11. Juni 2018
Im Sommer kämpfen 32 Nationen um den WM-Pokal. Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, über die wirtschaftlichen Chancen des Gastgebers und seinen ETF-Weltmeister.

WM in Russland: "Am Ende verbleibt relativ wenig beim Gastgeber"

Ab dem 14. Juni flimmern die Bildschirme wieder häufiger. Dann eröffnen Gastgeber Russland und Saudi-Arabien die 21. Fußball-Weltmeisterschaft. Ins Finale werden beide wohl nicht einziehen. So würde ein mutiger Tipper, der Ende April bei Tipico zehn Euro auf Russland setzt, 400 Euro erhalten, wenn tatsächlich die Russen die begehrte WM-Trophäe in Händen halten. Bei Saudi-Arabien bedarf es freilich noch etwas mehr Mut. Aus zehn Euro würden stolze 10.000 Euro erwachsen. Brasilien – Gastgeber der vergangenen WM – über die übrigens unser Interviewpartner Henning Vöpel eine Studie verfasste, werden die größten Chancen zugeschrieben.

Herr Vöpel, sehen Sie durch die WM in Russland zusätzliches Wirtschaftswachstum im Gastgeberland und ein vielleicht langfristig entspannteres Verhältnis zum Westen?

Es wird durch die WM sicherlich zu einem positiven wirtschaftlichen Effekt kommen. Dieser wird aber nur vorübergehend sein. Nachhaltige Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum gab es auch bei vergangenen Weltmeisterschaften nicht. Allzu große Hoffnungen auf politische Entspannung durch die WM teile ich nicht. Im Gegenteil: Sportgroßereignisse wurde in der Vergangenheit von gastgebenden Regierungen eher dazu genutzt, sich selbst positiv gegenüber der eigenen Bevölkerung darzustellen.

Ist eine Fußball-WM anders als möglicherweise eine Olympia-Austragung ein Plusgeschäft für das Gastgeberland? Wenn ja, wie lange kann ein solcher positiver Effekt andauern?

Eine Fußball-WM hat sicherlich nochmal größere Effekte für das Gastgeberland, denn Olympische Spiele fokussieren sich auf eine Stadt. Was Medienrechte und Sponsorengelder betrifft, ist die Fifa allerdings kaum großzügiger als das IOC. Am Ende verbleibt relativ wenig beim Gastgeber.

Die wirtschaftlichen Effekte halten auch kaum länger als vielleicht ein Jahr an. Den ersten Effekt gibt es bei den Bauinvestitionen einige Jahre vor Austragung, den zweiten Effekt gibt es dann während des Turniers, wenn die Zuschauer und Touristen aus dem Ausland kommen. Die Investitionen in Stadien und Infrastruktur sind meistens sehr spezifisch und der Anstieg der Touristen ebbt schnell wieder ab, so dass der Effekt temporär bleibt.

Die Top-Favoriten der Buchmacher sind bei dieser WM Brasilien, Deutschland, Spanien und Frankreich. In welche dieser Märkte würden Sie am ehesten in Form eines ETFs investieren und warum? Wo eher nicht?

Tatsächlich konnte man in der Vergangenheit manchmal einen allgemeinen Kursanstieg an den Börsen des Siegerlandes beobachten, so dass sich eine Wette auf den Sieger auch an den Börsen und nicht nur bei den Wettbüros lohnen kann. Das ist jedoch rein spekulativ, weil es um Gewinnmitnahmen geht und nicht um nachhaltige, fundamental begründete Wertsteigerungen bei Unternehmen. Angesichts der derzeitigen Situation an den Börsen und den zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklungen und Reformbemühungen in den Ländern sowie den sportlichen Siegchancen würde ich Frankreich nehmen, weniger dagegen Brasilien.

Welches der teilnehmenden Länder ist Ihr Anlagefavorit?

Die Mischung aus konjunkturellen, strukturellen und sportlichen Faktoren macht Frankreich zu meinem Anlagefavoriten, mit Abstrichen Deutschland. Bei informationseffizienten Märkten verbleibt jedoch nur ein stochastischer Rest, der normalverteilt ist. Eine systematische Chance auf Überrendite gibt es also kaum.

Und zum Schluss noch ein Tipp: Wer wird Weltmeister?

Deutschland ist der realistische Wunschtipp. Bei Frankreich deutet sich seit Jahren etwas an. Nach diesen beiden gehören Spanien und Brasilien zum erweiterten Favoritenkreis.

Lesetipp: Einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema können Sie in der Juni-Ausgabe des EXtra Magazins lesen.