22. April 2013
simonvanstone

„Passive Fonds werden weiter Marktanteile gewinnen“

Das EXtra-Magazin spricht mit Simon Vanstone, dem Head of Institutional, Europa, über die Unternehmensstrategie der Vanguard Group und über den Nutzen von passiven Fonds.

Die Vanguard Group gehört mit einem verwalteten Volumen von über 2.200 Mrd. US-Dollar zu den weltweit größten Vermögensverwaltern. In Europa sind Sie aber eher unbekannt. Woran liegt das?

Simon Vanstone

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Als wir Ende der 90er Jahre nach Europa kamen, haben wir uns zunächst ausschließlich auf institutionelle Anleger konzentriert und unser Angebot auch auf diesen Markt zugeschnitten. Daher waren wir für die breite Masse der Privatanleger weniger sichtbar und unsere Fondspalette auch nicht an ihre Bedürfnisse angepasst. Ein anderer Grund sind Kosten. Wir zahlen nicht für Distribution durch Kommissionen oder Retrozessionen, da dies ja letztendlich aus Kundengeldern bezahlt wird, und mit dem Geld unserer Kunden gehen wir sehr vorsichtig um.

Vanguard, so heißt es in Ihren Publikationen, ist ein etwas anderer Vermögensverwalter, was bedeutet das?

Das liegt vor allem an der Eigentumsstruktur unserer Muttergesellschaft, der Vanguard Group in den USA. Die Vanguard Group ist nicht börsennotiert und auch nicht in Privatbesitz, sondern im Besitz der Investoren unserer US-Fonds. Diese genossenschaftssähnliche Struktur ist in unserer Branche tatsächlich einzigartig und bietet viele Vorteile. Sie vermeidet Interessenkonflikte zwischen unseren Eigentümern und unseren Kunden, denn beide sind identisch. Die Vanguard Group kann daher unsere erheblichen Skalenerträge in vollem Umfang an unsere Anleger weitergeben. Diese Philosophie vertreten wir auch in Europa und sie spiegelt sich in unseren Produkten wider.

Vanguard formulierte spezielle Anlagegrundsätze. Worum handelt es sich dabei und was unterscheidet Sie hier von anderen Mitbewerbern?

Wir haben unsere Investment-Philosophie in vier Grundsätzen zusammengefasst. Diese Grundsätze dienen unseren Kunden als Leitfaden für erfolgreiche Geldanlage, gleichzeitig aber auch als Erinnerung an uns, dass unsere Fonds für unsere Anleger da sind und nicht umgekehrt. Daher ist auch einer unserer Grundsätze, die Kosten bei Geldanlagen so gering wie möglich zu halten. Je weniger unsere Kunden für unsere Fonds bezahlen, desto größer sind ihre potenziellen Erträge. Dieser Grundsatz ist sicherlich in unserer Branche einzigartig, denn niedrigere Kosten bedeuten natürlich geringere Erträge für die Fondsverwalter. Außerdem empfehlen wir unseren Kunden auch, klare, langfristige Anlageziele zu formulieren und Disziplin zu bewahren, also eine sinnvolle Allokation nicht grundlos abzuändern. Dazu gehört unter anderem, ständig wechselnde Trends und Marktgetrommel zu ignorieren, die in unserer Branche leider zum Alltag gehören. Die vierte Säule unserer Anlagephilosophie ist Balance, also eine möglichst breite Diversifikation. Wir glauben, dass eine ausgewogene Asset Allocation zu langfristigem Anlageerfolg führt.

Sie gelten bisher als Anbieter von Indexfonds. Was unterscheidet diese von ETFs – was sind die Vor- und Nachteile?

Dieser Eindruck ist nicht ganz korrekt. Insgesamt verwaltet die Vanguard Group über 600 Milliarden Euro in aktiven Fonds, auch wenn wir in Europa überwiegend mit Indexfonds und ETFs vertreten sind. Wir glauben weniger an den Gegensatz zwischen aktiven und passiven Strategien als an die Bedeutung der Kosten. Niedrigere Gebühren bedeuten bessere Renditen. Deshalb setzen wir die TERs für alle unsere Fonds – aktive wie passive – so wettbewerbsfähig wie möglich an.

Was die Unterschiede angeht, ETFs und herkömmliche Fonds unterscheiden sich vor allem in ihrer Distribution. Anteile an herkömmlichen Fonds erwirbt man über den Fondsverwalter, wohingegen ETFs an der Börse notiert sind. Deshalb kann man ETFs – genau wie Unternehmensaktien – den ganzen Handelstag über kaufen und verkaufen, der Preis wird ständig aktualisiert. Herkömmliche Fonds kann man nur einmal am Tag handeln, und auch der Preis wird nur einmal pro Tag festgestellt. ETFs haben üblicherweise niedrigere TERs, dafür müssen Investoren aber für die Geld-Brief-Spanne aufkommen.

Wann sollten Anleger eher ETFs als Indexfonds einsetzen?

Vanguard gibt keiner der beiden Anlageformen den Vorzug. Herkömmliche Indexfonds und ETFs stellen einfach nur zwei verschiedene Möglichkeiten dar, in einen Index zu investieren. Die Wahl zwischen beiden Fonds hängt letztendlich von den individuellen Umständen und Präferenzen jedes Anlegers ab. Weil man sie so einfach handeln kann, eignen sich ETFs beispielsweise sehr gut, um kurzfristig eine bestimmte Marktexposition aufrechtzuerhalten, während man sein Portfolio neu ausrichtet. Sparer, die regelmäßig kleinere Geldbeträge investieren, sind hingegen aufgrund der geringeren Einstiegskosten unter Umständen besser mit herkömmlichen Fonds bedient.

