22. März 2024
Magnificent 7 auf dem Qualitätsprüfstand

Konrad Kleinfeld (SPDR): Über die Risiken der Magnificent 7

Die US-Börse wurde in den vergangenen Jahren getrieben von den großen Tech-Konzernen, den Magnificent 7. Rückt ihnen nun der Staat auf die Pelle? Antworten von Konrad Kleinfeld, Head of Fixed Income Sales EMEA für SPDR.

Die Magnificent 7 haben dem US-Aktienmarkt jahrelang Schwung gegeben. Ruft die Macht dieser Konzerne möglicherweise die Regulierungsbehörden auf den Plan?

Die „Magnificent 7“, also die sieben größten und einflussreichsten Technologieunternehmen, stehen vor spezifischen Risiken, die ihre dominante Stellung im Markt und zukünftige Performance beeinflussen könnten. Diese Risiken lassen sich grob in zwei Hauptkategorien einteilen in meinen Augen: Einerseits Markt(preis)risiken und andererseits regulatorische Risiken.

Zunächst zu den Markt(preis)risiken: Diese Unternehmen sind in hohem Maße von globalen Wachstumstrends, Technologieausgaben und der Verbraucher-Resilienz abhängig. Auch wirken einige strukturelle Trends gleichgerichtet auf alle sieben Firmen. Ein simultaner Negativtrend in diesen Bereichen könnte daher zu einem deutlichen Rückgang der Aktienkurse führen, ein Phänomen, das als „Momentum-Crash“ bekannt ist. Angesichts der Tatsache, dass ein beträchtlicher Teil des Marktwertes und der Performance wichtiger Indizes, wie dem S&P 500, auf diesen wenigen Unternehmen beruht, könnte ein gleichzeitiger Rückgang ihrer Werte zu erheblichen Marktabschwüngen führen.

Tipp: Die Magnificent 7 prägen den US-amerikanischen Aktienmarkt. Hier findest du eine Auswahl an Tech-ETFs.

Auf der anderen Seite stehen die regulatorischen Risiken. Weltweit verstärken Regulierungsbehörden ihre Bemühungen, die Marktmacht der „Magnificent 7“ zu beschränken. Dies umfasst Maßnahmen gegen angenommene antikompetitive Praktiken, mögliche Datenschutzverstöße und eine zu hohe Marktkonzentration. Eine verstärkte Regulierung oder gar die Zerschlagung einiger dieser Konzerne könnte sich negativ auf ihre Geschäftsmodelle, ihre Fähigkeit zur Profitgenerierung und letztlich auch auf ihre Aktienkurse auswirken.

Diese Risiken sind keineswegs nur theoretischer Natur, sondern spiegeln die realen und gegenwärtigen Bedenken wider, die von Investoren, Analysten und Regulierungsbehörden gleichermaßen geteilt werden. Die Abwägung zwischen weiterem Wachstum und der Notwendigkeit einer Regulierung wird voraussichtlich ein kontinuierliches Thema für die „Magnificent 7“ in den kommenden Jahren darstellen. Die Bewältigung dieser Herausforderungen wird entscheidend sein für ihre Fähigkeit, ihre Marktposition zu behaupten und gleichzeitig nachhaltiges Wachstum für Angestellte und Investoren zu fördern.

Was würde das für die Aktionäre bedeuten?

Natürlich hat niemand von uns eine Glaskugel, um die genauen Entwicklungen vorhersagen zu können, besonders nicht im Hinblick auf mögliche Regulierungen oder deren Auswirkungen. Dies akzeptierend, sollten Aktionäre jedoch in Betracht ziehen, ihre Portfolios breiter und internationaler zu diversifizieren, um Risiken zu streuen. Diversifikation über verschiedene Regionen und Sektoren hinweg kann helfen, das Portfolio widerstandsfähiger gegenüber lokalen oder sektorspezifischen Schocks zu machen. Tatsächlich könnte die momentane Marktlage für eine Überprüfung der Positionen in Tech-Titeln sprechen, die nach einigen Finanzkennzahlen möglicherweise als teuer gelten und bereits signifikante Kursgewinne verzeichnet haben.

Konrad Kleinfeld, Head of Fixed Income Sales EMEA
Konrad Kleinfeld, Head of Fixed Income Sales EMEA für SPDR

Zusätzlich könnte eine stärkere Fokussierung auf Small-Cap-Unternehmen eine Überlegung wert sein, da diese in einem Umfeld wirtschaftlicher Erholung potenziell höhere Wachstumschancen bieten können. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass Small-Caps oft volatiler sind und ein höheres Risiko bergen können.

Auch die Integration von Dividendentiteln in das Portfolio kann ebenfalls eine kluge Strategie sein. Sie bieten nicht nur potenzielle Stabilität und eine Quelle für regelmäßige Einkünfte, sondern können auch zur Diversifikation der Performance beitragen. Auch Value-Titel, die möglicherweise unterbewertet sind und ein attraktives Bewertungsprofil bieten, oder Minimum-Volatility-ETFs (Min-Vol-ETFs), die darauf abzielen, die Volatilität zu minimieren, könnten in einem unsicheren Marktumfeld ebenfalls von Interesse sein.

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Insofern lässt sich zusammenfassend sicherlich sagen, dass Aktionäre gut beraten sind, auch weiterhin eine flexible und gut durchdachte Anlagestrategie zu verfolgen, die Diversifikation und Qualität in den Vordergrund stellt. Dies kann helfen, die Auswirkungen der identifizierten Risiken zu mildern und gleichzeitig das Portfolio für mögliche Chancen zu positionieren, die sich trotz der Unsicherheiten ergeben können.

Auf globaler Ebene könnten geopolitische Turbulenzen drohen. Welche Szenarien sehen Sie als besonders tiefgreifend an?

Geopolitische Unruhen repräsentieren in unseren Augen grundsätzlich eine wesentliche Quelle der Unsicherheit respektive höherer Volatilität für die globalen Finanzmärkte, mit potenziell weitreichenden Auswirkungen, die in unterschiedlichen Formen auftreten können. Diese Risiken reichen von Angebotsschocks, die sich aus Konflikten in geopolitisch sensiblen Regionen wie dem Nahen Osten ergeben, bis hin zu globalen „Risk-off“-Ereignissen, die durch regionale Krisen wie Spannungen auf der koreanischen Halbinsel oder die Situation zwischen China und Taiwan verursacht werden können. Solche Ereignisse führen erfahrungsgemäß häufig dazu, dass Investoren grundsätzlich Kapital aus risikoreicheren Anlagen abziehen und in als sicher geltende Häfen wie Staatsanleihen oder Gold investieren.

Die von mir angesprochenen Angebotsschocks können dabei zu abrupten Unterbrechungen in der Versorgung mit Energie und anderen kritischen Ressourcen führen, was unmittelbare Auswirkungen auf die globalen Märkte durch Preisanstiege für Öl und andere Rohstoffe haben kann. Derartige Schocks offenbaren uns dabei abermals die Fragilität der globalen Versorgungsketten und die potenziellen finanziellen Turbulenzen, die durch geopolitische Spannungen verursacht werden können.

Ein weiterer bedeutsamer Faktor, der die geopolitische Unsicherheit beeinflusst, sind politische Ereignisse in großen Volkswirtschaften, insbesondere die Wahlen dieses Anno in den USA. Wahljahre sind erfahrungsgemäß häufig von erhöhter Marktvolatilität geprägt, da die Investoren die potenziellen Auswirkungen der politischen Veränderungen auf die Wirtschafts- und Außenpolitik einzuschätzen versuchen. Erst kürzlich haben wir von State Street Global Advisors dazu eine Studie publiziert.

