26. März 2020
Christian W. Röhl, Betreiber des Börsen-Portals "DividendenAdel", im Gespräch mit extraetf.com.

Dividende: Wichtig ist die Einordnung der aktuellen Ausschüttung

Erste Unternehmen wie Daimler senkten bereits die Dividende. Wie Anleger darauf reagieren und worauf sie dabei alles achten sollten, sprach das Extra-Magazin mit Christian W. Röhl, der den Blog DividendenAdel betreibt.

Daimler kürzte seine Dividende drastisch, auch DAX-übergreifend sinkt nach ersten Prognosen das Volumen der ausgeschütteten Gewinne. Sollten Anleger jetzt bei Dividendentiteln vorsichtiger sein?

Anleger sollten generell vorsichtig sein. Zu jedem Zeitpunkt und bei allem Dispositionen. Natürlich auch bei „Dividenden-Aktien“. Und Daimler ist dafür ein gutes Beispiel. Seit 2010 veröffentliche ich gemeinsam mit Marc Tüngler von der DSW und Prof. Frère von der FOM Hochschule jedes Jahr im April die Dividendenstudie Deutschland – und stets haben wir darauf hingewiesen, dass Daimler ein unsicherer Kantonist ist. Dafür reicht ein Blick in die Historie, denn während der Finanzkrise wurde die Dividende erst gesenkt und dann gestrichen. Insofern: Für jeden Anleger, der Dividenden-Strategien nicht als Tunnelblick-Jagd auf fette Prozente begreift, war die Kürzung bei Daimler keine Überraschung.

Wie beurteilen Sie dies, sehen Sie Dividendenperlen nach wie als lukratives Investment an, was ist der Reiz von Dividendentiteln?

Ich sehe Dividende als ultimatives Qualitätsmerkmal – eingedenk der alten Wahrheit: Nur Bares ist Wahres. Bilanziell gibt es einigen Spielraum, um ein Unternehmen besser oder schlechter aussehen zu lassen. Aber eine Dividende wird entweder gezahlt oder nicht. Und wenn ein Unternehmen über lange Zeiträume und mehrere Wirtschaftszyklen kontinuierlich ausschüttet und seinen Anteilseignern sukzessive höhere Gewinnbeteiligungen überweise – dann muss da vieles richtig laufen.

Auf welche Region sollten Anleger dabei bevorzugt setzen oder ist ein weltweites Investment besser. Und welche Dividendentitel halten Sie aktuell für besonders interessant und warum?

Egal, welche Aktien-Strategie Anleger verfolgen: Eine breite Diversifikation über verschiedene Länder, Währungsräume und vor allem Sektoren ist alternativlos. Sonst bekommt das Depot ziemlich schnell Wettcharakter. Mit meiner Interpretation einer Dividenden-Strategie – ich setze ja mehr auf Qualität, Kontinuität und Wachstum als auf maximale Anfangsrenditen – findet man überall auf der Welt geeignete Unternehmen. Wobei ich mich, was Einzelwerte angeht, auf Europa und Nordamerika fokussiere. Asien und die Schwellenländer decke ich ausschließlich über ETFs und aktive Fonds ab.

Worauf sollten Anleger bei Dividenden-Titeln besonders achten?

Eben nicht nur auf die aktuelle Dividendenrendite. Allzu fette Prozente sind, siehe Daimler, oft kein Qualitätsmerkmal, sondern eher ein Warnsignal. Wichtig ist deshalb die Einordnung aktuellen Ausschüttung: War das Unternehmen in der Vergangenheit ein zuverlässiger Zahler oder eher ein unsicherer Kantonist? Wurde die Dividende zuletzt operativ verdient oder hat man die Reserven angeknabbert? Und wie sieht’s mit dem Wachstum aus – denn die Dynamik von heute ist die Rendite von morgen!

Kritiker monieren, dass die Dividende vom Aktienkurs weggeht, es also ein Nullsummenspiel sei. Zudem beeinträchtige eine hohe Dividende die Investitionskraft der Unternehmen, da weniger Geld für Zukunftsprojekte zur Verfügung stände. Was ist ihre Meinung dazu?

