29. April 2014
tsunami

Credit Trusts – die Kanarienvögel in der Kohlemine?

In China braut sich ein Kredit-Tsunami zusammen: Immer mehr Firmen haben Probleme, Darlehen fristgerecht zu bedienen.

Und viele Unternehmen verschulden sich zunehmend über ihre ausländischen Tochtergesellschaften. Kommt es hier zu Zahlungsausfällen, kann das weltweit eine unheilvolle Kettenreaktion auslösen.

Adam Golombek  
Adam Golombek  

Erinnern Sie sich noch an Bear Sterns? Das war jene US-Investmentbank, bei der sich 2007 zwei ihrer Hedgefonds mit Subprime-Hypotheken verspekulierten. 1,6 Milliarden Dollar standen damals auf dem Spiel – eine relativ kleine Summe, wenn man die Größe der weltweiten Finanzmärkte bedenkt. Und doch entpuppten sich die Fonds als „Kanarienvögel in der Kohlemine“: Sie waren die ersten Opfer der Finanzkrise, die ein Jahr später das westliche Bankensystem an den Rand des Abgrunds brachte.

Szenenwechsel ins China des Jahres 2014: Dort haben Investoren über sogenannte Trusts rund 1,7 Billionen Dollar in Anlageprodukte gesteckt. Nach Schätzungen werden allein in diesem Jahr 40 Prozent dieser Anlagen fällig. Doch 2014 ließ sich für diese Schattenbanken gar nicht gut an: Zunächst zahlte der China Credit Trust seine Anleger nicht aus, weil der Kohlebergbauer Shanxi Zhenfu einen Kredit über 500 Millionen Dollar nicht bedienen konnte. Nun steht ein weiterer Fonds mit 120 Millionen Euro im Zahlungsverzug – ironischerweise (Kanarienvogel) geht es erneut um eine Kohlebergbaufirma.

Nach offiziellen Zahlen haben die chinesischen Trusts 35 Prozent des Geldes in den Branchen Infrastruktur, Energie, Bergbau und Immobilien angelegt – Sektoren, die unter starken Überinvestitionen leiden, wie die vielen Geisterstädte und Brücken nach nirgendwo belegen. Chinas Politiker und Notenbanker stecken dadurch in einem Dilemma: Helfen sie Not leidenden Fonds aus der Klemme, ermutigen sie die Anleger zum „moral hazard“ – also zum Eingehen überhöhter Risiken in dem Wissen, dass ihnen im Notfall geholfen wird. Lassen sie einen Trust pleitegehen, riskieren sie, dass die Anleger panisch werden, ihr Geld zurückhaben wollen und niemand mehr investiert.

Zu allem Überfluss sind die chinesischen Schattenbanken nicht der einzige Gefahrenherd, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich jüngst dargelegt hat: Viele Unternehmen aus Schwellenländern, vorrangig aus China und Brasilien, verschulden sich immer mehr im Ausland. Sie haben die Niedrigzinsen in den Industrienationen genutzt und an den internationalen Rentenmärkten Anleihen, meist in niedriger verzinslichen Fremdwährungen, begeben – oft über Tochtergesellschaften außerhalb des Mutterlandes.

Von 2010 bis Mitte 2013 sollen die Unternehmen auf diese Weise 410 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten angehäuft haben – das entspricht nahezu 50 Prozent der ausstehenden Anleihen der Corporates aus Schwellenländern. Diese Verknüpfung macht diese Ökonomien weitaus verwundbarer für Bewegungen an den internationalen Finanzmärkten als bisher – etwa wenn die Zinsen in den Industrieländern steigen, oder wenn die Fremdwährung, in der die Anleihe begeben wurde, gegenüber der EM-Währung zulegt. Beide Male kann dies die Unternehmen der Schwellenländer wie auch die dortigen Ökonomien erheblich unter Druck setzen.

Unser Fazit:

Die Kreditsituation in China und anderen EM ist an einem kritischen Punkt angelangt. Kommt es zu einer Häufung von Zahlungsausfällen, wird es für viele Schwellenländer trotz hoher Devisenreserven eng. In diesem Fall sind erhebliche Rückwirkungen auf die Industrieländer zu befürchten – schließlich machen die EM bereits mehr als ein Drittel des Welt-Bruttoinlandsprodukts aus. Anleger sollten sich daher aktuell eher defensiv positionieren. Sinnvoll erscheinen Unternehmen mit einer günstigen Bewertung im Verhältnis zum Buchwert und einem hohen freien Cashflow sowie Investments im Goldsegment.