22. August 2017
Robert W. Wilson - Börsenguru

Robert W. Wilson – Der Shortseller

Robert Waren Wilson wurde am 3. November 1926 in Detroit (Michigan) geboren. Zeit seines Lebens betrachtete er Spekulationsblasen sehr genau. Kurz bevor diese ihren Höhepunkt erreichten, lieh Wilson sich Aktien bei verschiedenen Börsenmaklern, nur um sie zu einem späteren Zeitpunkt und höheren Stand zu verkaufen. Nach einer scharfen Korrektur der Märkte kaufte er sie dann günstig zurück und beendete somit das Leihgeschäft. Wilson war dafür berüchtigt, dass seine Strategie nicht ausschließlich aus dem reinen Leerverkaufen einer Aktie bestand, sondern zusätzlich darin, nach dem ersten Kursrücksetzer einer Aktie die negativen Eigenschaften des verkauften Unternehmens hervorzuheben. So war das jeweilige Unternehmen überteuert, der Betrieb veraltet, das Management unfähig, der Wettbewerb zu hart oder die zukünftigen Kosten zu hoch.

Während Börsenmakler ihren Kunden das Unternehmen daraufhin als Schnäppchen anpriesen, verkaufte Wilson zeitgleich mit einer Reihe von Gleichgesinnten die Aktie massenhaft leer. Es machte sich Unruhe an der Börse breit und der Kurs sank immer schneller und weiter. Wilson konnte so seine geliehenen Aktien deutlich günstiger zurückkaufen und kam dadurch seinen Verpflichtungen nach.

Die Karriere des späteren Hedge Fund Managers war von einigen Stationen geprägt. Wilson studierte zunächst zwei Jahre Jura an der University of Michigan Law School und absolvierte anschließend ein Praktikum bei der First Boston Corporation. Während der Korea-Krise im Jahr 1951 wurde er eingezogen und verbrachte zwei Jahre bei der US-amerikanischen Armee.

Beginn der Börsenaktivität

Nach dem Ende seiner militärischen Dienstzeit arbeitete Wilson ein weiteres Jahr für die First Boston Corporation, bevor er schließlich in seine Geburtsstadt Detroit zurückzog. Dort war er fünf Jahre bei der National Bank of Detroit beschäftigt. Im Jahre 1958 ging er an die Wall Street und arbeitete zunächst für General American Investors und anschließend für A. G. Becker & Co. Zehn Jahre später wagt er den Schritt in die Selbstständigkeit und legte gemeinsam mit Freunden einen Hedgefonds auf, der zu Beginn rund drei Millionen US-Dollar bündelte. Im Zuge der Baisse fiel der Fonds teilweise um 38 Prozent und die Anleger zogen so viel Geld ab, dass nur noch 300.000 Dollar im Fonds vorhanden waren. Heute weist der Fonds ein Volumen von mehreren Milliarden US-Dollar auf.

Der Beginn seiner Börsenaktivitäten wurde von seinem Vater mit einem Betrag in Höhe von 15.000 US-Dollar, finanziert. Der Versicherungsagent für Feuer- und Unfallversicherung besaß einige Bankaktien, welche den Aktionär zu jener Zeit zur unbeschränkten Haftung verpflichteten. So waren die Aktionäre gegenüber den Kontoinhabern einzeln haftbar. Sollte also ein Aktionär insolvent gehen, fiel seine Haftung auf den Aktionär, von dem er die Aktien gekauft hatte, zurück. Diese damalige Gesetzgebung trieb den Vater im Zuge der Großen Depression in die Insolvenz. Dennoch konnte die Familie einen gewissen Lebensstandard beibehalten und den Sohn bei seinen anfänglichen Börsengeschäften unterstützen. Robert W. Wilson dankte es dem Vater, indem er das Startkapital anschließend an der Börse auf mehrere zehn Millionen US-Dollar vervielfachte.

Kultureller Lebensstil

Sein Vermögen nutzte Wilson nicht etwa für die Finanzierung eines verschwenderischen Lebensstils, vielmehr spendete er regelmäßig hohe Beträge an kulturelle Institutionen wie die Metropolitan Opera. Auch das Reisen war ihm eine große Freude. Seine Weltreise im Mai 1978 trieb ihn allerdings beinahe an den Rand des finanziellen Ruins. Als er seine Reise antrat, wähnte er sein Portfolio als ausgeglichen. Zudem wurden Long-Positionen durch Leerverkäufe abgesichert. Kurz vor seiner Abreise gab er in einem Interview freimütig zu, rund 200.000 Kaufverpflichtungen der Aktie von Resorts International, einem Casinobetreiber unter anderem in Atlantic City, zu besitzen und darüber nachzudenken, diese Position noch auszubauen. Solche Interviews ernteten häufig Kritik und brachten Wilson auch Ärger mit der Börsenaufsichtsbehörde. Es wurde vermutet, dass er einem Verfasser einer einflussreichen Kolumne Informationen zukommen ließ, um so die Meinung über bestimmte Wertpapiere zu beeinflussen. Darauf angesprochen entgegnete er, dass er jeden benutzen würde, um seine Long-Positionen nach oben und seine Short-Positionen nach unten zu treiben. Dabei wehrte er sich allerdings gegen den Vorwurf, Insiderinformationen weitergegeben zu haben.

