22. April 2023

Voting Choice: Blackrock und die Revolution der Stimmrechte

Blackrock (iShares) möchte die direkte Aktionärsdemokratie bei ETFs stärken. Deshalb sollen Blackrock-Kunden über das Programm Voting Choice mehr Freiheit bei der Stimmrechts-Ausübung erhalten. Hier erfährst du, wie das funktioniert.

Vielleicht hast du den Begriff Stewardship schon einmal gehört? In der Finanzindustrie bezeichnet dies unter anderem den verantwortungsvollen Gebrauch der Stimmrechtsausübung von großen Vermögensverwaltern auf Hauptversammlungen. Insbesondere die großen ETF-Anbieter befassen sich mit diesem Thema, denn sie verwalten in der Regel sehr viel Kapital. Dies bringt der Branche immer wieder Kritik ein. Die ETF-Giganten könnten zu viel Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen, heißt es oft. Wegen der Sorgen vor zu viel Einflussnahme hat Blackrock reagiert. Der US-Vermögensverwalter rollt sein Programm „Voting Choice“ nun großflächig aus.

Wie mächtig ist Blackrock?

Trotz der Kursrückgänge an den Aktienmärkten verwaltete Blackrock, der weltgrößte Vermögensverwalter, im zweiten Quartal 2022 knapp 8,5 Milliarden US-Dollar. Das ist mehr als sechsmal so viel wie im Jahr 2008. Eine der treibenden Kräfte dieser Erfolgsstory ist die ETF-Sparte iShares. Das Unternehmen ist heute der weltweit führende Emittent von ETFs und räumt bei den ETP-Awards regelmäßig den Preis als „ETF-Anbieter des Jahres“ ab.

Im Gegensatz zu aktiv verwalteten Fonds sind Indexfonds sehr langfristige Anteilseigner. Aktiv gemanagte Fonds können die Aktien eines Unternehmens, das sie für schlecht geführt erachten, rasch wieder verkaufen und tun dies auch. In den USA halten aktiv verwaltete Investmentfonds eine Position im Durchschnitt nur 18 Monate lang. Im Gegensatz dazu hält ein vergleichbarer Indexfonds eine Aktie im Mittel 20 Jahre lang.

Durch das starke Wachstum der verwalteten Vermögen, insbesondere im ETF-Bereich, vereint Blackrock sehr viel Macht auf sich. Der Vermögensverwalter hält Anteile an allen Dax-Konzernen. Bei vielen dieser Unternehmen hält man mehr als fünf Prozent der Anteile und ist bei einigen sogar der größte Aktionär. Mit seinem Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen könnte das Blackrock-Management also Einfluss auf die Geschäftsleitung der Unternehmen ausüben.

Daraus erwächst viel Verantwortung. Mit dem Tool „Voting Choice“, das bisher lediglich institutionellen Kunden offenstand, hat Blackrock eine Möglichkeit geschaffen, dass Kunden der Stimmrechtsausübung auf Hauptversammlungen mitentscheiden können. Dies wird nun auch für Kleinanleger geöffnet. Mit Hilfe von Voting Choice können in Indexfonds investierte Anleger Blackrock mitteilen, welche Optionen für die Stimmrechtsausübung sie wählen wollen.

Was ist Voting Choice?

Deshalb arbeitet Blackrock seit etwas mehr als einem Jahr an einem Programm namens Voting Choice. Durch die technologischen Möglichkeiten und angepasste Prozesse wird den wahren Eigentümern der von Blackrock verwalteten Vermögenswerte die Möglichkeit gegeben, sich viel direkter an der Abstimmung der investierten Unternehmen zu beteiligen.

Zu diesem Zweck stehen den Kunden vier Wahlmöglichkeiten zur Verfügung:

  • Die Anleger haben die vollständige Kontrolle über ihre Stimmabgabe. Angesichts der mitunter großen Anzahl von Beteiligungen in einem börsengehandelten ETF erfordert dies jedoch die Ressourcen und das Fachwissen der Kunden, um diese Entscheidungen dann auch zu treffen.

 

  • Die Kunden verfolgen bei den Stimmrechtsentscheidungen einen gemischten Ansatz. Der Kunde kann selbst Abstimmungsentscheidungen zu Themen oder Unternehmen treffen, die für ihn am wichtigsten sind. Den Rest der Beschlüsse kann er dem Vermögensverwalter überlassen.

 

  • Investoren wählen aus einer Reihe von Drittanbieter-Richtlinien. Verschiedene Stimmrechtsberater erarbeiten Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten. Der Kunde kann aus mindestens sieben Vorschlägen aussuchen.

 

  • Klienten überlassen die Abstimmungsentscheidungen Blackrock. Die Kunden können sich bewusst für den Vermögensverwalter entscheiden. Das Mandat für Blackrock wird dadurch noch stärker und stärkt die Position des Vermögensverwalters.

Voting Choice in Zahlen und nächste Schritte

Zum Ende des dritten Quartals 2022 verwaltete Blackrock 3,8 Milliarden Dollar in indexnahen Anlagen. Davon waren 1,8 Milliarden Dollar bzw. 47 Prozent zur Teilnahme an Voting Choice berechtigt. Bislang ist das Angebot noch auf institutionelle Kunden beschränkt. Allerdings wurden 95 Prozent ihrer Vermögenswerte bereits für das Programm zugelassen.

