Immer wieder werden gerne Börsenweisheiten herangezogen, um Verhaltensmuster an der Börse zu erklären. Manche Anleger richten sich nach diesen Gepflogenheiten und stellen ihr Depot entsprechend auf. Wie viel Wahrheit steckt in solchen Daumenregeln?
Guido vom
Schemm
Der Investor tut gut daran, die Logik der Börsenweisheit „sell in may and go away – but remember to come back in september“ zu hinterfragen. Objektiv betrachtet ist die Kursentwicklung in diesem Zeitraum eher zufällig. Wer glaubt daran, dass sich Politiker, Krisen und EZB-Funktionäre strikt nach dem Kalendarium richten?
Statistisch lassen sich in den letzten zehn Jahren keine Regelmäßigkeiten in der Kursentwicklung von Mai bis September erkennen. Von beständig negativen Kursentwicklungen kaum eine Spur. Ganz im Gegenteil, die Spanne der DAX-Entwicklung im Sommerzeitraum reicht von minus 23,9 Prozent in 2003 bis plus 19,6 Prozent in 2011. Wer erwartet hat, im Jahr 2008 durch einen Ausstieg im Sommer den schmerzlichen Verlusten entkommen zu können, hat weit gefehlt. In der vermeintlich schwächsten Zeit des Jahres schlug nur ein Minus von neun Prozent zu Buche – von insgesamt fast 40 Prozent Kursrückgang im Gesamtjahr 2008.
Kaum vorstellbar: Wer in den letzten zehn Jahren regelmäßig im Zeitraum 1. Mai bis 1. September nicht investiert war, hätte marginale Kursgewinne von durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr verpasst. Im Sommerzeitraum werden nur geringe Kursgewinne eingefahren, sodass der Investor beruhigt in den Urlaub fahren kann, ohne im DAX investiert sein zu müssen. Die große Ernte wird zu einer anderen Zeit eingefahren, nämlich um das Jahresende herum, ist festzustellen. Denn auffällig ist, dass in den letzten zwei Monaten des Jahres innerhalb des Beobachtungszeitraumes fast ausschließlich steigende Kurse zu verzeichnen waren. Sogar im Jahr 2008 – dem schlechtesten Jahr in der DAXGeschichte – war das zu beobachten. Der Leitindex legte im November und Dezember 2008 um knapp elf Prozent zu.
Mehrere Gründe beeinflussen dieses Phänomen. Zum einen die Einkaufslaune vor Weihnachten, zum anderen die allgemeine Zuversicht für das neue Jahr und das sogenannte „Window Dressing“ der Fondsmanager kurz vor Jahresende. Letztere versuchen, durch Käufe von gut gelaufenen Investments das eigene Portfolio zum Jahresende besser aussehen zu lassen.
Für das Jahr 2013 ist kaum zu befürchten, dass der Anleger eine Sommer-Rallye verpassen könnte. Dies liegt aber weniger an der viel besagten Urlaubszeit der Broker und Investoren, die lieber am Strand entspannen, statt Aktien zu kaufen oder dem Ausstieg der Dividendensammler aus dem Aktienmarkt, sondern an zwei anderen Faktoren.
Zum einen sind die Unternehmenszahlen überwiegend positiv und bereits in den Kursen eingepreist. Die Möglichkeit positiver Überraschungen dürfte damit vorübergehend begrenzt sein. Zum anderen stehen in diesem Jahr noch einige politische Veränderungen an. Die Bundestagswahl im September könnte die Möglichkeit einer Veränderung der politischen Rahmenbedingungen, insbesondere im Europa-Thema, bringen. Börsen lieben aber den Status Quo, denn der bedeutet Planungssicherheit. Mögliche Wahlkampfdebatten um die Wählergunst könnten für massive Verunsicherung an den Börsen sorgen. Von politischer Seite droht uns im aktuell verhältnismäßig ruhigen Umfeld eher negatives statt positives Überraschungspotenzial. Stellen wir uns ab Mai lieber auf höhere Temperaturen statt auf höhere Kurse ein.
Autor Redaktion
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