22. März 2023
Chris Gannatti (Wisdomtree): Künstliche Intelligenz und die gewaltigen Chancen

Chris Gannatti (Wisdomtree): Künstliche Intelligenz und die gewaltigen Chancen

ChatGPT und die künstliche Intelligenz sind riesige Wachstumsfelder. Chris Gannatti, globaler Research-Leiter bei Wisdomtree über die Chancen.

In welchen Bereichen werden wir in den kommenden Jahren auf künstliche Intelligenz stoßen?

Künstliche Intelligenz (KI) könnte in fast jeder Branche Einzug halten – zumindest in den Wirtschaftszweigen, die mit Daten zu tun haben. Viele Menschen und Unternehmen erfassen Daten, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht. Je mehr Daten sie über die Menschen haben, die ihre Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen, desto besser können sie ihnen helfen. KI bietet ihnen das Instrumentarium, mit dem sie mehr aus den Daten lernen und sie schneller und effizienter verarbeiten können. Einige der beliebtesten Bereiche, die derzeit Gegenstand von Diskussionen sind, sind Themen wie Arzneimittelforschung oder Chatbots. Arzneimittelforschung bedeutet mit einfachen Worten, dass KI eingesetzt wird, um potenzielle Moleküle zu generieren, die Forschern eine schnellere Entwicklung besserer Ideen ermöglichen könnten. Mit Chatbots könnten Kunden effizienter Antworten auf ihre Fragen erhalten. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass sich die Dinge, die in aller Munde sind, immer wieder ändern können. Auch wenn KI ein spannendes Thema bleibt – es lässt sich kaum vorhersagen, was wann zu einem Phänomen wird oder sich durchsetzt.

Chris Gannatti, globaler Research-Leiter bei Wisdomtree
Chris Gannatti, globaler Research-Leiter bei Wisdomtree

Welche Chancen und Risiken sehen Sie im Hinblick auf künstliche Intelligenz?

Alles, was die Übertragung oder Speicherung von Daten einschränkt, könnte die Wirksamkeit von KI beeinträchtigen. KI funktioniert am besten mit guten Datensätzen, die breit angelegt sind und so verarbeitet werden, dass Verzerrungen und andere Probleme minimiert werden. KI funktioniert weit weniger effektiv, wenn Verzerrungen innerhalb von Datensätzen nicht berücksichtigt werden oder wenn Daten beschränkt sind. Natürlich können diese Risiken auch Chancen eröffnen. Beispielsweise gibt es Möglichkeiten wie die homomorphe Verschlüsselung, mit der Algorithmen verschlüsselte Daten verarbeiten können. Dabei könnte sich zum Beispiel um Gesundheitsdaten handeln, die in der Regel mit vielen Einschränkungen und Regeln verbunden sind. Wenn die Daten verschlüsselt blieben und sich dennoch Erkenntnisse daraus gewinnen ließen, wäre das ein großer Schritt nach vorn. Ebenso wäre es ein deutlicher Fortschritt, wenn Unternehmen das Risiko verzerrter Datensätze mindern könnten. Neben allem, was uns Erkenntnisgewinn aus Daten und genauere Vorhersagen ermöglicht, könnten diese anderen Bereiche künftig von großem Interesse sein.

Tipp: Die künstliche Intelligenz eröffnet neue Möglichkeiten. Hier findest du weitere spannende Themen-ETFs.

ChatGPT ist derzeit in aller Munde. Worum geht es?

ChatGPT ist ein Beispiel für generative KI. Das bedeutet, dass die KI dazu genutzt werden kann, etwas zu kreieren, das vorher nicht existierte – sei es ein Bild, ein Kunstwerk, ein Text oder sogar ein Video. ChatGPT ist sehr praktisch und für viele Menschen einfach zu bedienen. Das Ergebnis ist, dass Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund und technologischer Vertrautheit schnell und einfach ein Resultat aus ihrer Interaktion mit dem System erhalten können. Daher hat ChatGPT bislang sehr schnell Anklang gefunden – es ist eine der Anwendungen, die bisher am schnellsten eine Million Downloads erreichten. Anleger könnten größere Begeisterung zeigen, wenn ChatGPT zur Erstellung von Softwarecode auf der Grundlage einfacher Aufforderungen oder zur Schaffung eines potenziellen neuen Moleküls, das ein neues Therapeutikum sein könnte, verwendet würde. Denn diese Bereiche könnten einen eindeutigeren Weg zur Gewinnerzielung bieten als etwa die Erstellung eines neuen Bilds. Wenn generative KI jedoch den gesamten Prozess des Grafikdesigns schneller und effizienter gestalten könnte, könnte dies durchaus von Nutzen sein. Ob es ChatGPT in zehn Jahren noch gibt, bleibt abzuwarten. Aber unserer Überzeugung nach ist das Konzept der generativen KI jetzt etabliert und wird wohl nicht mehr verschwinden.