Bislang haben sich Kunden, die ein Viertel des zugelassenen Vermögens repräsentieren, für Voting Choice angemeldet. Das Interesse nimmt weiter zu. Die Zahl der Interessenten, die sich anmelden wollen, hat sich seit Mai immerhin verdoppelt.

Diese Zahlen klingen vielversprechend und ermutigen Blackrock, noch mehr Anstrengungen in das Programm zu stecken und es auszuweiten. Das Unternehmen erweitert den Pool der infrage kommenden Kundengelder um weitere Anlageformen für institutionelle Anleger und vergrößert die Palette der Abstimmungsstrategien, aus denen die Kunden wählen können. Der wichtigste nächste Schritt ist aber, dass Blackrock daran arbeitet, diese Möglichkeit auch Privatanlegern in ausgewählten Investmentfonds im Vereinigten Königreich zugänglich zu machen. Das ist ein bedeutendes Etappenziel, um eines Tages für alle Kunden des Unternehmens die Wahlmöglichkeit anzubieten.

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Was bedeutet Voting Choice für die Anleger?

Bis jetzt hat Blackrock die Stimmrechte der Mehrheit der Aktionäre vertreten. Es ist aber fast unmöglich, alle Anleger in jeder Hinsicht zufriedenzustellen. Hier liegt das große Potenzial von Voting Choice.

Die Wahlmöglichkeit der Stimmabgabe kann die Beziehung zwischen Vermögensinhabern und den Firmen verändern. Und wenn sie allgemein angenommen wird, könnte sie die Unternehmensführung verbessern, indem sie der Demokratie der Aktionäre wichtige neue Stimmen hinzufügt. Die Unternehmen werden sich mit einer breiteren Gruppe von Aktionären auseinandersetzen müssen. Dafür müssen sie neue Modelle und Formen entwickeln, um die Vermögensinhaber zu informieren und mit ihnen über ihre wichtigsten Abstimmungsfragen zu sprechen. Diese Entwicklung kann einige Zeit in Anspruch nehmen.

Es gibt Anleger, die nicht nur am Rande stehen wollen. Denn sie haben eine Meinung zur Unternehmensführung und wollen eine Möglichkeit, diese zu äußern. Der Ansatz von Blackrock ist richtig, den eigentlichen Eigentümern der Unternehmen ihre Stimme zu geben. In diesem Zusammenhang ist es wohl von elementarer Bedeutung, den Zugang einfach und effektiv zu gestalten. Die Stimmabgabe muss so unkompliziert sein, wie es heute der Kauf eines ETF-Anteils ist. Nur dann wird das Konzept auf breiter Basis akzeptiert werden, so die Annahme.

Was Voting Choice für Blackrock bedeutet

Viele Anleger werden davon absehen, ihr Stimmrecht selbst auszuüben. Blackrock kann dann auf die Tatsache verweisen, dass die Kunden die Wahl hätten. Der Einfluss des Vermögensverwalters auf die Weltwirtschaft wird deswegen auch mit Voting Choice in absehbarer Zeit nicht verschwinden. Das Unternehmen hätte ihn jedoch legitimiert. Zumal Blackrock in anderen Bereichen viel stärker von Voting Choice profitieren könnte.

Blackrock hat bereits vor einigen Jahren damit begonnen, die operativen und technischen Voraussetzungen zu schaffen, um mehr Kunden diese Möglichkeit zu bieten. Heute ist Blackrock das einzige Unternehmen, das seinen Mandanten eine entsprechende Wahlmöglichkeit bietet. Anleger, die diese Option einmal in Anspruch genommen haben und mit der Erfahrung zufrieden sind, werden nicht ohne weiteres den Vermögensverwalter wechseln. Angesichts der wachsenden Bedeutung von ESG-Themen könnte Voting Choice ein starker Wettbewerbsvorteil sein. Vor allem, wenn es dem Unternehmen gelingt, die technischen und regulatorischen Voraussetzungen zu schaffen, um eine solche Option auch jedem Privatanleger anbieten zu können.

Mehr Mitsprache für Anleger

Viele Anleger werden ein einfach zugängliches Mitspracherecht von ihrem ETF-Anbieter erwarten. Blackrock könnte hier als Anbieter für eine derartige Plattform dienen. Damit kann der Vermögensverwalter sein Software-Geschäft weiter stärken. Bereits in den ersten neun Monaten des Vorjahres setzte Blackrock in diesem Bereich mehr als eine Milliarde US-Dollar um. Das Geschäft ist für das Management besonders interessant, da es weniger von der zyklischen Entwicklung an den Aktienmärkten abhängig ist.

Darüber hinaus erhält Blackrock wertvolle Informationen zum Abstimmungsverhalten seiner Kunden. Das Unternehmen wird damit seine Risikoanalysemodelle füttern. Es wäre überraschend, wenn mit diesen Daten keine spannenden Schlussfolgerungen möglich wären.

Fazit

Viele ETF-Anleger wünschen sich mehr Mitsprache in Bezug auf die Unternehmen, in die sie investieren. Die Verantwortlichen des Vermögensverwalters Blackrock arbeiten an einer Lösung – auch in eigenem Interesse. Es wird spannend sein zu beobachten, inwieweit ETF-Anleger in den kommenden Jahren mehr Mitspracherecht erhalten.