28. Oktober 2013
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Die Leistungsbilanz ist die Achillesferse der Schwellenländer

Die Spekulationen hinsichtlich einer Verlangsamung der Anleihekäufe („Quantitative Easing 3″) durch die amerikanische Notenbank noch in diesem Jahr haben bereits zu einem kräftigen Zinsanstieg geführt.

Die langsam beginnende Rückkehr der Fed zur geldpolitischen Normalität löste jedoch auf der anderen Seite der Welt einen massiven Einbruch von einigen bedeutenden Schwellenländerwährungen aus. Erinnerungen an die Asienkrise von 1997/98 werden wach. Schon damals zeigte sich, dass die Leistungsbilanz (Handelsbilanz) der Schwellenländer eine entscheidende Bedeutung für die lokale als auch globale Wirtschaft hat. Hohe Defizite wurden aufgebaut und durch Kapitalzuflüsse aus den Industrienationen finanziert.

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Jörg Franzen  

Die Niedrigzinspolitik der führenden Industrienationen zur Bekämpfung der globalen Finanzkrise hat viele Investoren in den letzten Jahren zu Kapitalanlagen in Schwellenländern veranlasst, um von den höheren Renditen dort zu profitieren. Selbst Bonitätszweifel, strukturelle Schwächen oder schwierige politische Verhältnisse konnten die Anleger auf der Suche nach Rendite nicht stoppen. Dieser Kapitalzufluss hat die Schwellenländerwährungen unter Aufwertungsdruck gesetzt und verschlechterte damit deren Exportwirtschaft. Insbesondere Länder mit einem hohen Leistungsbilanzdefizit profitierten von den Kapitalzuflüssen der letzten Jahre. Umgekehrt fließt nun wieder Kapital aus den Schwellenländern ab, vor allem in die USA, nachdem durch den Zinsanstieg dort wieder attraktivere Renditen zu erwarten sind. Dieser Kapitalabfluss, welcher durch die Konflikte im Nahen Osten (Türkei, Ägypten, Syrien) und generelle Wachstumssorgen in den Schwellenländern verstärkt wurde, reicht nicht mehr aus, um das hohe Leistungsbilanzdefizit auszugleichen. Folglich wertet die Währung dieser Länder ab. Besonders betroffen sind Indien, Indonesien, Brasilien oder die Türkei. Die Abwertung der türkischen Lira wurde darüber hinaus durch die geopolitischen Risiken (Protestwelle, gemeinsame Grenze zu Syrien) und durch den Anstieg des Ölpreises verstärkt. Sie verlor rund 12 Prozent im Vergleich zum Euro, was die Importe für das rohstoffarme Land verteuert und die Inflationsgefahr erhöht. Aber auch die indische Rupie verlor etwa 15 Prozent gegenüber dem Euro und offenbarte die Abhängigkeit von ausländischem Geld.

Im Gegensatz zu früheren Krisen, als feste Wechselkurse die Regel waren, haben die Länder jetzt die Möglichkeit, die Währung kontrolliert abwerten zu lassen. Darüber hinaus sind heute die Schwellenländer deutlich weniger in Fremdwährungen verschuldet und ihre Zentralbanken haben beachtliche Devisenreserven angesammelt. Somit sind diese Länder robuster als in den 90er-Jahren und die Gefahr, dass die Währungskrise zur flächendeckenden Schuldenkrise wird, ist bedeutend geringer. Dennoch geht eine Abwertung der Währung mit Wohlstandsverlusten und einer steigenden Inflation einher.

Sollen Anleger in Zukunft lieber die Hände von Investitionen in Schwellenländer lassen? Dies kann man aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Länder nicht pauschalisieren. Der Sammelbegriff „BRIC“ ist jedenfalls „out“ und ein selektives Vorgehen „in“. Nachdem die Wachstumsraten die schwindelerregenden Höhen wieder verlassen haben, kommen nun auch wieder Risiken an das Tageslicht und müssen neu bewertet werden. Die hohen Leistungsbilanzdefizite einiger Länder haben dies gezeigt.