26. Januar 2021
Rückenwind für Schwellenländer-Anlagen.

Rückenwind für Schwellenländer-Anlagen

Attraktive Bewertungen für Schwellenländer-Investments. Diese Faktoren dürften die globalen Mittelzuflüsse sogar noch beschleunigen.

Das Zusammentreffen von expansiver Geldpolitik in den Industrieländern, anziehenden Rohstoffpreise und der wirkungsvollen Covid-19-Impfstoffe spült Kapital aus aller Welt in die Schwellenländer. Unseres Erachtens dürfte diese Dynamik die Bedenken hinsichtlich der inländischen Fundamentaldaten überwiegen und das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften wieder ankurbeln, was Vermögenswerten in Lokalwährung zugutekommt.

Schwellenländer nehmen Fahrt auf

Im Anschluss an globale Rezessionen nehmen die Kapitalströme in die Schwellenländer für gewöhnlich Fahrt auf. Überdies glauben wir, dass das Jahr 2021 zwar nicht frei von Risiken sein wird, aus mehreren Gründen aber dennoch Potenzial für neue Rekorde birgt. Ein Kommentar von Gene Frieda, Pramol Dhawan, Portfoliomanager für Schwellenländer bei Pimco.

Eine markante und synchrone Erholung ist zu erwarten

Infolge des wiederholten „Stotterns“ im Jahr 2020 dürfte der konjunkturelle Aufschwung 2021 in aller Welt schwungvoll und in hohem Maß synchron verlaufen. In den industrialisierten Volkswirtschaften wird sich die Verteilung der Impfstoffe voraussichtlich auf die erste Jahreshälfte konzentrieren, wobei sich die Regierungen verpflichtet haben, keine verfrühten Haushaltskürzungen vorzunehmen. In der Zwischenzeit wird die Inflation durch große Produktionslücken (Differenz zwischen tatsächlicher und potenzieller Wirtschaftsleistung) auf niedrigem Niveau verankert, was die Verpflichtung der Zentralbanken bekräftigt, ihre Geldschleusen weit geöffnet zu halten. Dies lässt wiederum darauf schließen, dass die Realrenditen in den Industrieländern über 2021 hinaus negativ bleiben.

Tipp der Redaktion: Hier finden Sie eine Auflistung von Aktien-ETFs auf Schwellenländer.

Die weltweite Produktion zeigt sich robust

In den Schwellenländern schlägt sich das weltweite Produktionswachstum tendenziell verstärkt nieder. So lebte das Produktionswachstum nach dem ersten Lockdown wieder deutlich auf und blieb auch während der zweiten und dritten Ansteckungswellen robust. Selbst wenn die Binnennachfrage im Zuge der aufflackernden Corona-Pandemie und der weniger umfangreichen Hilfsprogramme relativ schwach bleibt, sind viele Schwellenländer gut positioniert, um von einem robusten globalen Produktionszyklus und einem künftigen Impuls infolge von aufgestauter Nachfrage zu profitieren, wenn sich die Mobilität wieder normalisiert.

Ein schwächerer US-Dollar bringt das Wachstum der Schwellenländer in Schwung

Eine Abwertung des Greenback – die einem Anstieg der Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer gleichkommt – treibt die Preise von auf US-Dollar lautenden Exportgütern der Schwellenländer in die Höhe und befähigt sie, auf US-Dollar lautende Schulden zurückzuzahlen. Unter sonst gleichen Bedingungen sollte das Zusammentreffen hoher Mittelzuflüsse, gestiegener Exportpreise und gelockerter Finanzbedingungen das Wachstum der Schwellenländer beflügeln.

Der expansivere Kurs der US-Notenbank flutet die Schwellenländer mit Kapital

Wie stichhaltige empirische Nachweise belegen, gehen allgemeine politische Kurswechsel der Federal Reserve – approximiert durch den kurzfristigen Schattenzins* – rund drei Viertel der Veränderungen bezüglich der Kapitalzuflüsse in die Schwellenländer voraus. Infolge der expansiven Geldpolitik von 2009 floss im Jahr 2010 eine Rekordsumme in Höhe von 440 Milliarden US-Dollar in die Schwellenländer. Im gegenwärtigen Zyklus ist der kurzfristige US-Schattenzins 2020 um 390 Basispunkte gesunken – nahezu doppelt so stark wie 2009.

Entsprechend nehmen die Zuflüsse in die Schwellenländer, die sich seit April zaghaft erholen, nun Fahrt auf: Im November flossen 76 Milliarden US-Dollar an ausländischem Kapital in die Schwellenländer – der größte monatliche Zufluss aller Zeiten. Angesichts des ungewöhnlichen Zusammentreffens derart vieler externer Faktoren und des Mangels an renditeträchtigen Alternativen scheint die Erwartung vernünftig, dass 2021 nicht nur mehr Kapital in die Schwellenländer gespült wird als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre in Höhe von 280 Milliarden US-Dollar, sondern auch mehr als im Rekordjahr 2010.