Kann man als deutscher Anleger derzeit in Vanguard Fonds investieren?

Mit Einschränkung, ja. Unsere Dublin-domizilierten UCIT-Fonds sind in Deutschland registriert, allerdings distribuieren wir derzeit noch nicht aktiv in Deutschland. Für Privatanleger ist es daher im Moment eher schwierig, in unsere Fonds zu investieren. Bei ETFs ist das natürlich einfacher, denn die werden an der Börse gehandelt und stehen jedem Investor offen, der einen Broker hat. Allerdings wollen wir deutschen Investoren in nicht allzu ferner Zukunft den Zugang zu unseren Fonds und ETFs erleichtern.

Im Bieterrennen um die ETF-Sparte der Credit Suisse unterlag Vanguard dem Mitbewerber BlackRock. Werden von Ihnen im Zuge einer weiteren Konsolidierung der ETF-Branche in Europa weitere Übernahmen verfolgt oder setzen Sie eher auf organisches Wachstum in Europa?

Wir kommentieren solche Spekulationen grundsätzlich nicht, allerdings liegt die Messlatte für Übernahmen bei Vanguard sehr hoch. Die Vanguard Group befindet sich in Kundenbesitz, und alle Entscheidungen, die wir treffen, müssen dem Wohl unserer Kunden – und Eigentümer – dienen. Vanguard ist sehr gut aufgestellt, um organisch zu wachsen, wie wir es auch in unserer Geschichte immer getan haben.

Wo sehen Sie besondere Stärken, mit denen Sie in Europa Investoren von Ihren Produkten überzeugen können?

Unsere Stärken liegen vor allem in unserer kundenorientierten Philosophie. Wir können uns immer voll auf die Bedürfnisse unserer Kunden konzentrieren und langfristig planen und handeln, ohne Druck, quartalsweise Gewinne erwirtschaften zu müssen. Daher steht bei uns immer der langfristige Erfolg unserer Anleger im Vordergrund. Dieser Kundenfokus schafft Vertrauen. Im Klartext heißt das, wenn unsere Kunden erfolgreich sind, wird auch Vanguard langfristig erfolgreich sein.

Angenommen, Sie dürfen sich als Anleger drei Produkte aus Ihrer Produktpalette auswählen. Welche Produkte wären das?

Diese Frage lässt sich nicht beantworten, denn sie entspricht nicht unserer Philosophie. Wir geben keine Empfehlungen aufgrund kurzfristiger Erwartungen ab. Wir jagen keinen Trends nach und bieten daher auch keine Modeprodukte an. Und wie bereits gesagt, wir glauben an Diversifikation. Unsere Fonds sind Grundbausteine zur Portfoliokonstruktion, die bedeutende und anerkannte Indizes abbilden. Sie ermöglichen Investoren, in wichtige Märkte zu investieren und ihr Portfolio zu diversifizieren. Für Starprodukte ist da kein Platz, denn jeder Fonds erfüllt eine bestimmte Aufgabe.

Passive Investments werden immer beliebter. Womit erklären Sie sich diesen Erfolg und in welchen Bereichen sehen Sie Wachstumsimpulse?

Die wachsende Popularität passiver Anlagelösungen hat ganz einfach mit dem Erfolg dieser Anlageform zu tun. Dass sich der Erfolg passiver Anlagelösungen erst zeitverzögert einstellt, liegt auch daran, dass sie auf den ersten Blick wenig attraktiv erscheinen, weil sie einfach in einen Marktindex investieren. Investoren, die passive Fonds kaufen, entscheiden sich somit bewusst für den Durchschnitt, also die Marktrendite, und verzichten auf mögliche Überschussrenditen, die sich durch aktives Management erzielen lassen. Intuitiv erscheint es da zunächst sinnvoll, einen erfahrenen, professionellen Fondsmanager zu mandatieren, der durch die gezielte Auswahl von Wertpapieren Renditen erwirtschaftet, die über dem Marktdurchschnitt liegen, und darum geht es natürlich im aktiven Fondsmanagement. Allerdings belegen Vanguards Untersuchungen immer wieder, wie schwierig es ist, den Marktdurchschnitt tatsächlich dauerhaft zu schlagen. Ein Fonds, der heute gute Erträge abwirft, kann schon morgen hinter seiner Benchmark zurückbleiben. Hinzu kommen die Kosten, die bei aktiven Fonds im Schnitt natürlich deutlich höher sind als bei Indexfonds und die Renditen der Anleger reell mindern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein aktiver Fonds nach Abzug der Kosten unterdurchschnittliche Renditen erwirtschaftet, ist daher sehr hoch. Man hat also in Wirklichkeit mit passiven Fonds langfristig gute Chancen, aktive Fonds hinter sich zu lassen.

Die ernüchternde Performance vieler aktiver Manager während der Finanzkrise hat diesen Eindruck nochmals deutlich verschärft und passiven Fonds weiteren Zulauf verschafft. Wir erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt und passive Fonds weiter Marktanteile gewinnen.