Als er im Rahmen seiner Weltreise gerade in Europa weilte, erreichte ihn die Nachricht, dass eben jene Aktie sensationelle Erfolge erzielen konnte. Einige Anleger, die durch das Interview über seine Kaufverpflichtung unterrichtet waren, spekulierten darauf, dass sich Wilson bald mit Aktien eindecken würde und die Kurse aufgrund dessen weiter steigen würden. Nicht nur durch Spekulationen getrieben, sondern auch durch den fundamentalen Erfolg, legte die Resorts International-Aktie einen wahren Raketenanstieg hin. Wilson, mittlerweile im Orient, reagierte nicht und die Aktie notierte statt bei 20 Dollar, wie an seinem Abreisetag, bei mittlerweile 180 Dollar. An einem schlechten Tag verlor Wilson so rund eine halbe Million Dollar. Zusätzlich saß ihm die Bank im Nacken, die einen immer höheren Nachschuss forderte. Wilson gab schließlich nach und erteilte am 4. September den Auftrag, alle Resorts-Positionen auszugleichen.

Der Spekulant Wilson

Im Unterschied zu anderen Börsengurus besuchte Wilson die von ihm in den Fokus genommenen Unternehmen nicht selbst. Das Management bewertete er ebenfalls nicht und lange Abhandlungen über Aktien in den Zeitungen überflog er meist nur. Seine Ideen kamen fast ausschließlich von den Börsenmaklern und aus verschiedenen Konzepten, mit denen er arbeitete. Durch Unterhaltungen mit Kollegen und Banken, die seine Orders ausführten und Depots verwahrten, verschaffte er sich eine Meinung, die letztlich seine Handlungen prägte. Er fragte nach dem großen Ganzen, statt sich mit Details der Gesellschaft auseinanderzusetzen. Er selbst charakterisierte sich als langfristigen Händler und beschrieb damit eine maximale Haltedauer von rund einem Jahr. Lief eine Position gegen ihn, so trennte er sich schnell von ihr, was auch eine Folge des Verlustes im Zuge der Spekulation auf einen Abwärtstrend bei Resorts International war.

Wilson mochte besonders Aktien von Unternehmen, die etwas Neues und Innovatives machten. Dabei half ihm sein gewonnenes Gespür für die Märkte. So kaufte er Aktien, von denen er dachte, dass sie potenzielle Anleger in ein paar Monaten oder einem Jahr überzeugen werden. Er liebte es besonders, wenn die Makler den Kurs einer Aktie unnatürlich hochtrieben, und er so die Chance hatte, den Ballon platzen zu lassen und von Leerverkäufen, die er bereits eingegangen war, zu profitieren.

„The Giving Pledge“ ist wertlos

Im Jahr 1986 zog er sich schließlich aus dem Geschäft zurück und widmete sich fortan vermehrt der Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen. Beinahe sein komplettes Privatvermögen, welches im Jahr 2000 auf rund 800 Millionen US-Dollar geschätzt wurde, spendete er dabei zum Beispiel Katholischen Kirchen und Schulen, obwohl er selbst bekennender Atheist und offen schwul war. Auch Organisationen, die sich für den Erhalt der Umwelt stark machten, profitierten von seinen großzügigen Spenden. Aus einem E-Mail-Verkehr mit Bill Gates geht hervor, dass er das Wohltätigkeitsprojekt „The Giving Pledge“ für „praktisch wertlos“ hielt und er erteilte Gates einen deutlichen Korb, als dieser Wilson als weiteren Unterzeichner gewinnen wollte, und nahm sich der Verteilung seines Vermögens für wohltätige Zwecke selbst an.

Trauriges Ableben

Robert W. Wilson polarisierte aufgrund seiner unangepassten Art. Noch zu Lebzeiten vermachte er einen Großteil seines Vermögens Wohltätigkeitsorganisationen. Nachdem er einen zweiten Schlaganfall erlitten hatte und gesundheitlich enorm beeinträchtigt war, stürzte er sich am 23. Dezember 2013 im Alter von 87 Jahren, aus seiner Wohnung im 16. Stock des San Remo im New Yorker Stadtteil Manhattan. Sein kurzer Abschiedsbrief ist im Folgenden im Originalwortlaut abgedruckt: “I had a rewarding life. Thank you and goodbye to all my friends. Please make sure you cancel all my plans. Tell everyone what I did. I’m not ashamed of killing myself. Sell all my stuff.”

Die Inhalte zu diesem Beitrag stammen aus folgenden Quellen: