24. Oktober 2019
Rezessionsängste und steigende Kurse

Rezessionsängste treiben die Kurse an

Der Run auf Rentenpapiere ist absurd. Die 100-jährige österreichische Anleihe, die einen Coupon von zwei Prozent abwirft, war mit über 80 Prozent Kursanstieg seit Jahresbeginn nicht nur das beste Investment im Zinsbereich, sondern übertraf selbst den Aktienmarkt. Die Flucht in Anleihen könnte aber noch eine Weile weitergehen.

Die Angst vor einer Rezession ist unter Anleiheinvestoren offensichtlich besonders ausgeprägt. Wenn es hart auf hart kommt, sind Anleihen die sicherere Alternative im Vergleich zu Aktien. Bei Zinspapieren von soliden Staaten und Unternehmen gehen Anleger davon aus, dass der Schuldner das geliehene Geld zurückzahlt. Hier gibt es letztlich nur leichte Unterschiede, die sich im Euro-Raum an den Risikoaufschlägen zu Bundesanleihen und in den USA an den Aufschlägen zu US-Staatsanleihen zeigen. Die Abstriche selbst durch eine negative Verzinsung nehmen Anleger, die eine Rezession fürchten, in Kauf, weil sie bei einem Wirtschaftseinbruch bei Aktien noch viel mehr Geld verlieren würden.

Die meisten Ökonomen glauben zwar noch nicht, dass eine Rezession unmittelbar bevorsteht. Doch Stimmungsindikatoren wie der fallende Ifo-Index, sinkende Einkaufsmanagerindizes und rückläufige Auftragseingänge verheißen nichts Gutes. Viele europäische Unternehmen haben ihre Gewinnerwartungen schon deutlich reduziert.

Anzeichen einer möglichen Rezession

Aber Rezessionsängste kommen zunehmend auch in den USA auf. Denn dort rentieren kurzlaufende Geldmarktpapiere höher als Anleihen, die erst in zehn Jahren zurückgezahlt werden. Der Abstand ist so groß wie zuletzt vor zwölf Jahren. Üblicherweise verlangen Investoren für langfristige Anleihen mehr Zinsen als für kurzfristige, weil mit der Laufzeit die Risiken steigen. Dreht sich dieses Verhältnis um, spricht man von einer inversen Zinskurve. Sie gilt an den Finanzmärkten als Warnsignal für eine kommende Rezession – und verstärkt so die Unsicherheit.

Einer der Auslöser für die Rezessionsängste ist das große Hin und Her in der Politik. Mal geht es um den Brexit, mal um den Handelsstreit zwischen USA und China, der sich immer weiter zuspitzt und die Devisenmärkte in Atem hält. US-Präsident Donald Trump droht mit immer noch höheren Strafzöllen auf chinesische Importe. China will im Gegenzug keine Agrarprodukte mehr aus den USA importieren.

Der Freihandel zwischen den beiden Ländern käme damit komplett zum Erliegen. Der Handel zwischen USA und China ist ohnehin bereits schon stärker eingebrochen als während der Finanzkrise. In unserer globalisierten Welt mit ihren Verflechtungen und Lieferketten trifft das die Wirtschaft hart. Falls der Gordische Knoten zwischen den beiden Kampfhähnen nicht doch noch gütlich gelöst werden sollte, wird eine Rezession für Europa und wahrscheinlich auch für die USA kaum noch zu vermeiden sein.

Maßnahmen und Chancen

Die Notenbanken haben auf die sich verschlechternden Wirtschaftsdaten reagiert und die Kehrtwende in ihrer Geldpolitik weg von höheren hin zu niedrigeren Zinsen eingeleitet. Formell berufen sich die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) dabei auf die gesunkene Inflation, die sie zum Handeln zwingt. Die Fed hat Ende Juli zum ersten Mal seit zehn Jahren die Leitzinsen gesenkt. Fed-Chef Jerome Powell hielt sich mit der Ankündigung weiterer Zinssenkungen zwar noch zurück, aber Investoren spekulieren weiter darauf. Im Euro-Raum hat die EZB ihren Basiszins nochmals abgesenkt und das Anleihekaufprogramm wieder aufleben lassen.

Am Anleihemarkt geht es institutionellen Investoren wie zum Beispiel Fonds weniger darum, ihr Kapital zu erhalten. Sie spekulieren vor allem auf Kursgewinne. Die Ängste vor einer Rezession, die verunsichernden Tweet-Attacken von Donald Trump und die Hoffnung auf billiges Geld der Notenbanken – das alles lässt Investoren darauf hoffen, dass die Kurse noch weiter steigen.

Dabei sind die bisherigen Kursgewinne erschreckend hoch – und illustrieren ihrerseits die Blasenbildung. Das gilt besonders dann, wenn man sich lang laufende Anleihen ansieht, bei denen die Kurse stärker schwanken als bei Kurzläufern. Der Kurs der 30-jährigen deutschen Bundesanleihe ist seit Jahresanfang um rund 25 Prozent gestiegen. In den USA stieg der Kurs der 30-jährigen Anleihe um 15 Prozent. Das sind Wertzuwächse, wie man sie sonst nur vom Aktienmarkt kennt. Lang laufende Staatspapiere haben zum Teil mehr zugelegt als zum Beispiel der DAX, dessen Jahresplus auf aktuell immerhin gute 15 Prozent kommt.

Unsere Einschätzung: Kurzfristig ist bei Bundesanleihen nicht zu erkennen, dass der Trend zu negativen Renditen zum Stillstand kommt. Auch bei US-Anleihen scheint es nur eine Frage der Zeit, bis neue historische Tiefs markiert werden. Für Privatanleger macht ein Zins *-Investment aktuell keinen Sinn – im Gegenteil: Wer die Staatsanleihen bis Endfälligkeit hält, macht bei Minusrenditen einen garantierten Verlust und nimmt auch noch erhebliche Kursrisiken während der Laufzeit in Kauf.

Über den Autor: Dr. Marc-Oliver Lux

Dr. Marc-Oliver Lux ist Geschäftsführer der Dr. Lux & Präuner GmbH in München.

Tipp: Warum man beim Investieren nicht alles auf eine Karte setzen sollte, erfahren Sie in unserem Wissensbeitrag zum Thema Diversifikation.