31. August 2020

Schwellenländer: Wie sinnvoll ist jetzt eine Investition mit ETFs?

In vielen Schellenländern findet aktuell ein gewaltiger Umbruch statt. Doch überwiegen eher die Chancen oder die Risiken? Lohnt sich eine Investition über ETFs?

Schwellenländer: Für die einen steht der Sammelbegriff für dynamisches Wachstum, aufstrebende Märkte und große Investmentchancen. Die anderen sehen darin vor allem Risiken, instabile Regierungen und Krisen. Ist es aktuell sinnvoll, in Schwellenländer mit ETFs zu investieren? 

Zunächst ein paar Hintergrundfakten! Schwellenländer profitieren von der Nachfrage in den Industrienationen, vor allem als Produzenten industrieller Zwischen- und Endprodukte oder als Rohstofflieferanten. Aber auch allein die Größe ihrer heimischen Märkte macht sie für Anleger relevant. Im Vergleich zu traditionellen Industrieländern haben Schwellenländer hohen Aufholbedarf hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Entwicklung.

Das bringt enormes Potential für ihr Wachstum und entsprechend attraktive Investmentchancen. Lange Zeit galten Schwellenländer daher als Renditetreiber, der in jedes Portfolio gehörte.

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Auf dem Weg zum Industriestaat

Zu den Emerging Markets, wie Schellenländer auch bezeichnet werden, zählen diejenigen Staaten, die sich in einem fortgeschrittenen Prozess der Industrialisierung befinden. Meist wird dies an Kriterien wie steigender Industrialisierungsgrad der Wirtschaft, wachsende Urbanisierung und Zunahme des Dienstleistungssektors festgemacht.

Diese Länder sind zwar noch Entwicklungsländer, da sie jedoch nicht mehr deren typische Merkmale aufweisen, stehen sie quasi an der Schwelle zum Industriestaat. Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wer als Schwellenland zählt. Indexanbieter wie MSCI oder Dow Jones veröffentlichen eigene Listen, welche Länder nach ihrer Meinung dazugehören.

Tipp: Hier erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen über das Investieren in Emerging Markets.

ETFs für Schwellenländer

Mittlerweile veröffentlichen alle namhaften Indexanbieter eigene Indizes für Schwellenländer, sowohl für Aktien als auch für Anleihen. Auch immer mehr Indices einzelner Länder oder Regionen kommen dazu. Mit ETFs, welche dieses Indices nachbilden, ist es heute sehr einfach, in diesen Ländern zu investieren.

Der MSCI Emerging Markets Index ist beispielsweise ein Aktienindex, der sich aus rund 1.400 Aktiengesellschaften aus 26 Schwellenländern zusammensetzt. Damit deck er etwa 85 Prozent der Marktkapitalisierung der Emerging Markets ab. Schwergewicht in diesem Index ist China mit etwa 40 Prozent. Dennoch bietet ein einziger ETF, der diesen Index als Benchmark hat, damit eine sehr breite Streuung. Man muss also nicht sofort mehrere ETFs kaufen, um diese Assetklasse abzubilden.

ETF-Name1 Monat3 Monate6 Monate1 Jahr3 Jahre
iShares MSCI EM UCITS ETF USD (Acc)+1,46+5,83+7,04+9,96-6,73
iShares Core MSCI EM IMI UCITS ETF (Dist)+1,26+5,68+7,13+11,64-3,19
Vanguard FTSE Emerging Markets UCITS ETF (Dist)+2,21+5,05+6,98+9,19-3,29
iShares Edge MSCI EM Minimum Volatility UCITS ETF USD (Acc)-0,30+5,50+4,41+7,38+5,83
SPDR Bloomberg Barclays Emerging Markets Local Bond UCITS ETF (Dist)+0,22+0,61+3,81+4,09+3,16
iShares J.P. Morgan $ EM Bond UCITS ETF (Dist)+2,77+4,46+8,19+10,78+3,36

Schwellenländer sind keine Einbahnstraße

Wer an Emerging Markets denkt, der denkt oft an China. Mit zweistelligen Wachstumsraten über viele Jahre entwickelte sich die chinesische Wirtschaft rasant zur weltweit zweitgrößten hinter den USA. Auch andere Schwellenländer haben hohe Wachstumsraten. Im Schnitt wächst die Wirtschaftsleistung dieser Länder doppelt so schnell wie in den Industriestaaten.

Dadurch steigt auch ihr Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung. Laut Prognosen wird sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen. Experten gehen davon aus, dass der Anteil der Schwellenländer am weltweiten BIP bis 2024 auf ca. 43,7 Prozent klettern wird.

Es gibt aber auch immer wieder Rückschläge, die in schwere Rezessionen führen. Prominente Beispiele sind die Asienkrise Ende 1990er Jahre oder die Russlandkrise 2015. Häufig ist ein stark kreditfinanziertes Wachstum gepaart mit einem Preisverfall von Rohstoffen die Ursache für Probleme. Auch die vermehrten Anzeichen eines verlangsamten Zuwachses des Welthandels macht vielen Ländern zu schaffen.

Die mit einer De-Globalisierung einhergehenden, sinkenden Wachstumsperspektiven führten in den vergangenen Jahren zu hohen Mittelabflüssen ausländischer Investoren. Ein großes Problem, da die meisten Emerging Markets auf ausländisches Kapital angewiesen sind, um ihr Wachstum zu finanzieren.

