Erwarteter Rohölpreisanstieg wohl erst nach Anspringen der globalen Weltwirtschaft

Seit seinem Tief vor einigen Wochen erholte sich Rohöl der Sorten Brent und WTI ein wenig, trotzdem verharrt der Rohölpreis auf einem weiterhin sehr niedrigen Niveau. Das Extra-Magazin sprach mit Kemal Bagci, Rohstoffexperte der BNP Paribas, zur aktuellen Lage am Rohölmarkt. 

Trotz Kürzung der Ölfördermenge sank der Rohölpreis auf den niedrigsten Stand seit 1999. Was ist der Grund, hat das allein mit der Coronakrise zu tun und wie ist Ihre längerfristige Einschätzung zum Rohölmarkt?

Die Kürzungen der OPEC+ von etwa 10Mio. Barrel am Tag werden im Mai erst wirksam. Die Internationale Energiebehörde geht von einem Nachfragerückgang von etwa 30 Mio. Barrel am Tag im April aus. Das aktuell deutliche Überangebot an den Märkten, ist das Öl, das noch in den vergangenen Wochen von Saudi-Arabien und Russland zu Ramschpreisen in Rekordvolumen auf den Weg gebracht worden ist. Das war bevor die Kürzungen beschlossen worden sind. Unserer Analysten gehen davon aus, dass der Ölpreis sich erst wieder nennenswert erholen kann, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren wird und die Coronakrise überwunden ist. Das könnte im 3. Quartal sein.

Der fondsvolumenstärkste ETC auf WTI-Rohöl verlor seit Jahresbeginn zwischenzeitlich rund 75 Prozent seines Wertes. Macht es jetzt Sinn, hier zu vermeintlichen Schnäppchenpreisen einzusteigen? Oder ist hier weiterhin Vorsicht geboten?

Wir befinden uns in einer historisch einmaligen Situation bei den Futurekontrakten auf das WTI Öl. Die Preisdifferenzen zwischen den einzelnen Laufzeiten liegen bei mehreren USD. Wenn ein Anleger in ein ETC investiert, erwirbt der Emittent dieser Produkte den zugrunde liegenden Basiswert, also einen Future. Er muss diesen aber vor dessen Fälligkeit verkaufen, und mit einem länger laufenden Future ersetzen. Notiert dieser vom Preis her höher als der alte, können mit dem Erlös aus dem Verkauf der alten Futures weniger Anteile vom neuen Future erworben werden, der Anleger erleidet Rollverluste. Im ETC spiegelt sich das in einem niedrigerem Bezugsverhältnis wider. In der aktuellen Marktphase erleiden Anleger hohe Rollverluste.

Wie hoch ist derzeit der Rollverlust in der aktuell extrem hohen Contango-Situation?

Die Preisdifferenzen in WTI Futures sind in den kürzeren Laufzeiten sehr hoch. Das Bezugsverhältnis beim WTI-ETC ist beim letzten Roll-Over von Juni in den Juli Future von etwa 0,70 auf etwa 0,44 gefallen.

Kann ich dies möglicherweise durch eine intelligente Rolloptimierung vermeiden oder deutlich abschwächen? 

Um mögliche Rollverluste zu reduzieren, haben wir rolloptimierte ETCs emittiert. Bei den RICI Enhanced Indizes wird nicht nur in einen Future investiert, sondern gleichzeitig in unterschiedliche Laufzeiten, die weiter in der Zukunft liegen. Dabei kommen nur Juni und Dezember Laufzeiten in Frage. Historisch konnten sich die RICI Enhanced Indizes über einen längeren Anlagezeitraum besser entwickeln, als klassisch rollierende Produkte. Dies bedeutet nicht, dass es auch in Zukunft immer so sein wird. Ein Produkt dieser Indexserie auf Rohöl der Sorte WTI ist der RICI  Enhanced SM WTI Crude Oil TR ETF (WKN PB6R1W).

Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie auch in unserem Anlageleitfaden.