3. November 2022
Konrad Kleinfeld (SPDR): Diese Anleihen werden jetzt interessant

Konrad Kleinfeld (SPDR): Diese Anleihen werden jetzt interessant

State Street Global Advisors veröffentlicht jährlich die Studie „Die Zukunft der Rentenmärkte“, die zeigt, welche Trends institutionelle Anleger am Markt für Anleihen sehen. Konrad Kleinfeld von SPDR hat uns erzählt, was in diesem Jahr besonders relevant ist.

In diesem Jahr zeigte sich, dass Anleger vor allem auf private Kredite und weniger auf öffentliche festverzinsliche Anlagen bauen und dass ein Mix aus aktiven und passiven Anlagen immer attraktiver wird.

Herr Kleinfeld, könnten Sie uns etwas dazu erzählen, wie die Studie aufgebaut wird?

Ja, gerne. Wir von State Street Global Advisors, inklusive unser ETF-Marke SPDR, führen diese Studie unter internationalen institutionellen Kunden durch. Wir fragen diese einmal im Jahr, welche großen Trends sie im Anleihe- respektive im Rentenbereich sehen, was sie gerade kaufen und wo es vielleicht gerade besonders erfolgversprechend aussieht unter Risikoertragsgesichtspunkten. Aber auch nach möglichen strukturellen Veränderungen an den Märkten sowie Produktauswahl und wie Investoren damit umgehen. Das sind die Profis. Und von denen regelmäßig zu hören und zu sehen, was sie umtreibt, das macht eigentlich den besonderen Charme dieser Studie aus.

Wie hat sich die Stimmungslage seit der letzten Studie verändert, insbesondere im Hinblick auf die nicht vorhersehbare Situation in diesem Jahr?

Wir haben im letzten Jahr schon die Tendenz gesehen, dass internationale Investoren sagten: Ja, ich investiere in Anleihemärkte, ich tue das auch weiter, ich schaue mir allerdings an, welche Komponenten sollte mein Anleiheportfolio in meinem Gesamtkontext eben erfüllen. Das hat sich in diesem Jahr noch mal verstetigt oder sogar verstärkt.  Man sieht etwa, dass die Rolle von ETFs aber auch Indexierung in Fixed Income auch bei großen Institutionen, inklusive Staatsfonds oder auch Zentralbanken, zugenommen hat. Zum einen im Bezug auf das sogenannte Kernportfolio, aber auch im Sinne einer Core-Satellite-Strategie.

Wie kann man sich das im Anleihen-Bereich vorstellen?

Satelliten sind im Fixed Income-Bereich häufig Anlagekategorien innerhalb von Anleihen, die sonst nicht in dem großen Stil eine Relevanz spüren. Etwa Anleihen, die eine unterhalb von Investmentgrade liegende Bonität haben, aber damit einher gehend auch einen höheren Ertrag versprechen können. Ein anderes Beispiel wären Anleihen aus Schwellenländern. Zudem gibt es weitere Segmente innerhalb der festverzinslichen Anlagekategorien: das können zum Beispiel Wandelanleihen sein, das könnte sogenanntes Ergänzungskapital sein, also diese ganze Couleur wird dann häufig von institutionellen Investoren zusätzlich zum Kernportfolio als kleiner Satellit drumherum gesetzt. Und auch hier ermöglichen es ETFs, breit diversifiziert, effizient zu allokieren, auch in Märkten, die nicht mein Heimatfokus sind.

Konrad Kleinfeld, Head of Fixed Income Sales EMEA
Konrad Kleinfeld, Head of Fixed Income Sales EMEA für SPDR

Wo sehen Sie denn den größten Vorteil in ETFs im Anleihen-Bereich?

Ein wichtiger Punkt für die Allokation über ETFs in Anleihen ist sicherlich die Liquidität. Institutionelle Investoren investieren aktuell auf zwei Ebenen: Es gibt die Publikumsmärkte. Das sind Aktien, Renten, Cash *, vielleicht ein bisschen Rohstoffe. Daneben gibt es aber die nicht-liquiden Märkte: sogenannte private Märkte, Private Equity, Private Debt. Hier kann man nicht regelmäßig kaufen oder verkaufen. Durch den extremen Shift in diese privaten Märkte innerhalb der Asset-Allokation wird die Rolle liquider Assets im Portfolio noch wichtiger. Insbesondere in den Rentenmärkten. Hier können ETFs im Anleihebereich einen wesentlichen Beitrag im Rahmen der Liquiditätsverbesserung auf Portfolioebene erzeugen.