Wer nur auf die Dividendenrendite schaut, läuft tatsächlich Gefahr, in die Dividendenfalle zu tappen. Da hat man dann vielleicht nette Ausschüttungen, die man sich durch eine Erosion der Kurswerte aber de facto selber zahlt. Abschreckendes Beispiel ist der DAXplus Maximum Dividend ETF, der die 25 renditestärksten deutschen Aktien bündelt und in den vergangenen fünf Jahren fast ein Drittel verloren hat – und selbst bei voller Reinvestition der Dividenden noch im Minus liegt, während ETFs auf DAX und MDAX in Summe 20% bzw. sogar 40% zugelegt haben.

Strategie-Konzepte, die nicht so eindimensional ausgerichtet sind, erreichen dagegen Überrenditen – wie beispielsweise der DividendenAdel Deutschland Index mit einem Fünf-Jahres-Plus von knapp 50%. Denn natürlich fällt mit einer Dividenden-Strategie der eine oder andere Highflyer, gleichzeitig vermeidet man mit einem qualitativen Ansatz aber auch viele Dauer-Flops, die ihre Aktionäre dauerhaft leer ausgehen lassen.

Und dass Dividenden nicht das Ende der Innovationskraft, sondern der letzte Reifeschritt eines Unternehmens sind, zeigen nicht zuletzt zwei der erfolgreichsten Aktien der letzten Zeit: Microsoft – Dividendenzahler seit 2003 – und Apple – Dividendenzahler seit 2012.

In der ETF-Branche zieht inzwischen die Generation 3.0 ein, die neben einer nachhaltigen Ausschüttungspraxis  auch  fundamentale Kriterien mit berücksichtigen. Wie beurteilen Sie dies, ist das Ihrer Meinung sinnvoll?

Es gibt einige sehr gute ETFs auf Dividendenstrategien. Ich habe ja letztens in einem Video gezeigt, wie man mit vier ETFs ein Dividenden-Weltportfolio „bauen“ kann, dass nicht nur geographisch diversifiziert, sondern auch unterschiedliche Strategien kombiniert: Für unseren heimischen Währungsraum der Xtrackers EURO STOXX Quality Dividend ETF, für die USA der auf kontinuierliches Wachstum abzielende SPDR Dividend Aristocrats ETF, für die Asia-Pazifik-Region ebenfalls von SPDR ein etwas anders gestalteter Aristokraten-ETF und für die Schwellenländer der Investor High Dividend Low Volatility ETF. Dazu vielleicht noch ausschüttungsstarkes VanEck Global Real Estate ETF mit den 100 wichtigsten globalen Immobilienaktien – und fertig ist ein ebenso effizientes wie transparentes ETF-Portfolio mit über drei Prozent anfänglicher Ausschüttungsrendite.

Natürlich kann man das alles noch weiter veredeln. Aber ob neue Fonds mit zusätzlichen Kriterien unterm Strich wirklich mehr Rendite bringen, wage ich zu bezweifeln. Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass Einfachheit und Transparenz – zwei wesentliche Vorteile von ETFs – leiden, wenn die Indices noch komplexer werden.

Insofern, auf gut Kölsch: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet. Auf meiner Wunschliste stehen eher gleichgewichtete Aktien-ETFs, gerade auf Themen wie Medtech.

Zur Person: Christian W. Röhl ist Kapitalmarkt-Profi mit über 25 Jahren Erfahrung. Seit dem Verkauf seines Unternehmens verwaltet er vor allem sein eigenes Vermögen – und teilt seine Einsichten: In seinem Bestseller „Cool bleiben und Dividenden kassieren“, auf seiner Website www.dividendenadel.de sowie in Vorträgen und Workshops für Banken, Unternehmer und Privatanleger.

Weitere Details zum Thema finden Sie im Anlageleitfaden „Investieren in Dividenden-ETFs“.  

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