, wie Fischerei und Landwirtschaft, würde London unabhängiger werden. Der Mitsprache bei EU-Entscheidungen wären dafür enge Grenzen gesetzt.

Die EU wird nach dem Brexit nicht untergehen

Klar ist, dass weder die Welt noch die EU nach einem Brexit untergehen werden. Die direkten wirtschaftlichen Folgen sollten überschaubar bleiben. Auch die langfristigen Folgen eines Brexits für die Kapitalmärkte dürften sich in Grenzen halten. Dafür könnte es mit Näherrücken des Abstimmungstermins zu erhöhter Volatilität bei europäischen und insbesondere bei britischen Aktien kommen. Bei einem Ausschlagen der Meinungsumfragen Richtung Austritt dürfte sich die aktuelle Schwäche des Pfundes wohl nochmals verstärken. Beides gilt erst recht für den Fall, dass es tatsächlich zu einem Brexit kommt. Der hätte eine längere Unsicherheitsphase zur Folge. Zudem haben die großen Ratingagenturen bereits angekündigt, dass es zu einem Downgrade britischer Staatsanleihen kommen wird.

Stefan Wallrich ist Vorstand der Wallrich Asset Management AG in Frankfurt/Main.