Nach welchen Benchmarks regulieren institutionelle Anleger ihre Portfolios?

Regulatorik ist ein wichtiger Punkt. Nachhaltige Investmentstrategien sind wichtig. Investoren, auch institutionelle, bewegen sich langsam immer mehr in Richtung Nachhaltigkeit, insbesondere ESG. Aber nicht nur ESG, sondern auch das Thema Klima. Das hält sich mit 50 Prozent, die nachhaltig allokieren und 50 Prozent, die es noch nicht tun, derzeit die Waage. Das sind strategische Themen, die unterschwellig laufen, die Sie auch bei der Rentenanlage sehen.

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Kann man das auf Privatanleger übertragen?

Ja. Die derzeitige Situation geprägt durch Themen rund um die Ukraine-Krise, die strukturell hohe Inflation, die Reaktion der globalen Zentralbanken sowie allgemein die Cost of Living-Crisis sorgen für eine risiko-averse Gesamtpositionierung, auch im Anleihesegment. Hier werden auch Staatsanleihen wieder interessant, zum Beispiel der US-Regierung. Diese rentieren im kurz laufenden Bereich weit über vier Prozent, ist das natürlich schon ganz charmant.

In Bezug auf Staatsanleihen wurde im Zuge der Zinserhöhungen der EZB viel über Italien gesprochen. Können Sie erklären, ob jetzt Italien als Staatsanleihe eine gute Idee ist oder nicht?

Italien steht heute sicherlich etwas besser da als während der Euro-Schuldenkrise. Aber sollte es noch mal Länder in Europa geben, die Schwierigkeiten haben, ihre Schulden zu bedienen, dann sind es sicherlich wieder einige der Peripherieländer, nicht nur Italien. Insofern ist eine Andersbewertung Italiens relativ zu Deutschland, aktuell richtig. Hier sind die Risikoaufschläge seit Jahresbeginn stärker angestiegen. Dabei ist es nicht grundsätzlich schlecht, wenn jetzt Risikoaufschläge für irgendeine Anlageklasse zum Beispiel steigen, das geht mit dem ökonomischen Ratio einher. Auch gilt es noch zu eruieren, welche Fiskaldisziplin die neue Regierung Meloni verfolgen wird.

Was sollten Privatanleger, die gerade unsicher sind, ob sie wieder Staatsanleihen in ihr Portfolio aufnehmen sollen, bedenken?

Das kommt wie bei den großen Investoren auf die sogenannte Risikotragfähigkeit drauf an, das heißt also, was möchte ich machen, was bin ich bereit, dafür auch an Risiken einzugehen, was ist mein Anlagehorizont? Wenn ich mir unsicher bin, wie mein Gesamtportfolio jetzt vielleicht in sechs oder neun Monaten aussieht, dann können auch mal eine Festgeldanlage oder kurz laufende Anleihen, eine sehr, sehr gute Anlage-Alternative sein.

Wie erwähnt, in einigen Regionen gibt es wirklich schon relativ hohe Zinsen. Ich hatte Staatsanleihen mit über vier Prozent in den USA angesprochen, wenn wir in den Bereich Unternehmensanleihen gehen, dann sind wir teilweise bei fünf, sechs Prozent. Aktuell können kurz laufende Anlagen über das ganze Anleihespektrum bezüglich Bonität sinnvoll sein. Bei sehr guten Bonitäten kann man aber auch schon nachdenken, längerfristige Anleihen zu kaufen.

Und wie ist die Lage bei Schwellenländern?

Für Anleger in Schwellenländeranleihen war es sicherlich kein gutes Jahr, und auch jetzt gibt noch viele Fragen zu klären: Die Wahlen in Brasilien Ende Oktober, die Entwicklung des Krieges in der Ukraine und die wirtschaftlichen Probleme in der Türkei. Zudem die wichtige Frage wie sich der US-Dollar entwickeln wird. Dies führt in der Konsequenz dazu, dass wir EM-Engagements in Hartwährung (gegenüber Lokalwährungen) mit kurzer Laufzeit und einer Rendite, die sich sogar über der von US-Investment-Grade Anleihen befindet, präferieren.