Welche Investmentmöglichkeiten gibt es für ETF-Anleger?

Viele Menschen möchten vielleicht in ChatGPT investieren. Aber die Organisation OpenAI, die es entwickelt hat, ist kein Börsenunternehmen. Microsoft ist erheblich an OpenAI beteiligt, man könnte sich also dort engagieren. Gleichzeitig hat Alphabet, die Muttergesellschaft von Google, ihre konzerninternen Initiativen verstärkt und besitzt mit DeepMind ein eigenes wichtiges KI-Unternehmen. Anleger könnten auch diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Einige der größten Unternehmen der Welt verzeichnen also eine gewisse Zugkraft. In ähnlicher Weise könnte Nvidia, der Marktführer bei der Entwicklung von Grafikprozessoren, die stark für KI genutzt werden, in den Fokus rücken. ETFs sind unserer Ansicht nach nützlich, um dieses Anlagethema in Unternehmensgruppen zu konsolidieren, die sowohl auf das Thema als auch auf die Bedürfnisse der Anleger abgestimmt sind. Wir bevorzugen eine ganzheitliche, das gesamte Ökosystem umfassende Sichtweise auf KI. Es sollte also nicht nur um einen einzelnen Aspekt gehen – nicht nur um die großen Unternehmen, nicht nur um die Hersteller von Software oder Algorithmen und nicht nur um die Produzenten von Halbleitern. Denn diese Unternehmen können zu verschiedenen Zeitpunkten des Konjunkturzyklus unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Beispielsweise waren 2020, 2021 und 2022 im Hinblick auf die Ergebnisse drei sehr unterschiedliche Jahre. Wenn starkes Know-how vorhanden ist, um die Gesamtheit des KI-Bereichs zu betrachten, ist das für uns eine sehr interessante Art, den Markt ins Visier zu nehmen.

Welche Portfoliogewichtung halten Sie bei thematischen ETFs für angemessen?

Wir betrachten KI in erster Linie nach Gruppen unterteilt. Beispielsweise könnte es eine Gruppe von softwareorientierten Anbietern künstlicher Intelligenz geben. Es könnte eine Gruppe von Hardwareunternehmen – vor allem Halbleiterfirmen – geben, die den Grundstein für KI legen. Und es könnte eine Gruppe von Unternehmen geben, die zu den größten der Welt gehören und zwar berücksichtigt werden sollten, die aber gleichzeitig bereits die größte Gewichtung in wichtigen Benchmarks wie dem Nasdaq 100 Index haben. Wir achten vor allem darauf, dass die Gruppen ein angemessenes Engagement im jeweiligen Thema aufweisen: Die Gruppe mit dem größten Gewicht könnte die der softwareorientierten KI-Anbieter sein, die mit dem geringsten Gewicht könnte die weltweit größten Unternehmen umfassen. Unserer Meinung nach ist es schwierig, für einen beliebigen Zeitraum das beste Unternehmen innerhalb einer Gruppe zu finden. Daher finden wir es interessant, allen Unternehmen durch gleiche Gewichtung die gleiche Ausgangschance zuzuweisen. Aus unserer Sicht wollen thematische Anleger sicherstellen, dass die von ihnen gewählte Strategie dann gut abschneidet, wenn sich das Thema selbst gut entwickelt. Daher versuchen sie gewissermaßen, ein Beta für ein Thema zu schaffen – in diesem Fall für das Thema KI. Dem gegenüber steht der Ansatz, Alpha innerhalb des Themas zu erzielen, wofür unter anderem eine Benchmark speziell für den KI-Markt erforderlich wäre.