23. April 2018

"Verantwortungsbewusstes Investieren ist kein Modetrend"

Thierry Bogaty, Head of ESG/SRI von Amundi, sprach auf einer Investorenkonferenz zum Thema nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren. Das EXtra-Magazin sprach mit ihm über die Hintergründe.

Ein wichtiges Thema des Researchteams ist der Bereich Nachhaltigkeit bei Amundi. Wie ist das Team dabei aufgestellt, mit wem arbeiten Sie zusammen, wie erfolgt die Titelauswahl?

Ein Team von 20 Spezialisten für nachhaltige Investments stellt die ESG-Analyse von mehr als 5.500 Emittenten sicher und ist aktiv bei der Stimmrechtsausübung. Unsere ESG-Analyse basiert auf internen Referenzwerten, die aus 36 Kriterien bestehen. Dazu gehören 15 allgemeine Kriterien, die alle Unternehmen unabhängig von ihrer Branche gemein haben, und 21 spezifische Kriterien, die von den jeweiligen Branchen abhängen. Die so gesammelten Informationen bilden die Grundlage für die spätere Titelauswahl. Darüber hinaus, lassen Sie mich dies noch kurz erwähnen, setzt ein Corporate Engagement Team die Abstimmungspolitik auf den Hauptversammlungen um und führt gemeinsam mit den ESG-Analysten den Dialog mit den Unternehmen. Zudem holen wir regelmäßig die Expertise von rund fünfzig Experten zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) ein.

Wie fließt das Nachhaltigkeitsrating von Amundi in den ETF-Bereich ein und inwieweit plant Amundi, die Produktpalette nachhaltiger ETFs weiter auszuweiten?

Amundi nimmt in Bezug auf verantwortungsbewusstes Investieren sicherlich eine Sonderstellung ein, da wir für das aktive und das passive Management gemeinsam abstimmen. Unser Produktangebot umfasst zum Beispiel einen passiven Low-Carbon-Ansatz für Investoren, die die durch das CO2-Risiko induzierten finanziellen Risiken reduzieren wollen.

Gibt es neben moralischen auch wirtschaftliche Gründe für nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren oder müssen Anleger mit unterdurchschnittlichen Erträgen leben?

Sie spielen mit ihrer Frage darauf an, dass in der Vergangenheit gemeinhin angenommen wurde, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten die Performance zerstört. Diese Debatte ist jedoch inzwischen überholt. Mehr als 2.000 weltweit durchgeführte Studien – darunter auch Amundi-Studien – haben bewiesen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten die Performance nicht beeinträchtigt. Nachhaltigkeitsaspekte und ESG Kriterien können, wenn sie pragmatisch eingesetzt werden, im Gegenteil die Performance steigern.

Gehen Sie davon aus, dass das Thema auch in Zukunft Anleger anlockt oder ist es vielleicht ein Zeitgeist, der sich in einigen Jahren verflüchtigt?

Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit nimmt auf allen Ebenen zu – Regierung, Zivilgesellschaft, Investoren, Vermögenseigentümer und Vermögensverwalter. Dies ist auch notwendig, weil es eine komplexe Herausforderung ist, Wachstum nachhaltiger zu gestalten, welche die Zusammenarbeit aller erfordert. Wir bei Amundi sind überzeugt, dass verantwortungsbewusstes Investieren kein Modetrend ist, sondern vielmehr in den kommenden Jahren weiter wachsen wird. Daher ist es eines unserer strategischen Ziele für 2018/2020, neben den finanziellen Kriterien auch die ESG-Kriterien in die Investitionspolitik einzubeziehen.

Was sind für Sie Branchen, die sie komplett ausschließen? Hier gibt es doch sicher auch Grauzonen?

Sicherlich sind einige Branchen eindeutig „grüner“ als andere. Für uns ist es aber darüber hinaus immer auch wichtig, wie ein Unternehmen insgesamt aufgestellt ist und auf welche Art und Weise es sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Dies beobachten wir sehr genau. Zudem glauben wir, dass sich ein Unternehmen – unabhängig von der Branche – im Sinne der Nachhaltigkeit entwickeln kann. In diesem Zusammenhang ist es uns auch wichtig stets den Dialog zu pflegen.

Worauf sollten Privatsparer achten, die ihr Geld in wirklich nachhaltige Anlage investieren möchten?

Wer sich eine nachhaltige Anlage ins Portfolio legen möchte, sollte bei der Auswahl die gleiche Sorgfalt walten lassen und die gleichen Kriterien berücksichtigen, die auch bei den klassischen Anlageprodukten zu beachten sind. Es gilt also auch hier, sein eigenes Risikoprofil zu kennen und als Privatanleger – in der Regel im Austausch mit dem Berater – zu entscheiden, welche nachhaltige Anlage in Frage kommen könnte.

Gibt es anerkannte Gütesiegel, auf die sich Verbraucher verlassen können?

Ja, es gibt Gütesiegel, die dem Verbraucher als Richtschnur dienen können. Amundi zum Beispiel ist der erste Asset Manager, der seine SRI-Arbeit von AFNOR zertifizieren lässt. Diese von einer renommierten unabhängigen Organisation ausgestellte Zertifizierung garantiert die Qualität und Transparenz unseres SRI-Ansatzes durch Serviceverpflichtungen wie Fachwissen, Datenrückverfolgbarkeit, Informationen, Reaktionsfähigkeit und so weiter. Darüber hinaus hat Amundi 2016 als erste Vermögensverwaltungsgesellschaft das vom französischen Finanzministerium geschaffene SRI-Label für mehrere seiner Fonds erhalten.

Stellen Sie eine relevante Nachfrage von privater Seite fest oder ist das Thema Nachhaltigkeit fest in institutioneller Hand?

Wir sehen, dass das Interesse von Privatanlegern steigt, obwohl die weltweite Nachfrage in diesem Segment nach wie vor stark vom institutionellen Markt getrieben wird. Angesichts des demografischen Wandels und des Mentalitätswandels deutet – unserer Einschätzung nach – vieles darauf hin, dass die Nachfrage von Seiten der privaten Anleger in den kommenden Jahren steigen wird.