17. August 2017
Mythos langfristiger Anlagehorizont

Mythos langfristiger Anlagehorizont

Spricht man mit Anlageberatern, rückt der langfristige Anlagehorizont schnell in den Vordergrund. Dabei gehören kurzfristiges Denken und Handeln zum menschlichen Wesen.

Nicht zuletzt der größte Investor aller Zeiten – Warren Buffett – predigt den langfristigen Blick am jährlichen Woodstock of Capitalism in Omaha. Die Vorteile liegen auf der Hand: Anleger profitieren vom Zinseszinseffekt und der langfristigen Akkumulation von Kapital. Ein langer Anlagehorizont ermöglicht es, temporäre Verluste auszusitzen. Nicht zuletzt profitieren sie vom langfristigen Wachstum der Weltwirtschaft und vermeiden das nervenaufreibende, kurzfristige und unvorhersehbare Auf und Ab an den Märkten.

Doch wie sieht es in der Praxis aus?

Die durchschnittliche Haltedauer von Aktien ist massiv zurückgegangen: von über
sechs Jahren in den 1950er und 1960er Jahren auf heute nur noch wenige Monate. Die Verfügbarkeit von Informationen, der erleichterte Zugang zu Börsen und ganz grundsätzlich die breite Masse an privaten Investoren sind hier als Treiber zu nennen.

Es wird viel mehr gehandelt: Als Beispiel lassen sich die Handelsvolumina des Vanguard
S&P 500 ETF anführen. Täglich erreicht das Handelsvolumen zehn Prozent der Assets –
für einen passiven Anlagefonds ein sehr hoher Umschlag.

Nicht zuletzt tragen die tägliche Berichterstattung in den Medien und die kurzfristig
orientierten Reports der Banken zu kurzfristigem Denken und Handeln bei. Dabei sind
sogenannte Year-to-Date-Betrachtungen meist nicht nützlich oder sogar unproduktiv. Sie verleiten zur kurzfristigen Renditeoptimierung mit oftmals unerwünschtem und
unschönem Ausgang.

Auch wenn es nicht zu optimalen Ergebnissen führt – kurzfristiges Denken und Handeln ist Teil der menschlichen Konstitution. Was tun? Zweigleisig fahren! Den überwiegenden Teil des Anlagevermögens in eine langfristige Strategie investieren, die systematisch umgesetzt und nur periodisch – beispielsweise einmal oder zweimal jährlich – angeschaut wird.

Einen kleineren Teil des Anlagevermögens für Anlageideen bereitstellen. Hier ist kurzfristiges Handeln sogar gewollt.

So kombinieren Sie die Vorteile einer langfristigen Anlagestrategie mit dem menschlichen Bedürfnis für kurzfristiges Handeln und der Teilhabe an der Börse. Sie begrenzen jedoch den potenziellen Schaden, den Sie durch kurzfristiges Handeln anrichten können.

Über den Autor:

Dr. Patrick Cettier ist geschäftsführender Partner bei der Prio Partners GmbH in Zürich.