Eine zweite Ebene der Geopolitik scheint mir zudem entscheidend: die geopolitischen Risiken sind nämlich aufgrund der engen Vernetzung der globalen Wirtschaft miteinander verknüpft, was bedeutet, dass ein ernsthafter Vorfall ausreichen kann, um erhebliche finanzielle „Dominoeffekte“ weltweit auszulösen. In einer derart vernetzten Weltwirtschaft kann sich Unsicherheit damit schnell über Märkte und Grenzen hinweg eskalieren respektive übertragen, was die Bedeutung einer kontinuierlichen Überwachung und gegebenenfalls notwendige Anpassung von Anlagestrategien unterstreicht. Investoren müssen oder sollten daher geopolitische Entwicklungen sorgfältig beobachten und ihre Portfolios gegebenenfalls anpassen, um potenziellen Risiken und deren Auswirkungen Rechnung zu tragen.

Welche Anlageklassen könnten dann profitieren?

In einem volatilen Marktumfeld können bestimmte Anlageklassen potenziell bessere Stabilität, Sicherheit und Resilienz bieten als andere. In unseren Augen könnten dies insbesondere Aktien aus defensiven Sektoren wie dem Gesundheitswesen, den Versorgern und dem Konsumgütersektor aufgrund ihrer tendenziell stabilen Nachfrage und Unternehmensergebnissen sein, weil sie eine gewisse Widerstandsfähigkeit und geringere volkswirtschaftliche Zyklik aufweisen. Ebenso sind Qualitätsaktien, die sich durch starke Bilanzen und stabile Cashflows auszeichnen, für Anleger attraktiv, da sie weniger anfällig für wirtschaftliche Schwankungen sein können und somit eine sicherere Anlageoption darstellen. Hier können also auch Value-Titel oder die Dividenden Aristokraten je nach Region eine interessante und wertstiftende Ergänzung darstellen.

Bei den Anleihen bieten Staatsanleihen von Ländern mit starker Bonität und Unternehmensanleihen hoher Investment-Grade-Qualität eine gewisse Sicherheit in unsicheren Zeiten. Investoren neigen dazu, in solch volatilen Phasen sichere Anlagehäfen zu bevorzugen, wobei Staatsanleihen als besonders sichere Option aka „Safe Haven“ gelten, um Kapital zu schützen und gleichzeitig eine Rendite zu erzielen.

Wir sehen also, dass eine Diversifikation über Regionen und Assetklassen durchaus helfen kann die negativen Auswirkungen von Marktvolatilität zu mildern und dazu beitragen kann das Gesamtrisiko des Portfolios zu reduzieren und gleichzeitig die Chancen auf positive Erträge zu wahren.

Und welche Anlageklassen und Sektor stehen im Fokus, wenn das Zinsniveau wieder zurückgeht?

Hier sollte man natürlich unterscheiden zwischen der strategischen und taktischen Asset-Allokation eines Portfolios. Rein nach der taktischen Brille betrachtend, sollten Anleger in einem Zinssenkungsumfeld Sektoren wie High-Yield-Anleihen, grundsätzlich Anleihen-ETFs über deren Duration, aber auch Aktien von Technology, Versorgern, Konsumgütern bis hin zu Dividendentiteln oder Immobilien-Aktien beachten, da diese tendenziell von niedrigeren Zinsen profitieren oder profitieren können. Historisch gesehen haben nämlich Aktien nach Beginn der Zinssenkungen durch die US-Notenbank durchschnittlich bessere Renditen als allgemein Anleihen und Cash * erzielt. Die aktuelle Situation ist jedoch insofern einzigartig, da Zinssenkungen nicht aufgrund wirtschaftlicher Schwäche, sondern aufgrund verbesserter Inflationserwartungen erwogen werden könnten, was ein positives Zeichen für Aktien- und Anleihenmärkte im Jahr 2024 sein könnte. Folglich könnten Anleihen mit hoher Zinssensitivität und guter Bonität hier interessant sein.