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Hohe Schwankungen und kleine Märkte

Obwohl Schwellenländer heute schon 36 Prozent zur Weltwirtschaftsleistung beisteuern, sind ihre Kapitalmärkte unterentwickelt. Nicht einmal 12 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung vereinen sie auf sich. Nicht selten gibt es zudem Beschränkungen für ausländische Investoren.

In China war es über lange Zeit hinweg schwer, in den heimischen Aktienmarkt zu investieren. Betrachtet man den Gesamtwert aller indischen Aktien, können gerade einmal 45 Prozent davon von Anlegern gehandelt werden. In den USA beträgt dieser Wert hingegen 96 Prozent.

Das macht die Schwellenländermärkte anfällig für hohe Schwankungen. Immer wieder zieht es viel ausländisches Kapital in illiquide Märkte, was zu schnellen Kurssteigerungen führt. Viele institutionelle und private Investoren werden angelockt von attraktiven Wachstumsperspektiven und die Aussicht auf hohe Gewinne.

Investoren ziehen Geld ab

Kommt es dann zur Krise, sind diese Länder dann überproportional stark betroffen: Ausländische Investoren bekommen Angst um ihr Geld und ziehen sich im großen Stil zurück. Inländische Investoren können die plötzlich fehlende Nachfrage nicht kompensieren und die Kurse brechen ein. Dies wirkt vor allem auf viele private Anleger abschreckend.

Die jüngsten Entwicklungen während der COVID-19 Pandemie veranschaulichen dieses Phänomen sehr deutlich. In den letzten Monaten kam es in den Schwellenländern zu beispiellosen Mittelabflüssen ausländischer Investoren. Nach Berechnungen des Institute of International Finance (IIF) floss allein im ersten Quartal 2020 insgesamt doppelt so viel Geld ab, wie in der schlimmsten Phase der Finanzkrise 2008.

Tatsächlich warnen Experten, dass die pandemiebedingten Mittelabflüsse so groß und nachhaltig sind, dass eine schwerwiegende Krise in den Emerging Markets droht. Lockdown, Reisebeschränkungen und der Zusammenbruch weltweiter Lieferketten führt zu einem Umdenken der Unternehmen: Sie verlagern die Produktion zurück und produzieren verstärkt vor Ort, um zukünftig besser auf solche Krisen reagieren zu können. 

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Chancen der Schwellenländer

In den Schwellenländern findet nicht erst seit COVID-19 eine Transformation statt. Lange war die Entwicklung der Rohstoffpreise entscheidend für deren wirtschaftliche Leistung. Mittlerweile entstehen aber immer mehr börsennotierte Unternehmen aus dem Tech-Sektor in den Emerging Markets. Indien und osteuropäische Länder sind hierfür ein Beispiel: Unternehmen aus den Industrieländern nutzen immer öfter die IT-Spezialisten aus den Schwellenländern, weil sie – wie in Deutschland – zu Hause nicht mehr ausreichend qualifizierte Mitarbeiter finden.  

Chancen ergeben sich auch durch politische Reformen, welche die Stabilität der Länder erhöhen. In einigen wichtigen Schwellenländern wie Indien und China hat die Reformdynamik zugenommen und es gibt gute Chancen, dass diese sich fortsetzen wird. Das schafft Stabilität und Vertrauen für ausländische Investoren. 

Investitionen in Schwellenländern – zum Beispiel mit ETFs – unterliegen in der Regel einem höheren Risiko als Anlagen in Industrieländern. Deren Entwicklung kann daher größeren, unvorhersehbaren Schwankungen unterliegen. Da Schwellenländer generell eine wachstumsorientierte Anlageklasse mit einem hohen Wirkungsgrad an einer globalen Expansion haben, profitieren sie auch stärker von einem kräftigen Wachstum der Weltwirtschaft. Die Maßnahmen der weltweiten Zentralbanken und Regierungen zur Belebung der Wirtschaft geben Hoffnung auf ein kräftiges Wachstum. Schwellenländer werden davon überproportional profitieren.

Indexnamelfd. Jahr1 Monat3 Monate1 Jahr3 Jahre
MSCI Emerging Markets+3,84+1,47+5,83+9,95-6,89
FTSE Emerging+4,32+2,21+5,05+9,19-3,29
MSCI Emerging Markets IMI+3,71+1,26+5,68+11,64-3,19
MSCI EM Asia+4,65+1,99+7,10+7,75-11,49
MSCI EM EMEA NR USD+0,58+0,09+1,47+10,61+10,46
MSCI EM Latin America NR USD-1,87-0,61-1,88+27,08+46,54
S&P Emerg Mkts High Yld Divi Arst NR USD+7,99+1,36+10,39+8,46+7,04
FTSE BRIC 50 NR USD-2,85-2,87-0,09-10,01-46,17

Fazit

Investitionen in Schwellenländer sind besonderen Risiken ausgesetzt. Die Schwankungen, die Anleger aushalten müssen, sind in der Regel höher als vergleichbare Anlagen in Industrieländern. Das gilt sowohl für Aktien, aber auch für Anleihen aus den Emerging Markets. Für Anleger, die sich dieser Risiken bewusst sind, eröffnen sich aber auch gute Investmentchancen: Höhere Zinsen und stärker steigende Aktienkurse bringen zusätzliche Erträge ins Portfolio.

Sehr gut eignen sich aus meiner Sicht daher ETFs auf Schwellenländer zur weiteren Diversifikation des Portfolios. Wichtig ist, dass dabei die Gewichtung der Schwellenländer ausgewogen bleibt und keine ungewollten Klumpenrisiken entstehen. So können diese Anlagen auch mittel- und langfristig gehalten werden, ohne sich zu sehr dem Timingrisiko auszusetzen.