Solide Fundamentaldaten unterstreichen das Potenzial für eine kräftige Erholung 

Ihre derzeitige Anziehungskraft haben die Schwellenländer nicht nur einer Veränderung der externen Dynamik zu verdanken. Darüber hinaus war die Mehrheit der Schwellenländer in der Lage, ihre wirtschaftlichen Fundamentaldaten zu stärken, womit sie über die notwendige Flexibilität verfügen, um größere Schocks zu bewältigen. Zu den durchschlagenden wirtschaftlichen Verbesserungen zählen niedrigere Inflationsraten und ein geringerer Umfang von auf Fremdwährung lautenden Verbindlichkeiten, robustere Finanzsysteme und eine höhere Flexibilität der Wechselkurse.

Diese solideren Fundamentaldaten spiegeln sich in überschaubaren Schuldendienstkosten wider: Während die Staatsverschuldung (gemessen an der Schuldenlast der im JPMorgan EMBI-Global Diversified Index enthaltenen Nationen) in den letzten fünf Jahren um insgesamt 15 Prozentpunkte des BIP gestiegen ist, legten die Kosten für den Schuldendienst lediglich um 0,5 Prozentpunkte zu.

Des Weiteren versetzen die solideren Fundamentaldaten viele Zentralbanken erstmals in die Lage, es ihren Industrieländer-Pendants gleichzutun, eine expansive Geldpolitik zu betreiben und, in einigen wenigen Fällen, die Haushaltsdefizite direkt zu finanzieren. In vorangegangenen globalen Rezessionen sahen sich viele Schwellenländer indes zu einer restriktiven Politik gezwungen, um eine Abwertung ihrer Landeswährungen gegenüber dem US-Dollar zu unterbinden und einem Ausufern der Schuldendienstkosten in US-Dollar Einhalt zu gebieten. Unserer Einschätzung nach sollten sich gewisse Volkswirtschaften, insbesondere Brasilien und Südafrika, besser als andere Nationen entwickeln – in einem Umfeld, in dem starke externe Faktoren akute inländische Finanzierungsengpässe, die sich in steilen lokalen Renditekurven widerspiegeln, entschärfen dürften.

Allerdings zeichnet sich ein zunehmend zweigeteiltes Bild, in dem gewisse Nationen deutlich schlechter abschneiden. So legten die Schuldendienstkosten in einigen wenigen Ländern mit umfangreichen auf US-Dollar lautenden Verbindlichkeiten und relativ festen Wechselkursen um mehr als einen Prozentpunkt des BIP zu. Diese kleinere Gruppe von Ländern könnte künftig einem erheblichen Bonitätsrisiko ausgesetzt sein, falls es nicht gelingt, eine ausreichende und rechtzeitige Versorgung mit Impfstoffen sicherzustellen, und eine kräftige Konjunkturbelebung folglich ausbleibt. Nach unserem Dafürhalten sind profunde Fachkenntnisse und eine globale Reichweite erforderlich, um die komplexe Investmentlandschaft umfassend zu beurteilen.

Attraktive Bewertungen

Obwohl die Kreditspreads und die Realrenditen lokaler Staatsanleihen unter dem historischen Durchschnitt liegen, sind sie gemäß unserer Analyse attraktiv, wenn man sie den Spreads von Unternehmensanleihen sowie den Renditen von Staatsanleihen auf dem jeweiligen heimischen Markt gegenüberstellt. Aus unserer Sicht sind die Bewertungen und die implizite Volatilität von Schwellenländerwährungen mit hohem Beta nach wie vor ähnlich günstig wie jene der G10-Währungen. Wenn auch nicht ohne Risiko, bescheren diese attraktiven Bewertungen im Zuge des Zusammenspiels umfangreicher Kapitalzuflüsse, höherer Exportpreise und gelockerter Finanzbedingungen lokalen Schwellenländerwerten Rückenwind. 

*Der „Schattenzins“ bildet die Veränderungen diverser Benchmarkdaten ab, wenn der US-Leitzins nahe null liegt und viele Wirtschaftsmodelle nicht mehr greifen. Er kann als Näherungsgröße für den Fed-Funds-Satz herangezogen werden, unter null sinken und diesen Modellen ihre Anwendbarkeit zurückgeben.

Über die Autoren: Gene Frieda, Pramol Dhawan

Gene Frieda, Pramol Dhawan, Pimco, Portfoliomanager Emerging Markets.